Sachsen hat sich zwar immer bemüht, möglichst alle EU-Förderprogramme auch in Anspruch nehmen zu können, aber in der Umsetzung haben sich die sächsischen Verwalter wieder als Kontrollettis bewiesen. Diesmal traf es nicht die Kommunen, sondern die Unternehmen in Sachsen, die nur zu gern EU-Förderung in Anspruch genommen hätten. Aber viele sind an der Genehmigungsbürokratie gescheitert. Die VSW kritisierte das am Montag, 2. April, sogar sehr sanft.

Denn eigentlich hätte man ein ordentliches Poltern erwartet, denn viele Förderprogramme sind so gestrickt, dass sie für die meisten sächsischen Unternehmen nicht relevant sind. Oder die thematische Einengung ist so sinnfrei, dass sie mit den realen Bedürfnissen der Unternehmen nicht in Einklang zu bringen sind.

Ergebnis: Ein Großteil der Fördergelder gerade für die Technologieförderung fließt in die Landeshauptstadt Dresden.

Was die Vereinigung der Sächsischen Wirtschaft (VSW) so formuliert: „Der Freistaat muss aber bereits in der laufenden Förderperiode die richtigen wirtschaftspolitischen Weichenstellungen vornehmen. So sind die Maßnahmen nach wie vor unzureichend, um den Technologietransfer von öffentlichen Forschungseinrichtungen in den sächsischen Mittelstand wirklich zu verbessern, obwohl Vorschläge schon lange auf dem Tisch liegen. So landet über die Hälfte der sächsischen Technologieförderung allein in der Stadt Dresden, ohne dass die überwiegende Mehrzahl an Betrieben und Arbeitnehmern in Sachsen hiervon profitiert. Wenn die strukturellen Herausforderungen bewältigt werden sollen, muss die EU-Förderung sachgerecht und damit in erster Linie wertschöpfungsorientiert eingesetzt werden.“

Ein Thema, das wie die Faust aufs Auge zur jüngsten Landtagsanfrage von Nico Brünler, wirtschaftspolitischer Sprecher der Linksfraktion im Landtag, passte. Auch er wundert sich darüber, „dass über die Hälfte der sächsischen Technologieförderung ausschließlich in Unternehmen und Einrichtungen in der Stadt Dresden fließt, ohne dass die überwiegende Mehrzahl sächsischer Betriebe und Arbeitnehmer*innen davon profitiert.“

Augenscheinlich hat sich die Landesregierung bei der Bemusterung der Förderprogramme ganz allein auf die Bedürfnisse einiger Dresdner Unternehmen fokussiert. Für den Rest des Landes fühlte man sich augenscheinlich nicht zuständig. Ergebnis: Förderbedingungen, an denen sich die meisten Unternehmen die Zähne ausbeißen.

„Grundsätzlich kommen viele der vom Landtag oder der Europäischen Union für wirtschaftsnahe Forschung und Technologietransfer bewilligten Mittel nie bei den sächsischen Unternehmen an. Das wurde auch durch eine Kleine Anfrage (Parlaments-Drucksache 6/12443) von mir bestätigt“, kann Nico Brünler jetzt feststellen. „So lagen für den Bereich der einzelbetrieblichen Projektförderung im Bereich Forschung und Entwicklung bzw. Produktinnovationen im vergangenen Jahr nur für rund ein Viertel der bereitgestellten Mittel überhaupt Anträge vor. Für die Technologietransferförderung – d.h. eine Überführung von Forschungsergebnissen in die wirtschaftliche Praxis – wurde nur für ca. 30 % der zur Verfügung stehenden Gelder Anträge gestellt. Für branchenspezifische Spezialprogramme, wie die Sächsische ECSEL-Förderrichtlinie für Forschungsvorhaben und Pilotlinien im Bereich Mikroelektronik oder das KETs-Pilotlinien-Programm für Schlüsseltechnologien, waren Nachfrage und Mittelabfluss zum Teil noch erheblich geringer.“

Offenkundig gehe die Förderpraxis der Staatsregierung in weiten Teilen an den Erfordernissen der lokalen Wirtschaft vorbei, kann Brünler feststellen.

„Zu oft schrecken Unternehmen davor zurück, sich durch den Förderdschungel zu kämpfen. Da wo sie es doch tun, ist die konkrete Ausgestaltung der Förderrichtlinien nicht selten so spezifisch, dass Fördervorhaben auf halber Strecke steckenbleiben“, stellt Brünler fest. „Das zeigt sich auch daran, dass für Programme, in denen die erhoffte Nachfrage durchaus besteht, wie bei der Richtlinie zur Förderung der gewerblichen Wirtschaft (GRW Wirtschaft) oder der Richtlinie zur Mittelstandsförderung im Bereich Markterschließung, Prozess- und Produktoptimierung (Mittelstandsrichtlinie), ein großer Teil der gestellten Anträge im Laufe des Verfahrens von den Unternehmen selbst wieder zurückgezogen wird.“

Sein Fazit aus diesem Dilemma, bei dem die Unternehmen die Gelder nicht bekommen, weil sie schon am bürokratischen Verfahren scheitern: „Notwendig ist es hier zum einen, die sächsischen Förderprogramme bürokratisch zu entschlacken und zum anderen zu einer technologieoffeneren und auch risikobereiteren Förderung insbesondere im Bereich von betrieblicher Forschung und Entwicklung und Unterstützung von Start-Up-Unternehmen zu finden.“

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