Wenn das Landesamt für Statistik neue Zahlen veröffentlicht, kommt man sich manchmal vor wie in einer Zeitschleife. Man ist längst im Jahr 2018 und alle Institute, die so tun, als könnten sie prophezeien, melden jede Woche neue Zahlen zur BIP-Entwicklung der Wirtschaft. Aber was 2016 umgesetzt wurde, erfährt man tatsächlich erst mit zwei Jahren Verspätung.
Natürlich liegt das an den ganzen Abrechnungsketten, die ihre Zeit brauchen. Bei der Berechnung des Bruttoinlandsprodukts (BIP) sind die Statistischen Ämter deutlich schneller.
Das BIP unterscheidet sich vom Wirtschaftsumsatz dadurch, dass die Vorleistungen herausgerechnet sind. Es geht nur noch um die Endprodukte – während Vor-Produkte wie Mehl (für Brot und Brötchen), Strom fürs Stahlwerk oder Stoßstangen fürs Auto schon herausgerechnet sind.
Deswegen gibt es in Sachsen einen recht deutlichen Unterschied von BIP und Umsatz von rund 13 Milliarden Euro pro Jahr.
Und weil es im Gesamtumsatz detaillierter zugeht, kommt die jüngste Zahl zum Wirtschaftsumsatz in Sachsen jetzt für das Jahr 2016.
„Die knapp 149.000 umsatzsteuerpflichtigen Unternehmen in Sachsen erzielten 2016 einen neuen Umsatzrekord aus Lieferungen und Leistungen in Höhe von fast 131 Milliarden Euro“, meldete das Statistische Landesamt. „Das waren nach Angaben des Statistischen Landesamtes 3,0 Milliarden Euro (2,3 Prozent) mehr als im Vorjahr. Die Anzahl steuerpflichtiger Unternehmen mit einem Jahresumsatz von mindestens 17.500 Euro verringerte sich geringfügig um knapp 400 Unternehmen (-0,2 Prozent).“
Eine ähnliche Entwicklung gab es ja auch im BIP. Die BIP-Zahlen sind schon über ein Jahr länger bekannt. Demnach stieg das BIP in Sachsen von 2015 auf 2016 von 114 auf 118 Milliarden Euro. Deswegen kann man auch jetzt schon sagen, dass das Landesamt für Statistik 2019 wieder einen neuen Rekord melden wird – diesmal für den Wirtschaftsumsatz von 2017. Der muss irgendwo im Bereich von 135 Milliarden Euro liegen, denn das BIP lag 2017 bei 121,7 Milliarden Euro.
Und natürlich schauen die Statistiker genauer hin, in welchem Wirtschaftszweig nun die größten Umsätze erwirtschaftet wurden.
„Umsatzstärkste Branche war auch 2016 das Verarbeitende Gewerbe mit 34,3 Milliarden Euro bzw. gut einem Viertel des sächsischen Gesamtumsatzes aus Lieferungen und Leistungen. Als zweitstärkste Branche erwirtschaftete der Handel (einschließlich Instandhaltung und Reparatur von Kraftfahrzeugen) 28,6 Milliarden Euro. Das entspricht 21,9 Prozent des Gesamtumsatzes aller Branchen“, stellen die Statistiker fest. Was logisch ist. Wo es um die Herstellung und den Verkauf werthaltiger Produkte geht, werden logischerweise auch die größten Umsätze erzielt.
„Sowohl das Verarbeitende Gewerbe als auch der Handel konnten ihren Branchenumsatz im Vergleich zum Vorjahr steigern. Gemessen am Umsatz erreichte die Energieversorgung als drittstärkste Branche 14,3 Milliarden Euro Umsatz bzw. 11,0 Prozent des sächsischen Gesamtumsatzes. Das bedeutet einen Umsatzrückgang in dieser Branche im Vorjahresvergleich.“
Aber solche Zahlen blenden auch. Denn Umsätze verraten weder, wie hoch am Ende tatsächlich der Gewinn für den Fiskus ist (Steuern), noch der gesellschaftliche Gewinn über Löhne, Gehälter und Sozialabgaben. Da ist das Verarbeitende Gewerbe schon lange nicht mehr die größte Jobmaschine. Das sind mittlerweile die vielen Arbeitsangebote in der Dienstleistung.
Und deswegen sieht es nur scheinbar nicht so lukrativ aus, wenn die sächsische Wirtschaft von vielen kleinen Unternehmen dominiert wird: „Neun von zehn sächsischen Unternehmen zählten 2016 mit einem Jahresumsatz von weniger als 1 Million Euro zu den Kleinstunternehmen. Sie trugen 22,4 Milliarden Euro (17,1 Prozent) zum Gesamtumsatz aus Lieferungen und Leistungen aller sächsischen Unternehmen bei. Die 260 Großunternehmen mit mindestens 50 Millionen Euro Jahresumsatz erreichten zusammen 42,8 Milliarden Euro. Das ist ein Drittel des Gesamtumsatzes.“
Programmierleistungen, Pflege, Bildung oder Arbeit in der Gastronomie haben nun einmal nicht so hohe Lieferungsdurchsätze. Sie bestehen nun einmal zum größten Teil aus Arbeit, diesem komischen Ding, das „Arbeitsmarktreformer“ so gern verbilligen wollen, weil sie glauben, damit „die Wirtschaft“ zu stärken. Die Unternehmer, die solche Billigjobs eingeführt haben, hat es tatsächlich gefreut. Aber für die Gesellschaft war es ein gewaltiges Minusgeschäft.
Was erst seit der Einführung des Mindestlohns im Jahr 2015 wirklich sichtbar wird. Denn alle Schwarzmalereien der berühmten Wirtschaftsinstitute sind nicht eingetreten. Das hat man mittlerweile auch bei der „Frankfurter Rundschau“ festgestellt. Irgendetwas stimmt also an den neoliberalen Denkmodellen der Institute nicht. Dumm nur, dass die Bundesregierung ihre Wirtschafts- und Fiskalpolitik nach deren Ratschlägen ausrichtet.
Mark Twain hätte der Hokuspokus natürlich gefreut. Er hätte ein dickes Buch voller Sottisen und boshafter Spitzen darüber geschrieben. Titel: „Das angepinselte Zeitalter“. Aber einen Mark Twain haben wir ja nicht. Deshalb ist „Wirtschaft“ in unserem Land auch so ein schrecklich ernstes und langweiliges Thema.
Keine Kommentare bisher