Deutsche Wirtschaftsinstitute hängen stets wie gebannt an den Exportzahlen. Wenn exportierende Industrieunternehmen weniger Aufträge in ihren Büchern melden, beginnt das Wort Depression sich in die Wirtschaftsseiten der deutschen Zeitungen zu schleichen. Da tauchen schnell auch apokalyptische Töne auf, weil sich die meisten Wirtschaftsredakteure ein Deutschland ohne fetten Exportüberschuss gar nicht mehr vorstellen können. Aber selbst das IWH in Halle hat da mittlerweile seine Zweifel.

Oliver Holtemöller, Leiter der Abteilung Makroökonomik und Vizepräsident des IWH, hat die neuen Zahlen ausgewertet und meint: Der Abschwung in Deutschland geht weiter. Und das, obwohl die Beschäftigtenzahlen auch nach Rechnung des IWH weiter steigen werden, die Löhne und Konsumausgaben ebenfalls.

Aber da ist ja dieser seltsame Export, der darunter leidet, dass ein wildgewordener amerikanischer Präsident das globalisierte Handelssystem zu zertrümmern versucht.

Und diese Handelsstreitigkeiten lassen den internationalen Güterhandel in diesem Jahr sinken, schätzt das Institut für Wirtschaftsforschung (IWH) in Halle ein. Davon sei das Verarbeitende Gewerbe in Deutschland besonders betroffen. Allerdings stütze ein robuster Arbeitsmarkt die Konjunktur. Die deutsche Wirtschaft wird laut Herbstprognose des Leibniz-Instituts für Wirtschaftsforschung Halle (IWH) im Jahr 2019 wohl um 0,5 % zunehmen. Dabei dürfte der Produktionszuwachs in Ostdeutschland mit 1 % deutlich höher ausfallen als in Westdeutschland.

Denn natürlich ist der größte Teil der Exportwirtschaft Deutschlands im Westen ansässig. Das hat Folgen.

Die Einschätzung der Lage:

Die internationale Konjunktur hat sich zur Jahresmitte 2019 weiter abgekühlt. Im ersten Halbjahr stagnierte die Industrieproduktion in etwa, und der Güterhandel ist schon seit Herbst 2018 rückläufig, im Wesentlichen aufgrund der von den USA ausgehenden Handelskonflikte. Weil aber die Dienstleistungen fast überall noch recht deutlich expandierten, hat sich die Dynamik der gesamtwirtschaftlichen Produktion global nur moderat verlangsamt.

Aber während Dienstleister in der Regel still und fleißig sind und Leute einstellen, wenn sie gebraucht werden, erhebt sich an den Börsen ein Riesengeschrei, wenn die Gewinne aus Aktien auf einmal schrumpfen.

Das steckt in der nächsten Aussage: „Vor diesem Hintergrund haben sich die konjunkturellen Erwartungen an den Finanzmärkten deutlich eingetrübt. Eine Reihe von Zentralbanken hat ihre Leitzinsen gesenkt oder plant solche Schritte für die nahe Zukunft. Die Finanzmärkte rechnen aber auch auf Dauer mit sehr niedrigen Zinsen sowohl in nominaler als auch in realer Rechnung.“

Eine Aussage, die etwas deutlich macht, was gern vergessen wird: Über ihr Börsengeschrei verschaffen sich Aktieninhaber eine enorme Deutungsmacht über die Wirtschaftsberichterstattung. Ihr Lamento erfährt allerhöchste Aufmerksamkeit. Und es sorgt dafür, dass auch die Politik immer wieder ausschließlich Wirtschaftspolitik für die Börsen macht, nicht für die kleinteiligen und mittelständischen Unternehmen im Land.

Die Aussichten aus Sicht des IWH

Aber auch das IWH ist weiter auf die „Weltmärkte“ fixiert: „In den kommenden Quartalen dürfte die Produktion in den USA etwas langsamer als das Produktionspotenzial expandieren, die Wachstumsdynamik in China verlangsamt sich weiter, und der Abschwung im Euroraum setzt sich fort. In der vorliegenden Prognose wird unterstellt, dass es Ende Oktober zu einem Brexit ohne Vertrag kommt, pragmatische Regelungen einen Zusammenbruch der wirtschaftlichen Transaktionen zwischen Großbritannien und der EU aber verhindern und auch das europäische Finanzsystem stabil bleibt.“

Natürlich macht man mit hochwertigen Industrieprodukten im Außenhandel große Umsätze und Gewinne. Wenn dieser Export(-überschuss) schmilzt, wird das auch mit einem leichten Rückgang beim Bruttoinlandsprodukt sichtbar.

