Logistik ist nicht nur ein Zukunftsthema. Es ist auch ein Gegenwartsthema. Denn eine funktionierende Logistik ist nicht nur für die Wirtschaft und den Fluss der Wirtschaftsgüter notwendig. Sie muss auch umweltfreundlich sein. Eigentlich ein Megathema. Doch bei der Frage, wie umweltfreundliche Transporte aussehen, gehen die Ansichten weit auseinander. Und beim Netzwerk Logistik Mitteldeutschland e.V. ist man felsenfest der Ansicht, dass Güterverkehr auf der Elbe noch umweltfreundlich und vor allem machbar ist.

„Die exportorientierte heimische Wirtschaft braucht leistungsfähige Infrastrukturen. Das Logistik Netzwerk Mitteldeutschland befürwortet deshalb die Ausbaupläne am Hafen Riesa. Am trimodalen Containerterminal werden bereits jährlich mehr als 40.000 TEU (Standard-Container) umgeschlagen. Damit ist die Leistungsgrenze erreicht. Von einem neuen Hafenterminal würden zahlreiche Industrie- und Handelsunternehmen profitieren, die mittels regelmäßigen Zug- und Binnenschiffsabfahrten ab Riesa weltweite Absatzmärkte erreichen“, meldete das Netzwerk am Donnerstag, 4. April.

Thema ist der Ausbau des Containerhafens schon seit Jahren. Immer wieder fragten die Grünen im Sächsischen Landtag an, welchen Sinn ein Ausbau des Terminals macht, wenn der landeseigene Hafen dennoch jedes Jahr sechsstellige Minuserträge erwirtschaftet. Und vor allem auch, wenn der Schiffsgütertransport ständig zurückgeht, weil vor allem Niedrigwasser ein Verschiffen auf der Elbe oft monatelang nicht möglich macht.

Aus Sicht des Logistiknetzwerks ist das kein Problem: „Trotz zwei aufeinanderfolgender Niedrigwasserjahre 2017 und 2018 konnten in Riesa jeweils Rekordergebnisse erreicht und damit die Bedeutung des Warenumschlagplatzes unter Beweis gestellt werden. 2018 wurden mit rund 43.500 TEU so viele Container wie nie zuvor am Hafen Riesa umgeschlagen. Durch die trimodale Anbindung gelang es, die niedrigen Wasserstände zu kompensieren. Schon bei durchschnittlichen Pegelständen wären noch mehr Transporte auf dem Wasserweg möglich.“

Entwicklung def Transportmengen in der Elbeschifffahrt seit 1992. Grafik: Freistaat Sachsen, SMWA
Entwicklung der Transportmengen in der Elbeschifffahrt seit 1992. Grafik: Freistaat Sachsen, SMWA (aus der Großen Anfrage der Grünen „Wirtschaftliche und ökologische Bedeutung der Elbe in Sachsen: Auenlandschaft, Tourismus, Häfen, Schifffahrt, Hochwasserschutz und Naturschutz“.

Aber der simple Blick auf die Zahlen zeigt, dass die Binnenschifffahrt mit diesen Rekordergebnissen nichts zu tun hat. Die Güterumschläge im Binnenhafen gingen auch 2017 und 2018 weiter zurück, ein Trend, der schon mehrere Jahre anhält. Wurden in Sachsen in den 1990er Jahren noch bis zu 400.000 bis 500.000 Tonnen aufs Schiff verladen, sank diese Zahl zur Jahrtausendwende auf 200.000 und ging seit 2014 auf einen Wert nahe 100.000 zurück.

Was in Riesa wirklich zulegt, sind die Gütermengen, die auf Zugwaggons bzw. Lkw verladen werden.

