Für FreikäuferWas bedeutet es eigentlich, wenn das sächsische Verkehrsministerium meldet: „Die Eisenbahn-Neubaustrecke von Dresden nach Prag kommt“? Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) und sein tschechischer Amtskollege Dan Tok haben am Freitag, 25. August, in Karlsbad eine Absichtserklärung für den Bau unterzeichnet. Die Strecke werde somit im „vordringlichen Bedarf“ des Bundesverkehrswegeplans ausgewiesen.

So meldete es das Sächsische Ministerium für Wirtschaft und Arbeit (SMWA), das auch für die Verkehrsbauten zuständig ist. Und mit der Absichtserklärung sei die Voraussetzung für die Umsetzung geschaffen.

Verkehrsminister Martin Dulig (SPD), der sich seit Jahren gemeinsam mit seinem tschechischen Amtskollegen, der EU und der Deutschen Bahn AG für die Strecke einsetzte, meinte: „Ich bin glücklich, dass die 43 Kilometer lange Neubaustrecke nun endlich in den vordringlichen Bedarf des Bundesverkehrswegeplanes aufgenommen wurde. Damit können wir mit den Planungen tatsächlich beginnen. Die neue Strecke wird nicht nur Sachsen und Tschechien enger zusammenrücken lassen, die Reisezeit auf unter eine Stunde verkürzen, sie wird vor allem die lärmgeplagten Menschen im Elbtal endlich entlasten!

Dies wird die Lebensqualität spürbar erhöhen und ist dringend nötig, da die bisherige Strecke an der Elbe bereits jetzt an ihre Kapazitätsgrenze stößt. Zudem wird der Wirtschaftsstandort Sachsen durch die bessere Anbindung an Europa weiter deutlich gestärkt – die Häfen im Norden und der Mittelmeerraum werden deutlich schneller erreicht werden können. An dieser Stelle möchte ich mich ganz herzlich bei allen bedanken, die uns auf diesem langen Weg unterstützt haben: bei unseren tschechischen Freunden, bei der EU und der Bahn – auch und vor allem bei meinen Mitarbeitern, die immer an das Großprojekt geglaubt haben.“

Aber da gibt es ein kleines Problem. Andere Schienenstrecken, die Sachsen schon 2013 für den Bundesverkehrswegeplan angemeldet hat, haben noch immer keine Bestätigung durch das Bundesverkehrsministerium bekommen. Und das, obwohl sie – wie die Elektrifizierung der Strecke Leipzig — Chemnitz – viel dringender für die Sicherung der Verkehrsströme zwischen Sachsens Großstädten sind.

Martin Dulig hofft zumindest, dass da jetzt im Bundesverkehrsministerium irgendetwas passiert: „Wir erwarten nun auch vom Bund eine schnelle, positive Entscheidung für die beiden weiteren von uns angemeldeten sächsischen Schienenprojekte: Die Elektrifizierungen der Strecken von Chemnitz nach Leipzig und von Dresden nach Görlitz. Auch auf diesen Strecken haben wir den hohen Bedarf nachgewiesen. Der Bund steht in der Pflicht, die Fehler der 90er Jahre wieder gutzumachen, als Sachsen – vor allem das Erzgebirge – vom Bahn-Fernverkehr weitestgehend abgekoppelt wurde.“

Diese Hoffnung teilt Stephan Kühn, sächsischer Bundestagsabgeordneter und Sprecher für Verkehrspolitik der Grünen-Fraktion im Bundestag, nicht.

„Ein milliardenteures Prestigeprojekt hat Priorität, aber die Finanzierung der für viele Bahnfahrer im Alltag wichtigen anderen sächsischen Ausbauprojekte bleibt weiter offen. Offenbar hat der Fernverkehrsanschluss von Chemnitz oder der Oberlausitz beim sächsischen Ministerpräsidenten Tillich (CDU) nur zweite Priorität“, kommentiert Kühn die medienträchtige Absichtserklärung, die so hübsch in den Bundestagswahlkampf passt. „Durch die Entscheidung für die Neubaustrecke sinken die Chancen für die anderen sächsischen Projekte, die derzeit alle im sogenannten potentiellen Bedarf auf eine Entscheidung aus Berlin warten. Denn die Finanzierungsbasis für den Bundesverkehrswegeplan reicht nicht, um alle Bahnprojekte aus dem potentiellen in den vordringlichen Bedarf aufsteigen zu lassen. Für etwa nur die Hälfte der bundesweit 45 Projekte im potentiellen Bedarf werden die kalkulierten Mittel reichen, um sie in den vordringlichen Bedarf aufzunehmen.“

Und auch der „vordringliche Bedarf“ ist im Grunde bis ins Jahr 2030 regelrecht verstopft mit Projekten, die in der Summe allein mehr als 50 Milliarden Euro verschlingen werden. Für die Strecke Dresden-Prag waren bislang 4 Milliarden Euro im Gespräch – aber auf der Strecke wird es mindestens einen ambitionierten Tunnelbau geben, so dass sich die tatsächlich notwendige Summe noch deutlich erhöhen kann.

Stephan Kühn: „Es kann nicht sein, dass ein Milliardenprojekt wieder die Umsetzung von kleineren, aber für viele Bürger nicht weniger wichtigen Bahnprojekte blockiert. Die Elektrifizierung der Strecken Chemnitz – Leipzig, Dresden – Görlitz sowie Görlitz – Cottbus muss kommen und darf weder bei Ministerpräsident Tillich noch bei der Bundesregierung die zweite Geige spielen. Den Bürgern muss noch vor der Bundestagswahl reiner Wein eingeschenkt werden, ob der Ausbau der Bahnstrecken kommt oder nicht.“

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