Derzeit fokussiert sich die Diskussion, wenn es um den angehenden Strukturwandel geht, auf die Lausitz. Dort werden in wenigen Jahren die Tagebaue beendet und die Kohlekraftwerke abgeschaltet. Und das Beklemmende an der Situation: Die Regierenden in Dresden und Potsdam tun so, als ginge sie das nichts an. Da haben die Sachsen und Brandenburger Regierungen gewählt, die unfähig sind, Zukunft zu denken.
Anders kann man es nicht sagen. Denn die Weigerung, für die Lausitz Strukturfonds und Pläne für den Strukturwandel aufzulegen, zeugt genau davon. Oder von einem anderen Aspekt, den mittlerweile Wissenschaftler betonen, wenn sie konservative und progressive Politikschulen vergleichen. Während progressive Schulen den Wandel nicht nur forcieren, sondern auch Modelle entwickeln, ihn zu gestalten, besteht konservative Politik vor allem in Besitzstandswahrung. Man möchte nicht, dass sich etwas verändert. Es wird nur tragisch, wenn die Veränderungen trotzdem passieren. Dann wird die Verweigerung der Gestaltung dieser Prozesse teuer für die Betroffenen.
In diesem Fall die sächsischen Regionen. Übrigens nicht nur die Lausitz.
Das gerät meist aus dem Blickwinkel, dass derselbe Prozess ab 2023 auch auf den Leipziger Südraum zukommt, möglicherweise auch auf das angrenzende Sachsen-Anhalt. Auch hier geht das Kohlezeitalter zu Ende.
Andere Transformationsprozesse laufen die ganze Zeit und in aller Stille ab – mit gravierenden Folgen etwa für den Erzgebirgskreis.
Aber die Regierenden schauen zu und begreifen diese Entwicklungen nicht als Aufgabe, die es zu gestalten gilt. Die gemeinsame Kabinettsitzung der Landesregierungen von Sachsen und Brandenburg am 13. Juni ist zumindest so eine Art Anfang.
Für die Lausitz machen die Grünen aus Brandenburg und Sachsen jetzt einen Vorschlag.
Vor der gemeinsamen Kabinettssitzung der Landesregierungen von Sachsen und Brandenburg am Dienstag, 13. Juni, im brandenburgischen Großräschen, fordern Grünen-Politiker aus Sachsen und Brandenburg eine Attraktivitätsoffensive für die Region. Sie haben dazu ein Papier „Grüne Schlüsselprojekte für die Zukunft der Lausitz“ vorgelegt.
Eine Arbeitsgruppe von Grünen-Politikerinnen und -Politikern aus Sachsen und Brandenburg hatte im Vorfeld der gemeinsamen Kabinettssitzung der Landesregierungen grüne Vorschläge zur Gestaltung des Strukturwandels in der Lausitz erarbeitet. Beteiligt waren neben dem Landtagsabgeordneten Lippold die Brandenburger Landtagsabgeordnete Heide Schinowsky, wirtschafts- und energiepolitische Sprecherin ihrer Fraktion, die Bundestagsabgeordneten Annalena Baerbock (Brandenburg) und Stephan Kühn (Sachsen) sowie die Lausitzer Landtagsabgeordneten Franziska Schubert (Sachsen).
„Durch die hochfliegenden Kohleträume in Dresden und Potsdam wurden für die Entwicklung von Projekten für eine attraktive Lausitz in der Zeit nach der Kohle Jahre verloren. Die Menschen vor Ort wissen: der Kohleausstieg hat bereits begonnen. Sie wollen jetzt so konkret wie möglich wissen, wie ihre Zukunft aussehen kann“, erklärt dazu Dr. Gerd Lippold, energie- und wirtschaftspolitischer Sprecher der Grünen-Fraktion im Sächsischen Landtag. „Die Lausitz ist Industrie- und Energieregion und kann und soll es nach unserer Überzeugung auch bleiben. Dafür wollen wir uns im Land und im Bund stark machen. Die vorhandenen Kompetenzen der Energieregion Lausitz müssen ebenso genutzt werden, wie der umfangreiche Erfahrungsschatz bei Braunkohlesanierung und der regionale Schwerpunkt bei Fahrzeugbau, Leichtbautechnologien und Komponenten für die Elektromobilität.“
Aus Grünen-Sicht kann die Lausitz sehr wohl zur Schwerpunktregion für die neuen, alternativen Energien werden.
„Saubere Regelleistung und Reservekapazität auf allen Ebenen, vom elektrischen Speicher bis zur großskaligen Power-to-Gas-Installation sind notwendige Projekte, die in die Lausitz gehören. Die Synergien von Power-to-Gas-Technologien und klimaneutraler Chemie öffnen gleichzeitig dem Chemiestandort neue Perspektiven“, stellt Lippold fest. Und verweist darauf, dass die Lausitz nicht das einzige Kohlerevier ist, in dem ein Zeitalter zu Ende geht. „Viele große, langwierige Folgeprobleme des Braunkohletagebaus mussten in der Lausitz erstmals angepackt werden. In Europa, aber auch weltweit wächst am Ende des Kohlezeitalters die Zahl der ehemaligen Reviere und damit von Kunden für Know-how zur Bergbaufolgenbewältigung. Ein leistungsfähiges Zentrum für Post-Mining-Kompetenz als Verbundprojekt der Lausitzer Hochschulen und der regionalen Forschungslandschaft soll in Kooperation mit dem Helmholtz-Umweltforschungszentrum und den Bergämtern umgehend ins Leben gerufen werden. Dabei entstehen hochqualifizierte Arbeitsplätze und exzellente Gründungs- und Wachstumsbedingungen für Unternehmen der Umwelttechnologien und der Technologien für nachhaltige Landwirtschaft.“
Kleine Unternehmen sollen nach Vorstellungen der Grünen besser beraten und ein regionales Gründungszentrum etabliert werden. Zudem gelte es, sogenannte „weiche Standortfaktoren“ zu stärken. Denn nach der Kohle kann die Lausitz auch wieder mit Landschaft und Lebensqualität punkten.
„Im Wettbewerb um die dringend benötigten Fachkräfte spielen eine intakte Umwelt und das Angebot an Bildung und Kultur bei der Entscheidung über den Lebensmittelpunkt eine immer wichtigere Rolle“, so Lippold.
Die Grünen schlagen, um das auch kompetent zu gestalten, eine „Zukunftsstiftung Lausitz“ zur Erarbeitung von Zukunftskonzepten vor. Finanziert werden soll die Stiftung den Plänen zufolge aus Mitteln der beiden Bundesländer, des Bundes, der EU und von regionalen Unternehmen. Und ein Thema wird dringend: Die Verkehrsanbindung. Auch in der Lausitz fehlen die belastbaren Schienenstrukturen.
Ein Ausbauprogramm für die Schieneninfrastruktur und den Wiederanschluss an das Fernverkehrsnetz der Bahn sollen die Region attraktiver machen. Die Grünen schlagen zudem den Ausbau des schnellen Internets und die Stärkung von Forschung und Entwicklung vor.
„Natürlich bieten auch ökologische Landwirtschaft und nachhaltiger Tourismus Chancen für die Region“, so Lippold. „Wir schlagen zudem die Bewerbung der Lausitz als Kulturhauptstadtregion Europas 2025 und für die Internationale Gartenschau/Bundesgartenschau ab 2029 vor.“
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