Und trotzdem ist jemand im Logistiknetzwerk überzeugt, dass man immer noch „enorme Gütermengen“ aufs Wasser verladen könnte: „Die enorme Bedeutung der deutschen Binnenschifffahrt wurde auch im Bundesverkehrsministerium erkannt, wo aktuell an einem Masterplan gearbeitet wird, der im Mai vorgestellt werden soll. Denn zur Erreichung auch der gesteckten Klimaziele kann die Binnenschifffahrt einen wichtigen Beitrag leisten, sofern die dafür notwendigen Infrastrukturen geschaffen werden. Auch der Hafen Riesa könnte nach seinem Ausbau zusätzliche Kapazitäten aufnehmen und mit seinem trimodalem Transportangebot punkten. Am Standort starten täglich Güterzüge in Richtung Hamburger Hafen, von wo Ziele in der ganzen Welt erreicht werden können. Mit dem neuen Terminal könnten auch diese Züge schneller und effektiver beladen werden.“

Entwicklung des Güter- und Containerumschlags in Riesa 2016,2017, 2018. Grafik: Freistaat Sachsen (aus drei Einzelanfragen von Katja Meier (Grüne) zum Güterumschlag im Hafen Riesa)
Entwicklung des Güter- und Containerumschlags in Riesa 2016,2017, 2018. Grafik: Freistaat Sachsen (aus drei Einzelanfragen von Katja Meier (Grüne) zum Güterumschlag im Hafen Riesa)

Das mit den Güterzügen Richtung Hamburger Hafen stimmt. Auch wenn es immer wieder Engpässe auf Güterzugstrecken gibt, hat die Bahn längst den größten Teil der Transportkapazitäten übernommen, die in den 1990er Jahren noch per Schiff Richtung Hamburg fuhren.

„Die Verbindung von Wasserstraße, Straße und Schiene am Standort Riesa ist ein klarer Standortvorteil. Die sächsischen Binnenhäfen stellen mit ihren trimodalen Angeboten unverzichtbare Schnittstellen dar, um für verschiedenste Transportaufgaben passende Lösungen anbieten zu können“, betont Marko Weiselowski, Vorstandsmitglied im Netzwerk Logistik Mitteldeutschland, und ergänzt: „Wir Logistiker brauchen diese Infrastrukturen, wenn nicht noch mehr Transporte auf die Straße verlagert werden sollen.“

Aber die Hoffnung ist trügerisch, weil kein heutiger Wirtschaftszweig sich mehr auf die unsicheren Wasserstände in der Elbe verlassen kann. Die beauftragenden Unternehmen lassen ja nicht aus Geigelei ihre Container mit Zug und Lkw fahren, sondern weil bei beiden Transportwegen Start und Ankunft klar zu berechnen und einzutakten sind. Die meisten können sich lange Liegezeiten im Hafen, weil das Wasser unterm Kiel fehlt, gar nicht mehr leisten.

Und während Weiselowski die Zukunft auf dem Wasser beschwört, ist in Riesa der gegenteilige Trend unübersehbar. Auch in den Jahren 2016 bis 2018 ging der Transport von Gütern und Containern auf dem Wasser weiter zurück, während die auf Zug und Lkw verladenen Transportmengen weiter deutlich anstiegen. Riesa hat sich längst zu einem landgebundenen Güterterminal entwickelt, in dem der Hafen selbst nur noch eine marginale Rolle spielt.

Insbesondere die Grünen-Abgeordnete Katja Meier fragt beharrlich die realen Umschlagszahlen im Elbehafen Riesa ab (siehe oben). Anfang 2018 wunderte sie sich – zu Recht – über eine in der „Sächsischen Zeitung“ zu findende Aussage: „Beim Betreiber selbst kann man die genannten Umschlagzahlen nicht nachvollziehen. […] ‚Der Schiffumschlag im Hafen Riesa ist 2017 gegenüber dem Vorjahr um 0,15 Prozent geringerer angefallen‘, sagt SBO-Prokurist Gunto Mörer.“

Als sie nach dem Hintergrund dieser Äußerung, die dem tatsächlichen Rückgang der mit Schiff transportierten Gütermenge um 15 Prozent so gar nicht entsprach, beim zuständigen Verkehrsminister Martin Dulig anfragte, antwortete der nur lapidar: „Es lässt sich nicht ermitteln, wie die im Artikel genannte unzutreffende Angabe des prozentualen Schiffsumschlags im Hafen Riesa 2017 gegenüber dem Vorjahr zustande kam.“

Ist ja nicht so einfach mit der Prozentrechnung.

Insgesamt stehen für den Ausbau in Riesa 18 Millionen Euro an Investitionen im Raum.

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