Was geht die Leipziger eigentlich das Kraftwerk Buschhaus in Niedersachsen an? Und die Frage, ob es im Ernstfall (also in einer langen Kälteperiode) schnell wieder ans Netz kommt oder nicht? Eine ganze Menge. Denn das 2013 von der MIBRAG für 3,6 Millionen Euro erworbene Kraftwerk ist Teil jenes komplizierten Kosten-Geflechts, das darüber entscheidet, wie lange Kohleabbau im Leipziger Südraum noch funktioniert.

Erworben hat die Mibrag das Kraftwerk Buschhaus in einer Phase, als die Kohleförderungen im Tagebau Schöningen, aus dem Buschhaus beliefert wurde, schon rückläufig waren. 2014 und 2015 belieferte die Mibrag das Kraftwerk dann mit Kohle aus den Tagebauen Profen in Sachsen-Anhalt und Vereinigtes Schleenhain in Sachsen, was nicht wirklich wirtschaftlich ist. Der aufwendige Transport mit Lkw und Bahn hat für Buschhaus hohe Kosten verursacht und am Ende ein dickes Minus im Jahresergebnis erbracht. Weshalb es logisch war, dass die Mibrag das 30 Jahre alte Kraftwerk Buschhaus 2015 mit einbrachte in den ersten Pool von Kohlekraftwerken, die in die sogenannte Sicherheitsreserve der Bundesregierung überführt wurden.

Das heißt: Seit dem 1. Oktober 2016 ist der letzte verbliebene Block im Kraftwerk Buschhaus aus. Das Kraftwerk ist im Stand-by-Modus und soll 2020 endgültig stillgelegt werden. Dafür bekommt die Mibrag für diese vier Jahre insgesamt rund 200 Millonen Euro vom Bund – quasi für das Bereithalten eines Kraftwerks, das im Notfall schnell wieder hochgefahren werden kann.

Schnell heißt in diesem Fall nicht – wie bei Gaskraftwerken – binnen Minuten, sondern binnen zehn Tagen. Denn erst einmal muss ja irgendwo die Kohleförderung wieder angekurbelt werden, die Mannschaft muss aufgefüllt und die Kessel müssen bis zum elften Tag auf Netto-Leistung hochgefahren werden.

Etwas, was die Linksfraktion im Bundestag herzlich bezweifelt, dass das im Fall von Buschhaus überhaupt möglich ist. Denn der Tagebau Schöningen ist praktisch ausgekohlt. Die 6.000 Tonnen Braunkohle, die Buschhaus täglich braucht, müssten also von der Mibrag herangefahren werden – aus Schleenhain und / oder Profen.

Im Dezember stellte die Linksfraktion eine entsprechend detaillierte Anfrage an die Bundesregierung, ob die sich eigentlich um solche wesentlichen Details auch gekümmert hat, als sie die Verträge über die Sicherheitsbereitschaft mit den Kraftwerksbetreibern schloss?

Die Antwort, die die Fraktion jetzt bekam, ist zwar recht ausführlich. Aber sie erzählt auch von einem klaren “Nein”. Man hat sich bei Abschluss der Verträge völlig auf die Angaben der Kraftwerksbesitzer verlassen, dass sie im Notfall in der Lage sind, den Kraftwerksblock wieder auf Touren zu bringen. Der Vertrag enthalte lediglich Klauseln, die bestimmen, dass die Vergütung (also die erwähnten 200 Millionen Euro) sinkt bzw. gänzlich storniert wird, wenn es dem Betreiber nicht gelingt, den Block mit Netto-Leistung in dieser Frist ans Netz zu bekommen.

Was natürlich Fragen aufwirft, die die Linke nicht auch noch gestellt hat. Zum Beispiel die, welchen Sinn eine Kraftwerksreserve macht, die man im Ernstfall gar nicht oder nicht schell genug ans Netz bekommt? Zwar operieren auch Länder wie die USA mit einer solchen Reserve für große Kältewellen. Aber in Deutschland kommt hinzu, dass Deutschland keine Energieinsel ist. In allen Nachbarländern sind ganze Kraftwerksbatterien an den Netzen und schaffen weitere Überkapazitäten – auch welche mit schmutziger Kohle wie in Polen. Denn dass 2015 die ersten acht Kraftwerksblöcke für eine Sicherheitsreserve vorgesehen wurden, hat ja mit der gewaltigen Stromüberproduktion zu tun, die durch den Ausbau erneuerbarer Energien entsteht. Dadurch wird Strom so billig, dass man damit an den Börsen keine Gewinne mehr erzielt.

Das planmäßige Abschalten der ersten Kraftwerksblöcke stand also ab 2015 zwingend auf der Tagesordnung. Und bei den acht Blöcken wird es nicht bleiben. So gehen im Oktber 2018 und im Oktober 2019 auch jeweils ein Block im Kraftwerk Jänschwalde vom Netz. Was in der Lausitz zur Folge hat, dass es keine Tagebauausweitungen mehr geben muss.

Und dasselbe gilt für Schleenhain und das noch immer bedrohte Pödelwitz. Zum Betrieb von Lippendorf wird die Kohle unter Pödelwitz gar nicht gebraucht. Mit der Reserve-Stellung von Buschhaus sind die dorthin zuvor noch bis 2030 geplanten Kohletransporte beendet worden. Was natürlich dazu führt, dass die Profitabilität von Schleenhain gesunken ist. Und dass der Fernwärmeliefervertrag für Leipzig, der noch bis 2023 läuft, noch viel wichtiger geworden ist.

Und da auch mit Strom aus dem Kraftwerk Lippendorf nicht wirklich mehr Geld zu verdienen ist, tut sich eine Frage auf, die schon vor 2023 interessant wird: Wird Leipzig überhaupt noch einen Verhandlungspartner für einen Liefervertrag finden? Oder rechnet sich Lippendorf für EnbW (das Block S betreibt) und die Mibrag-Schwester LEAG (die Block R betreibt) nur noch, wenn beide Blöcke bei der nächsten Vertragsrunde für die Sicherheitsreserve dabei sind?

Denn einen Fernwärmevertrag, der für die LEAG zum Zuschussgeschäft wird, wird Leipzig nicht bekommen. Bislang war Fernwärme immer nur ein bezahlbares Nebenprodukt der Stromversorgung. Und es sieht nicht so aus, dass die Strompreise an den Börsen wieder steigen werden. Im Gegenteil.

Welche Logistik nötig wäre, um Buschhaus im Notfall mit 6.000 Tonnen Kohle täglich zu beliefern, hatte die Linksfraktion in ihrer Anfrage extra noch einmal aufgedröselt: vier Züge mit insgesamt 240 Waggons, die dann übrigens samt Loks und Personal ebenfalls kurzfristig irgendwo besorgt werden müssten. Aber auf solche Dinge ging die Bundesregierung gar nicht erst ein. Dafür sei der Kraftwerksbetreiber verantwortlich.

Man ahnt eine Denkweise voller Seufzen und Stöhnen, die dahintersteckt. Mit solchen Dingen will man sich gar nicht erst beschäftigen müssen. Auch das ein Aspekt des neoliberalen Denkens, der Regierungen und Ministerien regelrecht von der Beschäftigung mit den ganzen leidigen Problemen einer gesellschaftlichen Grundversorgung entwöhnt. Man will sich damit nicht mehr belasten und glaubt, die Versorgungssicherheit mit möglichen Zahlungskürzungen an die Vertragspartner gewährleisten zu können.

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