Für FreikäuferDass Sachsen sich so langsam von der wirtschaftlichen Miserabilität der frühen Nuller-Jahre erholt, hängt nicht nur mit gestiegenen Exportzahlen zusammen, viel mehr noch mit einer wachsenden Beschäftigung. Auch die Landestatistiker freuen sich, dass „die Zahl der Arbeitslosen in Sachsen 2016 auf einen historischen Tiefstand von 157.862 Personen zurückging, was einer Arbeitslosenquote von 7,5 Prozent (bezogen auf alle zivilen Erwerbspersonen) entsprach.“
Mittlerweile meldet die sächsische Arbeitsagentur sogar 6,4 Prozent. Aber die Zahl dürfte schon beunruhigen. Denn sie erzählt auch davon, dass es immer öfter an Nachschub fehlt. Zwar wuchs die Erwerbstätigenzahl von 2,0 Millionen im Jahr 2012 auf 2,037 Millionen im Jahr 2016. Aber vor allem gab es große Umverteilungsprozesse innerhalb der Erwerbstätigengruppen. Endlich entstanden tatsächlich neue vollwertige Arbeitsplätze, was dafür sorgte, dass viele Selbstständige und viele marginal Beschäftigte die Chance nutzten, in eine besser bezahlte Stellung zu wechseln.
Ergebnis: Die Zahl der Arbeitnehmer stieg in diesem Zeitraum von 1,767 Millionen auf 1,821 Millionen, während die der Selbstständigen von 234.000 auf 215.700 sank und die der marginal Beschäftigten von 212.600 auf 181.100.
Und natürlich wissen die Statistiker auch, wer in diesem Zeitraum die meisten neuen Arbeitsplätze zur Verfügung stellte. Das war natürlich vor allem das Verarbeitende Gewerbe, das 15.300 neue Arbeitsplätze schuf.
Der große Bereich Handel, Verkehr, Gastgewerbe, Information und Kommunikation trug 10.100 zusätzliche Arbeitsplätze bei.
Und auffällig als Jobmaschine war auch der Bereich öffentliche und sonstige Dienstleister, Erziehung und Gesundheit mit 21.500 zusätzlichen Stellen. Hier findet man zum Beispiel den ganzen Wachstumsbereich der Pflegedienste, aber auch den Kita-Bereich, in dem jedes Jahr um die 2.000 neue Erzieherinnen und Erzieher gebraucht werden.
Die Zahlen hier würden noch deutlich höher ausfallen, wenn Land und Kommunen tatsächlich das Personal sichern würden, das sie brauchen. Doch beim Landespersonal wird noch immer laviert, als wäre der Markt voller junger Leute, die Schlange stehen, um zum Beispiel Lehrer zu werden. Und die Kommunen stehen unter der strengen Kontrolle des Landes, dessen Direktionen auch gern bestimmen, dass es beim Personal einen Einstellungsstopp gibt. Auch Leipzig hat wieder einen verpasst bekommen.
Interessant ist die Beschäftigungsstatistik natürlich auch unter einem anderen Aspekt, denn nicht nur Marginal Beschäftigte und Selbstständige haben sich als hilfreiche Arbeitsmarktreserve für Sachsen erwiesen und dazu beigetragen, dass die Fachkräftelücke noch nicht folgenreicher aufgerissen ist.
Auch die älteren Arbeitnehmer wurden (indirekt) als Arbeitsmarktreserve genutzt. Nicht so sehr, dass sie aus der Arbeitslosigkeit geholt wurden. Das funktioniert so nicht wirklich. Denn die älteren Arbeitslosen haben selten bis nie die nötige Qualifikation und Berufserfahrung.
Stattdessen haben die Arbeitgeber ihr Herz für die über 50-Jährigen in der Belegschaft entdeckt und behalten sie jetzt lieber in der Firma, statt sie – wie noch zu früheren Zeiten – aus fadenscheinigen Gründen aus dem Arbeitsleben zu schmeißen. Viel zu lange hat die Bundesrepublik das Potenzial ihrer älteren Arbeitnehmer regelrecht verschleudert und entwertet.
Und während die Politik gern über die (trügerischen) Segnungen von „Hartz IV“ redet, haben sächsische Unternehmen schon erstaunlich früh angefangen, die Arbeitnehmer über 55 Jahre in der Firma zu halten. 2005 waren nur 156.003 Menschen über 55 Jahre sozialversicherungspflichtig beschäftigt in Sachsen (11,7 Prozent aller sv-pflichtig Beschäftigten).
2008 stieg die Zahl erstmals über 200.000, 2014 wurde die 300.000er-Marke überschritten. 2016 wurden nun 321.154 sozialversicherungspflichtig Beschäftigte über 55 Jahre gezählt, was schon 20,67 Prozent aller Beschäftigten ausmacht. Die Zahl der älteren Arbeitnehmer hat sich also mehr als verdoppelt, ihr Anteil an allen Beschäftigten beinah auch.
Und das wird so weitergehen. Das steht schon fest. Kaum ein Unternehmen kann es sich noch leisten, seine besten Leute einfach aus Altersgründen zu verlieren. Dazu kommt dann noch das steigende Renteneintrittsalter. Man könnte fast die Hoffnung haben, die sächsischen Manager lernen jetzt, auch mit dem älteren Personal sehr sorgsam umzugehen. Denn nach wie vor sind die Jahrgänge, die neu in den Arbeitsmarkt eintreten, viel zu dünn, nur halb so stark, wie sie eigentlich sein müssten, um den Arbeitskräftebedarf langfristig zu decken.
Gleichzeitig melden die Landesstatistiker seit Jahren ein sinkendes Gesamtarbeitsvolumen.
Das scheint sich zu beißen: Immer mehr Menschen sind in Arbeit, arbeiten aber immer weniger?
Stimmt bedingt. Denn die Knappheit von Arbeitskräften schafft für diese auch neue Freiräume. Immer mehr Sachsen nutzen die Chance, zwar endlich ordentlich bezahlt zu arbeiten, dafür aber in Teilzeit. Die Zahl der in Teilzeit Beschäftigten hat sich von 242.006 im Jahr 2005 deutlich erhöht auf nunmehr 446.131. Die Ursache ist deutlich: 356.670 davon sind Frauen, denen ein Teilzeitjob auch das Management mit Familie und Kindern ermöglicht. Jedes Jahr kommen rund 20.000 neue Teilzeitjobs hinzu. Ein Ende dieser Entwicklung scheint noch nicht absehbar. Werden wir zu einer Teilzeit-Arbeitsgesellschaft?
Eine unerwartete Entwicklung wäre das im Angesicht der forcierten Robotorisierung unserer Arbeitswelt nicht.
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