Am 12. September wählte der Sächsische Landesbauernverband einen neuen Präsidenten. Nachfolger des mit 67 Jahren aus dem Amt scheidenden Wolfgang Vogel wurde Torsten Krawczyk, ein 44-jähriger Landwirt aus Großweitzschen/Ortsteil Westewitz (Landkreis Mittelsachsen), der bereits seit 2015 als SLB-Vizepräsident fungierte. Und selbst bei der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft Mitteldeutschland (AbL) hat man jetzt die Hoffnung, dass sich in Sachsens Landwirtschaftspolitik etwas ändert.

Denn im MDR-Interview meinte Krawczyk zwar, der Landtagswahlkampf sei auf dem Rücken der Landwirte ausgetragen worden, aber da muss es in Mittelsachsen einen völlig anderen Wahlkampf gegeben haben als z. B. in Leipzig. Kann das sein? Sieht sich hier ein einflussreicher Bauernverband nicht zu Unrecht in einer Opferrolle? Denn im Interview beschwor er gleichzeitig die „kontinuierliche Landwirtschaftspolitik in Sachsen“, die der Bauernverband mit Landwirtschaftsminister Thomas Schmidt (CDU) auch bekommen hat. Was aber eben auch bedeutete, dass Schmidt den Landwirten nur wenig an Bereitschaft, die eigene Praxis zu ändern, zumutete.

Über den ministrierenden Agraringenieur und den von großen Landwirten dominierten Landwirtschaftsausschuss hatte der Bauernverband immer direkten Zugriff auf die sächsische Politik. Und im Grunde geht es auch Krawczyk darum, dass dieser Zugriff erhalten bleibt.

Das betonte auch die Meldung des Bauernverbandes: „Sachsens neuer Bauernpräsident sieht es als seine aktuell wichtigste Aufgabe an, in den anstehenden Koalitionsverhandlungen im Freistaat den Belangen der Landwirte Gehör zu verschaffen und das nötige Gewicht zu verleihen. ,Wir brauchen das klare Bekenntnis der Politik zum Erhalt einer flächendeckenden Landwirtschaft!‘, so Präsident Krawczyk. Wie wir Landwirtschaft künftig betreiben und wie diese ökologischer werden kann, entscheidet sich zuallererst an der Ladentheke. ,Wir Landwirte darüber können über alles reden, aber nur auf fachlicher Basis zu Lösungen kommen. Zwingende Voraussetzung ist jedoch, dass für unsere Betriebe in allen Teilen Sachsens die Wirtschaftlichkeit Grundvoraussetzung bleibt.‘“

Nur bestimmt nicht die Politik die Ladenpreise, sondern die Vormachtstellung der großen Einzelhandelsketten, die mit ihrer Marktdominanz die Abnahmepreise für alle Agrarprodukte regelrecht diktieren können. Dass eher viel zu wenige Landwirte im Sachsen den Mut finden (oder die Chance bekommen), auf ökologische Landwirtschaft umzusteuern, hat mit dieser Marktmacht der Einzelhändler und der von ihnen abhängigen Lebensmittelkonzerne zu tun.

Deswegen sieht die Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft Mitteldeutschland, also der Verband der alternativ wirtschaftenden Bauern, in einer Fortsetzung der alten Bauernverbands-Politik eher eine Katastrophe, denn der ehemalige Landesbauernverbandspräsident Wolfgang Vogel, so die ABL, habe schon lange nicht mehr für den Berufsstand gesprochen.

„Wer anderen Kompetenz zum Regieren abspricht, sollte wenigstens selber über welche verfügen“, erklärt dazu Michael Grolm, Berufsimker und Landesvorsitzender der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft Mitteldeutschland (AbL). „Aber was soll man von jemandem halten, der das Insektensterben mit dem Hinweis auf seine Frontscheibe wegredet? Der offensichtlich keine Ahnung hat, dass die mittlerweile verbotenen Neonicotinoide nicht nur dem Rapserdfloh den Garaus machen, sondern auch vielen Wildinsekten – und sogar Feld- und Singvögeln Probleme bereiten? Der elegant das Problem der Betriebsübernahmen durch außerlandwirtschaftliche Investoren ausblendet? Und der nicht zuletzt immer noch nicht wahrhaben will, dass der Rückgang der Artenvielfalt im Offenland auch mit den übergroßen Schlägen und den damit fehlenden Hecken und Saumstrukturen zu tun hat?“

Alles Themen, die Agrarminister Schmidt sichtlich nicht so wichtig fand, die aber letztlich darüber entscheiden, ob Sachsens Felder künftig überhaupt noch ausreichend Erträge liefern können, um die Nahrungsmittelversorgung zu sichern.

Die AbL habe zu all diesen Fragen konkrete Lösungsvorschläge auf den Tisch gelegt, die es den Bauern und Bäuerinnen ermöglichen, ihre Höfe im Sinne einer enkeltauglichen und umweltverträglichen Landwirtschaft umzubauen und damit auch langfristig ihre Existenz zu sichern und ein auskömmliches Einkommen zu erwirtschaften, betonte Grolm. Und er hofft nun, dass der jüngere Nachfolger von Vogel jetzt wenigstens bereit ist umzudenken.

„Nun, seit Donnerstag sollten die Äußerungen Wolfgang Vogels glücklicherweise ja nicht mehr bestimmend für die Politik in Sachsen sein, da er nicht mehr für den Posten des Landesbauernverbandspräsidenten kandidierte“, sagt der AbL-Landesvorsitzende. Gewählt wurde mit Torsten Krawczyk ein deutlich jüngerer Funktionär, „dem ich herzlich zu seiner Wahl gratuliere. Und der die Welt – hoffentlich! – mit realistischeren Augen sieht und Probleme anpackt, anstatt sie wegzureden“, sagt Michael Grolm. „Ich freue mich auf eine gute und kollegiale Zusammenarbeit und hoffe, dass der Landesbauernverband seinen Teil dazu beiträgt, dass der Berufsstand nicht weiter auseinanderdriftet, indem er die Zeichen der Zeit erkennt und seine Erstarrung hinter sich lässt.“

Krawczyk betonte, dass er die Kommunikation des Landesbauernverbands deutlich verbessern wolle. Die freilich war in der Vergangenheit eher eine stetige Verteidigung der bestehenden industriellen Agrarwirtschaft und eine zum Teil sehr lautstarke Abwehr all der drohenden Veränderungen, die bei Herbizid- und Düngemitteleinsatz drohten. Da kämpfte der sächsische Verband ja nicht allein. Die Agrarverbände haben ja auch auf Bund und EU massiven Einfluss und verhindern dringend nötige Anpassungen oft mit erstaunlichem Erfolg.

Vielleicht ändert sich das ja tatsächlich, vielleicht auch erst mit einem neuem Agrarminister, dem die Herausforderungen in der vom Artensterben genauso heimgesuchten sächsischen Landwirtschaft bewusst sind.

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