Vielleicht war es Zufall, dass die ostdeutschen Maschinenbauer am Donnerstag, 15. August, parallel zum „Bildungsmonitor“ der INSM ihre Meldung zum Start des neuen Ausbildungsjahres veröffentlichten. Denn während die INSM beklagte, die Zahl der Schulabgänger ohne Abschluss sei wieder gestiegen und den Freistaat Sachsen mal wieder als Klassenprimus lobte, stellten die Maschinenbauer etwas anderes fest: Viele Schulabgänger mit Zeugnis sind gar nicht ausbildbar. Ihnen fehlt das wichtigste Rüstzeug.
Viele ostdeutsche Maschinen- und Anlagenbauer blicken unzufrieden auf den Start des neuen Ausbildungsjahres, meldet der Verband des Deutschen Maschinenbaus Ost (VDMA Ost). Der Grund: 44 Prozent der ausbildenden Unternehmen konnten bisher nicht alle geplanten gewerblichen Ausbildungsplätze besetzen. Das ergab eine Umfrage unter den 350 Mitgliedern des VDMA-Landesverbandes Ost in Berlin, Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen.
Ein Kernthema der ostdeutschen Unternehmen ist der zunehmende Fachkräfteengpass. Den Betrieben fällt es aber nicht nur schwer, geeignete Facharbeiter und Ingenieure zu finden – fast zwei Drittel der Firmen hatten vor dem Ausbildungsbeginn 2019 auch Probleme, talentierte und motivierte Auszubildende für die gewerblichen Berufszweige zu gewinnen.
„Die betriebliche Ausbildung ist eine wichtige Säule, um den steigenden Fachkräftebedarf decken und den Standort sichern zu können. Allerdings gibt es immer mehr Maschinenbauer, die ausbilden wollen, aber ihren Bedarf nicht decken können. Ihr Anteil stieg von 39 Prozent im Vorjahr auf 44 Prozent“, sagt Reinhard Pätz, Geschäftsführer des VDMA Ost.
Sinkende Bewerberzahlen und groĂźe WissenslĂĽcken
Fast allen betroffenen Ausbildungsbetrieben macht die rückläufige Zahl an Bewerbungen zu schaffen (91,7 Prozent). Dies führen sie vor allem auf die verstärkte Studienorientierung, die demografische Entwicklung und die geografische Lage des Unternehmens zurück. Obwohl die befragten Unternehmen hierbei nur raten können. Der Topos taucht ja bei allen möglichen Wirtschaftskammern auf, die meinen, es würden zu viele junge Leute lieber studieren, als eine Berufsausbildung zu starten. Aber hier schlägt nun mal die Tatsache der halbierten Jahrgänge an Schulabgängern zu Buche. In der VDMA-Befragung kommt das als demografischer Faktor vor. Es gibt zu wenig Nachwuchs, um der Wirtschaft den Nachwuchs zu sichern.
Und die jungen Leute, die sich dann bei den Unternehmen bewerben, sind oft genug nicht ausbildbar.
70 Prozent der Firmen bemängeln, dass die Jugendlichen oftmals nicht ausreichend auf die Anforderungen in der betrieblichen Praxis vorbereitet sind. Erhebliche Wissenslücken in den Naturwissenschaften und mangelhaftes Technikverständnis, aber auch fehlende soziale Kompetenzen gehören zu den genannten Defiziten.
Was im Klartext heißt: Die Bildungssysteme der ostdeutschen Länder versagen selbst da, wo die Jugendlichen am Ende einen Schulabschluss bekommen. Sie haben zwar brav alles Wissen gepaukt und die Prüfungen absolviert. Aber sie haben die Kompetenzen nicht erworben, um das Wissen auch anzuwenden.
Früher nannte man das Nürnberger Trichter. Und am Bildungsverständnis der deutschen Kultusminister hat sich nichts geändert. Obwohl die Klagen der Ausbildungsbetriebe nicht neu sind. 2017 hatten sie zuletzt so deutliche Probleme gemeldet. 2018 schien sich die Lage am Ausbildungsmarkt zu entspannen. Doch jetzt ist der Kummer wieder da.
Wege zu einer besseren Ausbildungsfähigkeit
Aber wie bekommt man Schulabgänger, die sich in der Wirklichkeit der Berufswelt nicht überfordert fühlen? Der ostdeutsche Maschinenbau bildet überdurchschnittlich viele junge Menschen aus. Der Anteil der Auszubildenden an der Beschäftigtenzahl beträgt knapp 6 Prozent, die Durchschnittsquote des Verarbeitenden Gewerbes liegt bei 5 Prozent. Umso besorgter beobachtet der VDMA die Entwicklung.
„Den demografischen Wandel können wir nicht aufhalten. Andere Faktoren, die sich maßgeblich auf die Ausbildungsfähigkeit der Jugendlichen und die Bewerberzahlen auswirken, lassen sich hingegen sehr wohl beeinflussen“, betont Pätz.
Demnach müssten beispielsweise zügig die technische Allgemeinbildung an Grund- und weiterführenden Schulen ausgebaut, Fächer wie Mathematik und Physik praxisbezogen gelehrt und die Lehrinhalte generell an sich ändernde Berufsanforderungen angepasst werden. Das setze auch voraus, dass sich die Lehrer weiterbilden, findet Pätz.
Aber nicht die Lehrer sind das Problem. Die meisten würden sehr gern praxisnah unterrichten. Wenn sie nur dürften. Aber sie dürfen nicht, denn Deutschland ist ein Land von Kontrolleuren und Inspektoren, die alles regeln und formatieren wollen. Ergebnis sind die rigide vorgegebenen und vollgestopften Lehrpläne. Und die Lehrer müssen den zentralen Lehrplan der Kultusministerien abarbeiten.
MaĂźnahmen gegen Bewerberschwund
Viele Maschinen- und Anlagenbauer sind im ländlichen Raum verwurzelt. Aber das wird für manche zum Problem.
„Damit sich junge Menschen künftig häufiger für eine Ausbildung abseits der großen Städte entscheiden, muss dringend in die Infrastruktur investiert werden“, meint der Landesverbandsgeschäftsführer. „Ein Unternehmen kann noch so spannende Aufgaben und Aufstiegschancen oder Mitarbeitervorteile anbieten: Wenn es mit öffentlichen Verkehrsmitteln schlecht erreichbar ist, die Berufsschule weit entfernt liegt oder es im Ort keine attraktiven Freizeitmöglichkeiten gibt, hat ein Betrieb im Wettbewerb um die begehrten Nachwuchskräfte das Nachsehen.“
Aber da ist man ja schon beim nächsten Verweigerungsthema der Landesregierungen, ihrer halbherzigen Struktur- und ÖPNV-Politik.
Da ist es schon erstaunlich, dass sich ausgerechnet jene Parteien als wirtschaftskompetent darstellen, die in Struktur- und Bildungspolitik so systematisch versagen.
11. Platz bei der Schulabbrecherquote: Sachsens Bildungssystem ist weder erfolgreich noch sozial gerecht
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