Dass das Thema dringend auf der Tagesordnung steht, das wussten 2012 auch die mitteldeutschen Wirtschaftsverbände. Da veranstalteten sie das erste Ostdeutsche Energieforum, um der Diskussion über die Energiewende im Osten einen Raum und einen Rahmen zu geben. Am 21. und 22. August gibt es im Westin Hotel nun das siebente Energieforum. Und auch die Unternehmen im Osten haben so langsam keine Geduld mehr mit einer Politik, die das Thema Jahr um Jahr immer nur aussitzt.
Deswegen formuliert der ostdeutsche Mittelstand – vertreten durch die Interessengemeinschaft der Unternehmerverbände Ostdeutschlands und Berlin – gleich mal zum Auftakt für Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier eine Forderung nach Korrekturen bei der Umsetzung der Energiewende.
„Jahr für Jahr mahnen wir eine Entlastung bei den Industriestromkosten der ostdeutschen Unternehmen an. Der Bundeswirtschaftsminister muss jetzt endlich handeln und vor allem mit Blick auf die Europawahlen einen einheitlichen europäischen Energiemarkt mit gleichen Wettbewerbsbedingungen zeitnah anstreben“, erklärt dazu Hartmut Bunsen, Sprecher der Interessengemeinschaft.
Das Ostdeutsche Energieforum begreift sich als „die größte Denkfabrik in Ostdeutschland für Fragen der Energiewende“. Erwartet werden dieses Jahr wieder über 400 Experten und Unternehmer im Leipziger Hotel The Westin. Das Forum findet bereits zum 7. Mal statt.
Ein Dauerthema: Stromkosten im Osten, die im europäischen Vergleich an der Spitze liegen, sind eine Belastung für die heimischen Unternehmen und führen ferner zu Investitionszurückhaltungen. Dies gehe unter anderem aus Unternehmensumfragen in den Verbandsgebieten der Interessengemeinschaft und des Deutschen Industrie- und Handelskammertages hervor.
„In Zeiten einer boomenden Konjunktur ist das noch einigermaßen zu verkraften. Verlangsamt sich das Wachstum, schlagen die Kosten stärker durch“, mahnte Bunsen an.
Aber das Forum war immer auch der Versuch eines Brückenschlags von der mittelständischen Wirtschaft in die Politik. Denn planen kann man ja nur, wenn die Politik selbst endlich einen Plan hat, wie die Energiewende gestaltet werden soll.
„In den letzten sieben Jahren ist vieles auf den Weg gebracht worden und dennoch sind vor allem die technischen Herausforderungen geblieben“, stellt Kristian Kirpal, Präsident der Industrie- und Handelskammer zu Leipzig, fest. „So stehen unter anderem die Technologien zur Stromspeicherung weiter im Fokus, um die Energiewende zum Erfolg zu führen. Aus volkswirtschaftlicher Sicht sind ferner Ideen gefragt, wie der Strukturwandel erfolgreich gestaltet werden kann und auch die bestehende Infrastruktur der heutigen Energiestandorte ihre Leistungsfähigkeit behält.“
Ein Thema ja insbesondere für Sachsen, wo sich die Staatsregierung bis 2017 ja regelrecht scheute, das Thema Strukturwandel überhaupt in den Mund zu nehmen. Die Regierung bekräftigte immer wieder ihren durch nichts fundierten Willen, die Braunkohlekraftwerke über das Jahr 2040 hinaus laufen zu lassen, und begründete damit ihre Nicht-Bereitschaft, den Forderungen nach einem Konzept für den Strukturwandel insbesondere in der Lausitz überhaupt zu folgen.
Aber das hat sich spürbar geändert.
Auch das Energieforum hat seine Themen vorsichtig geändert. Man muss auch Sachsens Ministerpräsidenten nicht mehr aus der Ich-weiß-von-nichts-Ecke abholen.
Michael Kretschmer, Ministerpräsident des Freistaates Sachsen, stellt sich selbst der Diskussion zum Thema „Aktuelle Herausforderungen der Energiewende und ihre Umsetzung in den Regionen“.
