Es ist zumindest ein Hoffnungsschimmer, der da am Dienstag, 13. Juni, mit der gemeinsamen Kabinettssitzung der Regierungen von Sachsen und Brandenburg zur Lausitz aufkam. Der fällige Strukturwandel durch das Ende des Kohlezeitalters hat die Regierungsebene endlich erreicht. Auch wenn Gerd Lippold, der energiepolitische Sprecher der Grünen, das Ergebnis des Treffens als Maus bezeichnet.
„Niemand konnte heute ein ausgereiftes Konzept für die Strukturentwicklung im Rahmen des Kohleausstiegs in der Lausitz und in Mitteldeutschland erwarten. Was allerdings heute in Großräschen vorgestellt und als ‚Lausitzstrategie‘ bezeichnet wurde, ist selbst im Rahmen dieser bescheidenen Erwartungen enttäuschend“, fand Dr. Gerd Lippold, energie- und wirtschaftspolitischer Sprecher der Grünen-Fraktion im Sächsischen Landtag, am Dienstag. „Der Berg kreißte ein Vierteljahr und gebar – eine Maus. Die Landesregierungen bleiben damit weit hinter dem Stand zurück, der in dieser Debatte durch Interessengruppen vor Ort, durch wissenschaftliche Studien und durch Beiträge aus der Politik – darunter von den Grünen in Sachsen und Brandenburg – längst erreicht wurde. Wir haben der Staatsregierung immer vorgeworfen, die Planung eines gezielten Strukturwandels im Rahmen eines absehbaren Kohleausstieges zu ignorieren. Die unkonkreten Aussagen in der Lausitzstrategie der Staatsregierung ein Vierteljahr nach dem Revierkonzept der LEAG sind ein Beleg dafür, dass diese Kritik berechtigt war.“
In weiten Teilen appelliert das Papier im Grunde daran, die Institutionen und verbleibenden Unternehmen in der Region mögen sich zusammentun und die Region selbst aus dem Schlamm ziehen.
Der Hoffnungsschimmer ist die Zusage, eine noch zu gründende, länderübergreifende Wirtschaftsfördergesellschaft Wirtschaftsregion Lausitz zu unterstützen, die von beiden Ländern mit jeweils 150.000 Euro im Jahr gefördert werden soll. Der Bund hat für die Gesellschaft seinerseits 7,3 Millionen Euro zunächst für vier Jahre bewilligt. Das ist – gemessen an der Größe der Aufgabe – nicht wirklich viel Geld.
Aber im Strategiepapier wird noch von ganz anderen Geldern gesprochen, die zwar noch nirgendwo beschlossen sind, mit denen aber die beiden Regierungen augenscheinlich fest rechnen. Als wäre es ganz selbstverständlich, dass jetzt der Bund einspringt, wo die beiden Landesregierungen all die Jahre stur auf Braunkohle gesetzt haben.
Im Papier heißt es dazu: „Bereits für die kommenden Jahre erwarten die Länder als Nachteilsausgleich den Einstieg des Bundes in die zusätzliche Förderung. Vorgeschlagen wird, zunächst für einen Zeitraum von 5 Jahren zusätzliche Bundesmittel in Höhe von 1,2 Milliarden Euro für die Unterstützung der Strukturentwicklung in der Lausitz zur Verfügung zu stellen. Im Jahr 2019 sollen die ersten 200 Millionen Euro bereitgestellt werden. Der Betrag soll in den folgenden Jahren jeweils um 10 % erhöht werden. 2022 soll die Höhe der Mittelbereitstellung überprüft und für die Jahre ab 2024 neu festgelegt werden. Die Länder erwarten, dass der Bund über die bisher geplanten, in seine Zuständigkeit fallenden Vorhaben hinaus in den Bereichen Bahn, Straße und Breitband weitere Infrastrukturmaßnahmen ergreift.“
Das nennt man möglicherweise am besten tollkühn. So flott hat noch keine ostdeutsche Region Milliardenhilfe vom Bund beantragt, um die überfällige Strukturwende zu finanzieren.
Die Zahlen verwundern Gerd Lippold natürlich.
„Nur eines weiß die Staatsregierung offenbar schon ganz genau: wie viel zusätzliches Geld vom Bund kommen soll. Es sind zusätzliche Mittel in Höhe von 1,2 Milliarden Euro über einen Zeitraum von fünf Jahren. Das deckt sich erstaunlich genau mit Abschätzungen in einer Kohleausstiegsstudie von Agora Energiewende, die von den Kohleländern bislang kategorisch abgelehnt und bekämpft wurde“, stellt er fest. Im Grunde galt noch am Montag, dass beide Landesregierungen darauf beharrten, dass sie sich derzeit überhaupt noch nicht um einen Strukturwandel in der Lausitz kümmern müssten.
