Alle, wirklich alle Branchen klagen mittlerweile รผber Nachwuchsmangel. Die einen zu Recht. Die anderen zu Unrecht. Denn ein Missstand schreckt heute noch immer viele junge Menschen vor dem Erlernen bestimmter Berufe ab โ die schlichte Tatsache, dass sie im Anschluss nur mit befristeten Arbeitsvertrรคgen rechnen kรถnnen. Auf solchen Vertrรคgen kann man keine Familiengrรผndung aufbauen, stellt die Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststรคtten (NGG) fest.
In Leipzig kรถnnen sich derzeit rund 1.950 Neu-Azubis รผber eine Lehrstelle freuen. So viele versorgte Bewerber zรคhlte die Arbeitsagentur zum Start des Ausbildungsjahres. Damit die Karriere auch nach der Abschlussprรผfung weitergeht, fordert die Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststรคtten (NGG) nun bessere Job-Perspektiven fรผr Berufseinsteiger. Eine groรe Hรผrde nach der Ausbildung, so die NGG, ist jedoch der Trend zum Job auf Zeit โ zur Befristung.
Solche โArbeitsplรคtze mit Verfallsdatumโ sind nach einer Studie des Instituts fรผr Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) in der Nahrungs- und Genussmittelbranche besonders verbreitet. Hier sind bundesweit knapp 54 Prozent aller รbernahmen befristet. รhnlich sieht es bei den Neueinstellungen aus: Hier zรคhlt die Branche mit einer Befristungsquote von 73 Prozent zu den Spitzenreitern. Auch in Hotels und Gaststรคtten sind diese Arbeitsvertrรคge zum Berufsstart gang und gรคbe. Dort sind laut IAB 35 Prozent aller รbernahmen befristet.
Jรถrg Most, Geschรคftsfรผhrer der NGG-Region Leipzig-Halle-Dessau, spricht von einer โUnternehmer-Unsitteโ: Es kรถnne nicht sein, dass Betriebe trotz Hochkonjunktur in vielen Branchen so stark auf Befristungen setzten.
โWer als Job-Starter eine Familie grรผnden oder einen Kredit fรผr die Wohnungseinrichtung bekommen will, der braucht einen sicheren Arbeitsplatz und keinen Zitter-Vertragโ, so Most. Dass Berufseinsteiger besonders betroffen sind, zeigt auch die amtliche Statistik. So waren in Sachsen im vergangenen Jahr 17 Prozent der 20- bis 30-Jรคhrigen befristet beschรคftigt โ Azubis nicht mitgerechnet. Das geht aus dem aktuellen Mikrozensus hervor. Danach hatten insgesamt 146.000 Sachsen lediglich einen befristeten Arbeitsvertrag โ das ist immerhin jeder zwรถlfte Beschรคftigte.
Auf Unternehmer, die darรผber klagen, dass sie im Gastgewerbe oder in der Ernรคhrungswirtschaft kaum noch Fachkrรคfte finden, reagiert Most mit einem Kopfschรผtteln: โWer nach der Ausbildung nur einen Vertrag auf Zeit anbietet, der muss sich nicht wundern, dass sich Schulabgรคnger woanders umsehen.โ Spezialisten von morgen gewinne man nur mit guten Lรถhnen, attraktiven Arbeitsbedingungen und klaren Karriereperspektiven, so der Gewerkschafter. Befristungen sollten die Ausnahme und nicht die Regel sein. Zu den wirklich zwingenden Grรผnden einer Befristung gehรถrten etwa eine Probezeit oder Schwangerschaftsvertretung.
โIn den Betrieben haben wir es aber immer hรคufiger mit Befristungen nach dem 08/15-Prinzip zu tun. Jobs auf Zeit werden zur gรคngigen Praxisโ, betont Most. Das Bundesarbeitsministerium plane zwar, solche Arbeitsverhรคltnisse einzudรคmmen. Befristungen ohne Sachgrund sollen danach auf 18 Monate begrenzt werden und maximal 2,5 Prozent der Belegschaft betreffen. Allerdings wรคren nach aktuellem Stand Betriebe mit weniger als 75 Beschรคftigten vom Gesetz ausgenommen.
โEin Groรteil der Beschรคftigten im Gastgewerbe und im Lebensmittelhandwerk hรคtte davon praktisch nichtsโ, kritisiert die Gewerkschaft und fordert daher ein vollstรคndiges Verbot der sachgrundlosen Befristung. Dieses soll unabhรคngig von der Betriebsgrรถรe gelten.
Darรผber hinaus fordert die NGG eine Aufwertung der Berufsausbildung. โEs sollte auch mit dem Gesellenbrief mรถglich sein, an der Hochschule zu studierenโ, sagt Most. Bisher gibt es die Hochschulreife nur mit dem Abitur. โViele Branchen wandeln sich mit der Digitalisierung rasant. Das bringt ganz neue Anforderungen an Fachkrรคfte. Ein Studium nach der Lehre kann enorm helfen, sich fรผr die Wirtschaft 4.0 zu wappnenโ, so der Gewerkschafter.
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Es betrifft lรคngst nicht nur das Gastgewerbe. Ob der CNC-Dreher, der Dachdecker, die Bรผrokauffrau usw. Selbst Lehrer sind ja davon nicht ausgenommen, Mitarbeiter in den kommunalen Verwaltungen und zB Jobcentern ebenfalls nicht.
Darรผber muss endlich auch mal gesprochen werden! Und zwar laut und deutlich!