Es ist sein Spezialgebiet als Politiker. Da wird auch Holger Mann als hochschulpolitischer Sprecher der SPD-Fraktion im Landtag etwas euphorisch, wenn Sachsen in einem bundesweiten Vergleich der Gründer auf einmal fünf Plätze besser abschneidet und sogar Länder wie Baden-Württemberg überholt. Das habe wohl etwas mit Sachsens Hochschullandschaft zu tun, vermutet er.
Gegen den deutschlandweiten Trend beim Rückgang von Existenzgründungen haben Gründungen in Sachsen nämlich auch in den Jahren 2014 bis 2016 zugelegt. So ergab es der jetzt vorgestellte neue Gründungsmonitor der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW). Der auch belegt, wie sehr sich das Gründergeschehen verändert hat. Denn der Rückgang hat Gründe. Damit verschieben sich auch die Schwerpunkte der Unternehmensgründungen.
Vorreiter sind die Hochschulen, die Universität Leipzig liegt sogar gleichauf mit der TU München. Erhebungen der letzten Monate attestieren Sachsen eine wachsende Innovationslandschaft und ein wachsendes Gründergeschehen, betont Holger Mann.
„Die Zahlen belegen, dass die Rahmenbedingungen in Sachsen stimmen und insbesondere Ausgründungen aus wissens- und technologieintensiven Bereichen rund um unsere Hochschulen sich gut entwickeln. Dies ist nicht zuletzt den gemeinsamen Initiativen des Wirtschafts- und Wissenschaftsministeriums zu verdanken. Umso wichtiger erscheint, dass die Förderlinien auch nach Auslaufen von EU-Geldern fortgesetzt und noch stärker auf Innovation ausgerichtet werden“, sagt der Landtagsabgeordnete der SPD.
Dabei hat auch sein Arbeitsgebiet erlebt, mit welcher Scheuklappenmentalität die Vorgängerregierung im Hochschulbereich drauflos gekürzt hat. 1.000 Dozentenstellen sollten entfallen – obwohl auf Jahre hinaus kein Rückgang der Studierendenzahl in Sachsen absehbar ist. Möglicherweise sinken die Zahlen nach 2020. Aber das weiß noch niemand wirklich.
Natürlich müssen sich Hochschullandschaften permanent anpassen und weiterentwickeln. Es nützt nichts, Akademiker am Bedarf vorbei auszubilden. Andererseits haben gerade Hochschulen ein Problem: Sie müssen die Zukunft antizipieren, Lehrstühle und Institute quasi für eine Entwicklung einrichten, die oft genug erst in den Laboren und Forschungsbereichen am Entstehen ist. Andererseits sind Hochschulen, die mit ihren Forschungsprojekten am dichtesten dran sind an dieser sich herausbildenden Zukunft, die idealen Orte, um hier direkt aus der Forschung heraus innovative Unternehmen zu gründen, die die Forschungsergebnisse in ein Geschäftsfeld verwandeln.
Was das sächsische Wissenschaftsministerium auch nach seinen Möglichkeiten zu forcieren versucht.
So fördert das SMWK Nachwuchsforscher_innengruppen oder Promotionen, die Innovation in Industrie und Arbeitsmarkt erwarten lassen, unterstützt bei wettbewerblichen EU-Förderprogrammen Forschung und Innovation, betont Holger Mann. Das Wirtschaftsministerium, das SMWA, fördert maßgeblich über EFRE Schlüsseltechnologien, Cluster-Initiativen, Außenhandelsbeziehungen und seit kurzem auch Personal über InnoExpert, Inno-Teams und Transferassistenten.
Der Deutsche Industrie und Handelskammertag (DIHK) hatte bei Veröffentlichung des Gründer_innenreportes 2016 gefordert: Das „Unternehmertum flächendeckend in Schulen und Hochschulen bringen. Hier liegt der größte Hebel für mehr Unternehmensgründungen mit Chancen.“
Denn das Problem vieler sächsischer Unternehmen ist: Sie sind zu klein, um eigene große Forschungsabteilungen zu unterhalten wie die Riesen in München oder Stuttgart. Aber sie sind, um wettbewerbsfähig zu bleiben, genauso auf ständige Innovation angewiesen.
„In Sachsen sind bereits viele der DIHK-Empfehlungen umgesetzt“, findet Holger Mann. „So gibt es eine breite Beratungsinfrastruktur mit Smile/Saxeed oder dem Sächsischen Zentrum für Kultur- und Kreativwirtschaft, Co-Workings-Spaces und Inkubatoren. Die Vereinbarkeit von Familie und Beruf wird gefördert. Zudem wirken die gute Verkehrsanbindung und eine auf die Interessen von Gründer_innen abgestimmte Förderkulisse. Seit 2015 wird die Digitalisierung, insbesondere der Breitbandausbau, vorangetrieben und sind seitdem fast eine halbe Milliarde Fördermittel mobilisiert worden.“
Der KfW-Gründungsmonitor zeigt natürlich auch auf, warum in fast allen Bundesländern die Gründungsaktivitäten so drastisch zurückgingen. Hauptgrund ist dafür natürlich die gute Konjunktur. Junge, hochqualifizierte Leute haben die Qual der Wahl und können zumeist auch zwischen mehreren attraktiven und gut bezahlten Jobangeboten wählen. Sie können ihre Fähigkeiten also problemlos in einem großen Unternehmen unterbringen. Regelrecht halbiert haben sich die sogenannten Notgründungen – die vor allem aus einer Not heraus stattfanden und stattfinden: Der Gründer findet einfach kein adäquates Jobangebot und gründet deshalb ein eigenes Unternehmen. Führend im Gründungsgeschehen ist übrigens die Dienstleistungsbranche. Das hat jetzt eher weniger mit Hochschulen und Innovation zu tun, sondern mit dem wachsenden Bedarf einer alternden Gesellschaft an einer Vielzahl von Dienstleistungen, die dringend gebraucht werden.
Und die Reihenfolge der Bundesländer mit Hamburg und Berlin an der Spitze zeigt, welche zentrale Rolle die Großstädte bzw. die Universitätsstädte im Gründungsgeschehen spielen. Hier passieren – gleich in Nachbarschaft der Hochschulen – die innovativen Gründungen. Deswegen scheint Sachsen zwar irgendwie unter den Flächenländern eine wachsende Rolle bei den Gründungen zu spielen.
Aber gerade Sachsens „Sprung nach vorn“ zeigt, welche treibende Rolle in Sachsen mittlerweile die drei Großstädte spielen. Das Wirtschaftsgeschehen des Freistaats wird immer mehr von diesen Hochschulstandorten geprägt. Und wenn die Entwicklung in den nächsten Jahren nicht noch ganz andere Winkelzüge macht, wird sich die Rolle von Leipzig, Dresden und Chemnitz weiter verstärken. Und die Staatsregierung wäre gut beraten, die drei Forschungs- und Wirtschaftsmotoren mit noch mehr Feuereifer zu unterstützen.
Unter den Flächenländern hat Sachsen nach Hessen, Bayern und NRW auf Platz 4 und unter allen Bundesländern auf Platz 7 abgeschnitten. Zudem wies es nach dem Saarland (124/ +13) den zweithöchsten Zuwachs auf 147 Gründungen je 10.000 Einwohner auf (+9).
Auszug aus dem Gründungsmonitor der KfW.
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