Es รผberrascht eigentlich nicht, wenn sรคchsische Wirtschaftsdelegationen seit einiger Zeit lieber nach Russland und China fahren als nach London oder Washington. Denn bislang florierte zwar der Handel mit den groรen Wirtschaften im Westen. Aber seit ein paar Jahren wรคchst dort der Protektionismus. Wenn die Zollschranken hochgehen, trifft das direkt und ungefedert auch die sรคchsische Industrie.
Wie stark sie ausgerechnet von den beiden Volkswirtschaften abhรคngig ist, die jetzt drohen, hinter einem Zollvorhang zu verschwinden, zeigen die Zahlen, die das Statistische Landesamt am 7. Mรคrz verรถffentlichte.
Das klang eigentlich eher danach, als stรผnde dem sรคchsischen Export รผber den groรen und den kleinen Teich eine goldene Zukunft bevor: โWaren im Wert von 41,4 Milliarden Euro hat die sรคchsische Wirtschaft im Jahr 2017 ins Ausland exportiert. Nach einem leichten Rรผckgang im Jahr 2016 entsprach das nach vorlรคufigen Angaben des Statistischen Landesamtes einer Steigerung von 13 Prozent zum Vorjahr. Das ist der hรถchste Exportwert seit Erhebungsbeginn im Jahr 1992. Die Ausfuhr von Personenkraftwagen und Wohnmobilen stieg um 17 Prozent, sie machen inzwischen 37 Prozent aller Exportgรผter aus. Aber auch bei den elektrotechnischen Erzeugnissen konnte ein Zuwachs der Ausfuhrwerte um 14 Prozent auf 4,6 Milliarden Euro verzeichnet werden. Dabei lagen die Exporte der Gerรคte zur Elektrizitรคtserzeugung und -verteilung sogar um ein Fรผnftel รผber dem Vorjahreswert.โ
Schon hier steckt der Hinweis darauf, wie wichtig gerade der Automobilbau fรผr den sรคchsischen Export ist. Da kรคmpft US-Prรคsident Donald Trump wie besessen gegen Autoimporte aus Deutschland โ und die Amerikaner kaufen immer mehr Nobelkarossen aus deutscher Produktion. Das scheint regelrecht zum neuen Prestige auf Amerikas Straรen zu gehรถren. Ob ausgerechnet eine hรถhere Steuer das รคndert?
Wenn es so kommt, schlรคgt das natรผrlich auf die sรคchsischen Produktionsstรคtten durch.
Mit einem Exportumsatz von 24 Milliarden Euro (Anstieg um 15 Prozent) bleibt freilich Europa mit einem Anteil von 58 Prozent der Hauptabsatzmarkt sรคchsischer Produkte.
Klingt gut, hat aber auch einen Haken: Hauptabnehmer war hier โ wie bereits in den letzten fรผnf Jahren โ das Vereinigte Kรถnigreich. Das heiรt: Die ganze Zeit, in der die Brexit-Debatte tobte, blieb der britische Einkauf an sรคchsischen Produkten hoch. Und darunter vor allem wieder: Autos.
Mehr als die Hรคlfte der Exporte in europรคische Lรคnder waren Personenkraftwagen und Wohnmobile. Aber auch der Warenwert der Exporte auf den amerikanischen Kontinent lag um 18 Prozent รผber dem Vorjahreswert, teilt das Statistische Landesamt mit.
Lediglich der Anstieg der Exporte nach Asien war mit acht Prozent unterdurchschnittlich, so das Landesamt weiter. Aber das ist dann schon eine sanfte Untertreibung. Denn: China war auch im Jahr 2017 Sachsens Haupthandelspartner mit einem Exportumsatz von 6,0 Milliarden Euro (neun Prozent mehr). Knapp die Hรคlfte davon waren Personenkraftwagen und Wohnmobile, aber auch elektronische Bauelemente aus dem Freistaat waren auf dem chinesischen Markt sehr begehrt.