Diese Diskussionen laufen am ersten Tag unter der Klammer „Zwei gegen zwei“. Und während Kretschmer im Tandem mit Dr. Helmar Rendez, Vorstandsvorsitzender der Lausitz Energie Bergbau AG und Lausitz Energie Kraftwerke AG (LEAG), auftritt, sitzen den beiden Kristian Kirpal, Präsident der IHK zu Leipzig, und Dr. Johannes Kleinsorg, Sprecher der Geschäftsführung der Leipziger Stadtwerke, gegenüber. Und die Stadtwerke müssen jetzt schon so planen, dass sie die Stadt bald ohne Strom und Fernwärme aus dem Kraftwerk Lippendorf versorgen. Da steht wenigstens das Jahr 2030 als Ausstiegsjahr im Raum.
Man darf gespannt sein, ob Kretschmer eine belastbare Position zum Strukturwandel mitbringt.
Am zweiten Tag beschäftigt sich ein Fachforum mit dem Thema „Mobilität – Wie sieht die Zukunft des Verkehrs aus?“
Den Impulsvortrag liefert Thomas Ulbrich, Mitglied des Markenvorstands Volkswagen, Geschäftsbereich „E-Mobilität“.
Im Podium diskutieren dann aber Männer mit völlig divergierenden Interessen (ja, Männer, das Energieforum ist eine auffällig männerlastige Veranstaltung):
Brian A. Chestermann, General Director der Rosneft Deutschland GmbH
Timm Fuchs, Beigeordneter für Verkehr beim Deutschen Städte- und Gemeindebund
Dr. Sven Haase, Leiter Kompetenzteam Elektromobilität der envia Mitteldeutsche Energie AG (enviaM)
Ulf Middelberg, Sprecher der Geschäftsführung der Leipziger Verkehrsbetriebe (LVB)
Claus Sauter, Gründer und Vorstandsvorsitzender VERBIO Vereinigte BioEnergie AG
Thomas Ulbrich, Mitglied des Markenvorstands Volkswagen, Geschäftsbereich „E-Mobilität“
Das Forum ist auch jedes Mal ein Abtasten. Wie weit sind die Politiker inzwischen? Wie weit sind aber auch schon die Unternehmen in ihrer Anpassung an die künftigen Energiestrukturen?
Im Forum 2 geht es zum Beispiel um Energiesparendes Bauen. Im Forum 3 um die Frage „Braucht es neue Finanzierungsinstrumente für die Energiewende?“ Im Forum 5 steht die Frage: „Zwischen Sektorkopplung und dezentraler Energieerzeugung. Wie marktfähig sind die Erneuerbaren Energien?“
Und im Forum 4 wird dann der „Zweikampf“ zum Strukturwandel vom Vortag wieder aufgenommen – diesmal mit anderen Akteuren, die sich oft schon seit Jahren intensiv mit dem Thema beschäftigen – oder beschäftigen sollten:
Dr. Olaf Arndt, Vize-Direktor der Prognos AG
Dr. Armin Eichholz, Vorsitzender der Geschäftsführung der Mitteldeutsche Braunkohlengesellschaft mbH (Mibrag)
Dr. Gerhard Fisch, Leiter des Referates Regionale Wirtschaftspolitik beim Bundesministerium für Wirtschaft und Energie
Dr. Gerd Lippold, MdL, wirtschafts- und energiepolitischer Sprecher Bündnis 90/Die Grünen Sachsen
Prof. Dr. Jörg Steinbach, Präsident der Brandenburgischen Technischen Universität Cottbus-Senftenberg
Heike Zettwitz, Dezernentin im Landkreis Görlitz
Dass Dr. Gerd Lippold für dieses Fachforum eingeladen wurde, ist auch ein wichtiges Zeichen. Man nimmt die fundierte Kritik der Grünen in Sachsen augenscheinlich zunehmend ernster. Denn die massive Erderwärmung ist längst überall spürbar, die Weichen in der Energieerzeugung müssen jetzt umgelegt werden – möglichst mit klugen Strategien. Aber eines geht auch nach sechs Jahren Energieforum nun gar nicht mehr: So zu tun, als könnte man den notwendigen Strukturwandel einfach aussitzen.
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