Da kann Uwe Hitschfeld in Leipzig predigen und mahnen โ die Botschaft dringt einfach nicht durch. Nicht in der Politik und schon gar nicht in den Konzernzentralen. Augenscheinlich haben sich viele Konzerne seit Jahrzehnten daran gewรถhnt, dass Politiker springen, wenn man pfeift, und die Bรผrger bitteschรถn nicht im Weg herumstehen sollen. Und natรผrlich betrifft das auch den Netzausbau in Sachsen. Alles ist beim Alten, kann Gerd Lippold nun feststellen.
Der Netzausbau von Hochspannungsleitungen in Sachsen sorgt in den betroffenen Orten natรผrlich fรผr Diskussionen. Das ist seit Jahren bekannt. Aber anders, als es die regierende Politik gern darstellt, sind die betroffenen Bรผrger in der Regel รผberhaupt nicht dagegen โ รผbrigens genauso wie bei Windkraftanlagen. Aber sie wollen gefragt werden und beteiligt werden an der Suche nach der bestmรถglichen Lรถsung.
Sie leben ja nicht hinterm Wald.
Aber sie werden von den Planern in der Regel genau so behandelt. Vom Bemรผhen um Akzeptanz, wie es das Bรผro Hitschfeld immer wieder anmahnt, keine Spur.
Dr. Gerd Lippold, energiepolitischer Sprecher der Grรผnen-Fraktion im Sรคchsischen Landtag, besuchte in dieser Woche zwei aktuelle Beispiele in Grรผnbach (Vogtland) und im Raum Penig (Mittelsachsen).
โNach Gesprรคchen mit Betroffenen vom Bauvorhaben von 110-kV-Trassen bin ich entsetzt, wie leichtfertig in Sachsen die Akzeptanz fรผr den Netzausbau aufs Spiel gesetzt wirdโ, kann der Landtagsabgeordnete nach dem Vor-Ort-Besuch feststellen.
โAn beiden Orten bin ich jeweils auf Bรผrgerinnen und Bรผrger getroffen, die sich aktiv in die Suche nach der besten Lรถsung einbringen wollen. In keinem der Fรคlle geht es den Menschen darum, die Netzausbauvorhaben zu verhindern, deren Notwendigkeit sie erkannt haben. Im Gegenteil: mit groรem Engagement entwickeln sie Alternativvorschlรคge und suchen die Diskussion รผber die vertrรคglichste Lรถsung.โ
Seit 2011 gilt unter bestimmten Voraussetzungen fรผr Stromleitungen bis 110kV gesetzlich der Vorrang fรผr Erdkabel. Dieser Vorrang wurde bundesweit fรผr die Verbesserung der Akzeptanz des Netzausbaus und damit fรผr dessen Beschleunigung eingefรผhrt.
โIch habe jedoch vor Ort den Eindruck gewonnen, dass der Netzbetreiber Mitnetz weiterhin bevorzugt Freileitungen bauen mรถchte und begrรผndete Gegenvorschlรคge der Betroffenen beiseite wischt. Hier wird nicht nach gemeinsam akzeptablen Lรถsungen gesucht, sondern ausschlieรlich nach Grรผnden fรผr die Ablehnung der Vorschlรคge von Bรผrgerinnen, Bรผrgern, Kommunen und Verbรคndenโ, zieht Lippold sein Fazit aus dem Besuch.
โEine wachsende Zahl von Bรผrgerinitiativen kรคmpft mittlerweile dagegen an. Sie suchen Lรถsungen im Dialog mit Unternehmen und Behรถrden, die einen akzeptablen Interessenausgleich darstellen. Niemandem ist geholfen, wenn am Ende trotzdem nur der Weg vor das Oberverwaltungsgericht bleibt.โ
Die stur planenden Unternehmen sorgen so erst dafรผr, dass ihre Vorhaben ins Stocken geraten, weil sie in den betroffenen Orten nicht um Verstรคndnis werben, sondern durchziehen, als mรผssten die Menschen einfach hinnehmen, was sich der Konzern so ausgedacht hat. Und dahinter drรคngt die Energiewende. Die Bรผrger wissen das und mischen sich auch deshalb ein, um zukunftsfรคhige Lรถsungen zu bekommen und nicht unbedingt wieder sirrende Drรคhte รผber ihren Hausdรคchern.
โModerne und gut funktionierende Verteilnetze (110kV) fรผr den Strom sind die Grundlage fรผr Versorgungssicherheit unserer Industriegesellschaft und unabdingbar fรผr die weitere Digitalisierung. Wenn jedoch die betroffenen Bรผrgerinnen und Bรผrger nicht frรผhzeitig und ernsthaft einbezogen werden, fรผhrt das zu Widerstand, Einsprรผchen und am Ende langwierigen Gerichtsverfahren. Der Netzausbau stockt. Innenminister Wรถller (CDU) und der Netzbetreiber Mitnetz gefรคhrden mit dieser Ignoranz gegenรผber einer wesentlich aktiveren Bรผrgerbeteiligung ohne Not die Versorgungssicherheit in Sachsenโ, fasst Lippold seine Eindrรผcke zusammen.
โIch fordere Innenminister Wรถller auf, der ihm unterstehenden Landesdirektion die vorgelegten Berechnungen der Netzbetreiber und der eingereichten Einwendungen in Bezug auf eine mรถgliche Erdverkabelung bei jedem Vorhaben sehr sorgfรคltig prรผfen zu lassen. Am Ende profitieren alle Beteiligten, wenn der Leitungsausbau akzeptiert und dann auch zรผgig umgesetzt werden kann. Gesellschaftliche Akzeptanz ist in der Demokratie die vielleicht wichtigste Ressource fรผr das Gelingen der Energiewende.โ
Ostdeutsche bleiben auf dem Lรถwenanteil des Netzausbaus mit ihren Stromkosten sitzen
Ostdeutsche bleiben auf dem Lรถwenanteil des Netzausbaus mit ihren Stromkosten sitzen
So kรถnnen Sie die Berichterstattung der Leipziger Zeitung unterstรผtzen:
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Wie habt Ihr gerade in einem anderen Artikel geschrieben: โweil sich viele Leipziger รmter auch seit Jahrzehnten eingemauert haben und gelernt haben, wie man Bรผrgerbeteiligung verhindert oder โ das ist die beliebtere Form derzeit โ โin die gewรผnschten Bahnenโ moderiert.โ
Warum sollte das nur fรผr Leipzig gelten?