Das mit den Wohnmobilen kann man ignorieren. Die statistische Rubrik nennt sich so, obwohl Wohnmobile nur einen minimalen Anteil daran haben. Geprรคgt wird dieses Segment von den begehrten Mittelklassewagen aus Leipzig, Dresden und Zwickau.
Aber natรผrlich importierten sรคchsische Unternehmen auch alles, was hier gebraucht wird: โDie Einfuhr Sachsens stieg um elf Prozent und damit ebenfalls auf einen neuen Rekordwert von 24,2 Milliarden Euro.โ
Was aber ebenso bedeutet, dass Sachsen einen Exportรผberschuss von 16,9 Milliarden Euro hat. Das ist ungefรคhr genauso viel wie der sรคchsische Staatshaushalt. In der Interpretation von Leuten wie Trump also eine Art Gemeinheit, die man mit hohen Zรถllen bekรคmpfen muss. Aber tatsรคchlich ist das Problem dahinter ein ganz anderes. Auch Sachsen konsumiert zu wenig. Es importiert zu wenige Produkte, die den Auรenhandelsรผberschuss ausgleichen und damit jene Art Gerechtigkeit herstellen, die sich Leute wie Trump eigentlich wรผnschen.
Und das hat nach wie vor mit niedrigen Lรถhnen zu tun, die den Konsum vieler Sachsen einschrรคnken. Sie kommen nicht mal auf die Idee, an den Kauf einer Harley-Davidson aus Wisconsin oder von Bourbon-Whiskey aus Tennessee zu denken. Die Plรคne der EU, diese Produkte mit saftigen Zรถllen zu belegen, geistert ja derzeit durch die Medien.
Was aber die meisten Sachsen nicht mal interessieren wรผrde. Sie sind regelrecht gezwungen, fรผr ihre paar Krรถten die billigen Dumping-Produkte aus China oder Bangladesh zu kaufen und statt fair produziertem Kaffee (womรถglich aus Togo) die billigen Mischungen aus unfairer Produktion.
Das deutsche (und sรคchsische) Exportungleichgewicht hat jede Menge mit den Lohnungerechtigkeiten in Sachsen zu tun. Was den sรคchsischen Arbeitern freilich nicht viel hilft, wenn die Zollschranken hochgehen.
So kรถnnen Sie die Berichterstattung der Leipziger Zeitung unterstรผtzen:
Keine Kommentare bisher
โjene Art von Gerechtigkeitโ?
โdie Leute wie Trump meinenโ?
Die Zรถlle sollen Arbeitsplรคtze in den USA schรผtzen. Was ist daran verkehrt?
Insbesondere vor dem Hintergrund, daร Deutschland und/oder die EU Zรถlle (z. Bsp. auf landwirtschaftliche Produkte) erhebt, die deutlich รผber denen liegen, die Trump einfรผhren will.
Wenn sogar Blum vom IWH auf diesen Umstand weist, scheint doch etwas dran zu sein? (รbrigens auch auf die vermutliche Weitsicht von Trump ausgerechnet auf diese beiden Produkte.)
Und darf โso einer wie Trumpโ nicht dafรผr sorgen, daร Arbeitsplรคtze in den USA gesichert werden?
Hat sich โso einer wie Trumpโ um die Auswirkungen der Globalisierung (nichts anderes bedeuten Zรถlle und Freihandelsabkommen) auf sรคchsische Beschรคftigte und deren aktuelle Einkommenssituation zu sorgen?
(Wobei beispielsweise Frankreich, jedenfalls bis zu dem Zeitpunkt, zu dem Macron Prรคsident wurde, auf die eminent niedrigen Lรถhne in Deutschland und den damit verbundenen ungerechtfertigten Kostenvorteil hingewiesen hat. Macron will diesen Vorteil mit seinerseits niedrigen Lรถhnen aufheben.)
Und ist der Brexit in Wahrheit lediglich ein Problem fรผr die deutsche Wirtschaft? Weshalb diese auch die ersten waren, die rumgeschrien haben?