Die Papiere der Kritiker dieser Kohle-Politik hat man aber augenscheinlich sehr genau gelesen. Und wenn man die Zahlen jetzt gar in ein eigenes Strategiepapier übernimmt, zeugt das zumindest von wachsender Verunsicherung: So recht glauben die beiden Landesregierungen nun augenscheinlich nicht mehr daran, dass die LEAG in der Lausitz bis 2040 oder gar 2050 feuert, wie es einige Kraftmeier der sächsischen CDU immer wieder behaupteten.
Augenscheinlich ist der Zeithorizont, in dem man sich zum Handeln gezwungen sieht, deutlich nach vorn gerutscht auf die Jahre 2020 bis 2024.
„Wir werden hinterfragen, ob die andere Seite der Prognosen in dieser Studie – ein zeitlich sehr konkreter Kohleausstiegsfahrplan – damit nun ebenfalls von der sächsischen Staatsregierung als Ausgangsbasis akzeptiert ist“, kommentiert Dr. Gerd Lippold dieses heimliche Eingeständnis. „Es fehlt im Grundsatzpapier der Landesregierungen jedoch an Konkretisierung, für welche Projekte dieses Geld nun konkret eingesetzt werden soll, um dem Ziel nachhaltiger Strukturentwicklung zu dienen. Ich fordere die Staatsregierung auf, endlich in ihren eigenen Aussagen zum Handeln des Freistaates ein vergleichbares Maß an Verbindlichkeit und Konkretheit zu pflegen, wie sie es bei den finanziellen Forderungen an den Bund bereits tut.“
Gerade Stanislaw Tillich, der sächsische Ministerpräsident, sah es am Dienstag regelrecht als Pflicht von Bund und EU an, den beiden Ländern in der Lausitz unter die Arme zu greifen.
„Sachsen und Brandenburg arbeiten gemeinsam daran, dass die Lausitz für die dort lebenden Menschen auch künftig eine gute Heimat ist und eine klare Perspektive hat. Dafür ist auch die gezielte finanzielle Unterstützung durch den Bund dringend erforderlich“, sagte er. Und kam regelrecht ins Träumen, was man mit dem Geld eigentlich anfangen könnte: „Wir brauchen zudem eine visionäre Infrastrukturentwicklung – unter anderem im Verkehrsbereich. Hier fordere ich die Bundesregierung auf, mit uns gemeinsam an neuen Möglichkeiten zu arbeiten.“
Normalerweise bittet man um Unterstützung, wenn man selbst schon einen Plan hat. Aber nach einem Plan hört sich das alles nicht an. Auch nicht der Ruf nach Brüssel. Stanislaw Tillich: „Gleichzeitig brauchen wir Rückenwind aus Brüssel. Nötig sind für alle europäischen Braunkohleregionen in der Zeit der Konversion niedrigere Hürden beim europäischen Beihilferecht. Nur so haben wir angesichts des internationalen Wettbewerbs Chancen, auch Großansiedlungen in die Region zu holen.“
Als wenn er noch in den 1990er Jahren lebte, als es tatsächlich noch darum ging, Großansiedlungen für den Osten zu akquirieren. Seit Jahren schon hat es solche Ansiedlungen nicht mehr gegeben. Nach einer klugen Strategie für die Lausitz klingt das nicht.
Eher nach einem Ausweichen vor dem eigentlichen Problem, das auf Sachsen und Brandenburg zurollt: Wie lange betreibt die LEAG noch Tagebaue und Kohlemeiler? Und wie viel Geld wird da sein, um die Landschaft nach Ende des Tagebaus zu reparieren?
Eigentlich braucht es, so Lippold, einen für alle verlässlichen Plan für das Ende des Kohlezeitalters.
„Das betrifft einen planungssicheren Kohleausstiegsfahrplan genauso wie eine Forderung an die Kohlewirtschaft zur verursachergerechten Kofinanzierung und Ideen zu eigenen Unterstützungsinstrumenten des Landes“, benennt Lippold all das, was man im Papier vergeblich sucht. „150.000 Euro pro Jahr und die Ernennung von Staatssekretär Mangold zum Ansprechpartner für die Lausitz – das kann doch nicht alles gewesen sein, was Sachsen aus eigener Kraft tun kann und will!“
Das Strategiepapier der Landesregierungen.
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