Für FreikäuferAm heutigen 27. September ist Welttourismustag. Muss man das feiern? Muss man nicht. Aber man sollte so einen Tag zum Nachdenken nutzen. Dafür ist er da und wird seit 1980 gewürdigt. Und wer es nicht glaubt: Nein, Hotelburgen und Riesenkreuzfahrtschiffe sind nicht Sinn dieses Tages. Sie sind auch nicht Anliegen dieses Tages und auch nicht der UNTWO, der Weltorganisation für Tourismus, die ihn ins Leben gerufen hat.
Wikipedia schreibt zu dieser speziellen Tourismusorganisation im Rahmen der UNO: „Die UNWTO, verstanden als internationales Forum für Tourismuspolitik und Schnittstelle für intergovernmentale Kommunikation, verfolgt das Ziel der Entwicklung eines verantwortlichen, nachhaltigen und universell zugänglichen Tourismus, um zu ökonomischer Entwicklung, internationaler Verständigung, Frieden, Wohlstand und der Einhaltung der Menschenrechte beizutragen.“
In diesem Sinne wäre natürlich auch mal eine Statistik interessant, die nachschaut, wie nachhaltig Tourismus in Sachsen oder in Leipzig ist.
Ist er nämlich nicht, dazu liegen die Schwerpunkte falsch. Oder winzige Lobbygruppen versuchen, diese Schwerpunkte zu verlegen – weg von nachhaltigem, umweltschonendem Tourismus hin zu einem Verbauen der Landschaft und immensen Geldaufwendungen für Projekte, die erst künstliche Touristenströme erzeugen sollen.
Stichwort: Wassertouristisches Gesamtkonzept.
Ein Thema, bei dem sich ja auch Leipzigs Stadtrat wie ein Ochs am Nasenring durch die Straßen führen lässt. Man lässt sich mit getürkten Gutachten ein wunderbares Traumschloss ausmalen, gibt unterbeschäftigten Ämtern Narrenfreiheit und fragt nicht mal nach, was Tourismus in der Region eigentlich ausmacht. Wo er nachhaltig ist.
Eine Frage, die man sich zwingend stellen muss, denn alles andere ist umweltzerstörerisch.
Dann kommt man nämlich bald an den Punkt, dass Tourismus in Sachsen und Leipzig anders funktioniert. Dass man dazu keine opulenten Kanalbauten und Schiffshebewerke braucht, sondern vor allem nachhaltige Reisewege (Stichworte: ÖPNV, SPNV, Radwege … alles gern vertrödelte und unterfinanzierte Bereiche) und eine kompakte Kulturlandschaft, die es zu entdecken gilt. Dahin gehören dann nämlich die Hotels, da siedeln sich die Gastronomien an.
Deswegen ist es zwar nett, wenn die Landestourismuszentrale mit großer Straßenbahnwerbung für die Sächsische Schweiz wirbt. Aber die Tourismusschwerpunkte in Sachsen haben zwei Namen: Dresden und Leipzig.
Und Leipzig ist gerade dabei, ordentlich zuzulegen, während der Rest der touristischen Landschaft in Sachsen stagniert. Ablesbar auch an den vollbezahlten Arbeitsstellen.
„Die Kreisfreien Städte Dresden und Leipzig verzeichnen die meisten Beschäftigten mit Bezug zur Tourismuswirtschaft innerhalb von Sachsen“, teilt das Landesamt für Statistik aus gegebenem Anlass mit. „In der Stadt Dresden waren es am 30. Juni 2016 gut 13.600 Personen und damit mehr als ein Fünftel aller tourismusrelevanten (sozialversicherungspflichtig) Beschäftigten in Sachsen (62.450). Im Vergleich zu 2015 entsprach dies einem Prozent weniger, zugleich herrschte auf Landesebene faktisch Stagnation (plus 0,1 Prozent) vor.
Was Gründe hat. Und die liegen nur zum Teil (aber auch) am international wahrnehmbaren fremdenfeindlichen Gegrummel auch und gerade in den ländlichen Tourismusregionen Ostsachsens. Man lockt wirklich keine Gäste, wenn man auf der Straße gegen Weltoffenheit demonstriert.
Aber es zeigt auch, wie wenig den Bewohnern dieser Regionen bewusst ist, dass Tourismus ein wichtiger Wirtschaftszweig ist. Auch wenn er anteilig an der Gesamtbeschäftigung klein ist.
„Seit 2008 ist die Beschäftigtenzahl in der Stadt Dresden dagegen um jährlich durchschnittlich 0,6 Prozent (insgesamt um knapp 650 Personen) angewachsen. Im Ergebnis war hier aktuell mehr als jeder zwanzigste (sozialversicherungspflichtig) Beschäftigte, konkret 5,4 Prozent, mittelbar oder unmittelbar der Tourismuswirtschaft zuzuordnen (Sachsenmittel: 4,0 Prozent)“, bilanzieren die Landesstatistiker den Stand in Dresden, das aufgrund seiner reichen Kulturschätze nach wie vor der wichtigste sächsische Tourismusmagnet ist.
In den ländlichen Regionen bietet der Tourismus – auch aufgrund der Saisonabhängigkeit – nicht so viele vollwertige Arbeitsplätze: „Während dieser Anteil zur Jahresmitte 2016 im Landkreis Zwickau mit 2,9 Prozent (3.600 Beschäftigte) am geringsten ausfiel, war er im Landkreis Sächsische Schweiz-Osterzgebirge mit 5,2 Prozent (4.000 Beschäftigte) sowie in der Stadt Leipzig mit 4,7 Prozent (12.100 Beschäftigte) ebenfalls überdurchschnittlich.“
Auffällig aber auch hier, wie sich die Messestadt im Sachsenvergleich mausert: „Dabei wurde in der Stadt Leipzig mit jährlich durchschnittlich 2,6 Prozent das mit Abstand stärkste Beschäftigungswachstum im Bereich Tourismus seit 2008 registriert (Zunahme um mehr als 2.200 Personen).“
Mit der Veröffentlichung erinnert das Landesamt für Statistik aber auch daran, dass der Welttourismustag 2017 unter dem Motto „Nachhaltiger Tourismus – ein Instrument für die Entwicklung“ steht.
Das ist eben auch für Leipzig ein Thema, das in den vergangenen Jahren mit der Region zusammen auch einige falsche Weichenstellungen vollzogen hat. Die Stadt selbst ist zunehmend mit „Events“ bestückt, das Marketing entsprechend auf diese „Events“ fokussiert. Und selbst in der Gewässerlandschaft wird auf Lautstärke und PS gesetzt, während nachhaltige und umweltschonende Konzepte immer wieder unter die Räder geraten. Man denke nur an die Animositäten beim Radwegekonzept.
Was auch daran liegt, dass die Verantwortlichen (und zum Teil auch überhaupt nicht wirklich Verantwortlichen) auch den Tourismusbereich im platten Wettbewerbs-Denken sehen und glauben, sie müssten mit „Leuchttürmen“ den Wettbewerb gegen andere „Destinationen“ gewinnen, wo es doch eigentlich erst einmal darum ginge, die tatsächlichen Potenziale der Region als nachhaltiges Reiseziel zu erarbeiten.
Hat man nicht gemacht.
Ergebnis sind Tourismus-Visionen, die mit der Realität nicht zusammenpassen.
Die komplette Mitteilung des Statistischen Landesamtes.
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