So ist das deutsche Bruttoinlandsprodukt im zweiten Quartal 2019 um 0,1 % gesunken.

Aber das IWH verortet die Rezession in diesem Fall ganz allein im Verarbeitenden Gewerbe. Deutschland exportiert weniger Maschinen und Autos, während die Dienstleistung im Inland wächst.

„Die wesentliche Ursache dafür ist eine schwächere Nachfrage nach deutschen Exportgütern, während die Binnennachfrage bislang nur moderat an Dynamik verloren hat“, sagt Oliver Holtemöller, Leiter der Abteilung Makroökonomik und Vizepräsident des IWH. Allerdings deuten aus seiner Sicht gesunkene Auftragseingänge darauf hin, dass Ausrüstungsinvestitionen vor einer Schwächephase stehen.

Binnennachfrage dämpft

„Dass es trotzdem zu keiner schweren Rezession kommen dürfte, dafür sprechen die weiter sehr günstigen Finanzierungsbedingungen und die immer noch gute Arbeitsmarktlage, welche die Arbeitnehmereinkommen deutlich steigen lässt“, so Holtemöller weiter.

Alles in allem liege die Produktion nach vorliegender Prognose im Jahr 2019 um 0,5 % höher als im Vorjahr, im Jahr 2020 steige die Rate auch wegen der höheren Zahl an Arbeitstagen auf 1,1 %. Die Wirtschaft in Ostdeutschland expandiere in diesem Jahr mit 1,0 % und im Jahr 2020 mit 1,3 % etwas stärker als in Westdeutschland.

In den vergangenen 20 Jahren war es in der Regel umgekehrt, wuchsen Umsatz und Export im Westen stärker, weil Deutschland (mit dem Rückenwind eines „billigen“ Euro) seine Exportvolumina in alle Welt massiv steigern konnte. Im Gegenzug importierte Deutschland zu wenig, was gerade die anderen Euro-Länder massiv zu spüren bekamen. Und das hängt damit zusammen, dass die Löhne in Deutschland künstlich niedrig gehalten wurden und der Staat sogar massiv Arbeitsplätze abbaute – und zwar in elementaren Dienstleistungsbereichen wie Gesundheit und Bildung.

Das korrigiert sich derzeit ein wenig, was gerade im Dienstleistungssektor mit steigenden Beschäftigtenzahlen sichtbar wird.

Man kann den Rückgang bei den Exporten durchaus auch als eine überfällige Korrektur werten, denn dauerhaft kann Deutschland nicht solche Rekordüberschüsse produzieren, ohne dabei die Kaufkraft der eigenen Handelspartner nachhaltig zu zerstören.

Aber wie gesagt: Auch das IWH ist regelrecht fixiert auf den Export und sieht auch dort dann lauter drohende Gefahren: „Die konjunkturellen Risiken sind erheblich. Denkbar ist etwa, dass hohe Zölle auf deutsche Autoexporte in die USA erhoben werden. Zudem könnte die Rezession im Verarbeitenden Gewerbe zu einer größeren Zahl von Insolvenzen mit einer hohen Zahl von Entlassungen führen, was die Binnennachfrage erheblich belasten würde. Auch sind die konjunkturellen Folgen eines vertraglich nicht geregelten Austritts Großbritanniens aus der Europäischen Union schwierig zu quantifizieren.“

Natürlich nicht. Gleichzeitig sitzt Deutschland auf einem Investitionsdefizit von über 50 Milliarden Euro allein bei den Kommunen. Der Bund mit seinen Unternehmen hängt noch einmal mit mindestens der doppelten Summe hinterher, bei der Bahn allein sind es über 80 Milliarden Euro.

Und wie fatal die „Schwarze Null“ wirkt als De-Motivator, ist ja derzeit im Osten zu besichtigen. Das Beharren darauf, dass „der Markt alles richtet“, ist derzeit der wohl gefährlichste Glauben im Land. Ein Glauben, der sich als Machtlosigkeit in den Niederungen der Landes- und Kommunalpolitik spiegelt. Als wären 80 Millionen Bundesbürger nur dazu da, die Lautstarken an der Börse zu bedienen, denen genug nie genügen kann.

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