Die sächsische Staatsregierung und der Landtag haben schon etwas früher Halbzeit in ihrer aktuellen Regierungsperiode gefeiert und waren zu durchwachsenen Ergebnissen zur Halbzeitbilanz gekommen. Nun haben auch die sächsischen IHKs ihre Halbzeitbilanz erstellt. Die ist ebenso durchwachsen. Eigentlich sogar noch sehr zurückhaltend.
Seit gut zweieinhalb Jahren trägt in Sachsen die Koalition aus CDU und SPD die Verantwortung für die Entwicklung des Freistaates. Die sächsischen Industrie- und Handelskammern (IHKs) haben zur Halbzeit der aktuellen Legislaturperiode aus Sicht der Wirtschaft Bilanz gezogen. Einige zentrale Forderungen, die die Kammern anlässlich der Landtagswahl 2014 aufgestellt haben, sind bereits umgesetzt, in weiteren Handlungsfeldern wurden Teilerfolge erzielt. Zahlreiche Forderungen sind aber noch offen.
Kristian Kirpal, Sprecher der Landesarbeitsgemeinschaft der Industrie- und Handelskammern im Freistaat Sachsen, bilanzierte zur Halbzeit: „Was das Wirtschaftswachstum 2016 im deutschlandweiten Vergleich betrifft, sind wir nach den aktuellen Zahlen Tabellenerster. Die erneut hervorragenden Konjunkturdaten der sächsischen Wirtschaft belegen die positive wirtschaftliche Entwicklung der vergangenen Monate. Der Grundstein dafür wurde bereits vor 25 Jahren gelegt, viele mutige Unternehmerinnen und Unternehmer und richtige politische Weichenstellungen haben dazu beigetragen. Jetzt gilt es, die nächsten Schritte zu mehr Größenwachstum und Internationalisierung der Unternehmen zu gehen – dazu müssen die politischen Rahmenbedingungen geschaffen werden. Weitere Schwerpunkte der nächsten Jahre sind die Verbesserung von Sachsens Image, Bildungsthemen und der zügige Ausbau der Breitbandversorgung. Wirtschaft, Staatsregierung und auch die Opposition müssen deshalb gemeinsam an den offenen Handlungsfeldern arbeiten.“
Auch in der zweiten Hälfte der Legislaturperiode wollen die sächsischen IHK weiter für einen vertrauensvollen Dialog mit den Mitgliedern des Sächsischen Landtags, der Sächsischen Staatsregierung und allen Verwaltungsbehörden in Sachsen eintreten, betonen sie. Aber eigentlich gibt es Felder, da ist so langsam richtig Druck nötig.
Offene Handlungsfelder aus Sicht der IHK:
Marketingaktivitäten des Freistaates unter Einbeziehung aller Regionen Sachsens besser koordinieren
Die Marketingaktivitäten des Freistaates müssen besser mit den Akteuren vor Ort koordiniert werden, um alle Regionen Sachsens in ihrer Attraktivität zu steigern. Die inhaltliche Ausrichtung muss verstärkt der Imageverbesserung Sachsens nach den fremdenfeindlichen Übergriffen der jüngeren Vergangenheit dienen.
Verlässliche Fristen für die Bearbeitung von Anträgen durch die Verwaltung schaffen, stärkere Anwendung der Genehmigungsfiktion
Die Genehmigungsfiktion, bei der ein Antrag als genehmigt gilt, wenn die Behörde nicht binnen einer definierten Frist entscheidet, wäre ein echter Beitrag zum Bürokratieabbau und muss stärker genutzt werden.
Weiteres Engagement beim Bund für erleichterte Rahmenbedingungen bei der Zuwanderung von Fachkräften aus Nicht-EU-Staaten.
Die Mindestgehälter der Blauen Karte EU, die sich an der Beitragsbemessungsgrenze West der Rentenversicherung orientieren, sind für sächsische Unternehmen teilweise zu hoch und somit hinderlich für die Fachkräfte-Zuwanderung aus Drittstaaten. Die Landesregierung soll sich im Bundesrat für weitere Initiativen zur Erleichterung der Zuwanderung ausländischer Fachkräfte aus Nicht-EU-Staaten einsetzen.
Verbesserung der Schienenfernverkehrsanbindung in Sachsen, speziell der Region Chemnitz
Chemnitz als deutsche Großstadt mit fast 250.000 Einwohnern und die ganze Region dürfen nicht vom Fernverkehrsnetz der Deutschen Bahn abgekoppelt bleiben. Hier muss die Politik mit Nachdruck für Verbesserungen eintreten.
Eigentlich gehört auch das Arbeitsfeld „längeres gemeinsames Lernen“ hierher. Die sächsischen Unternehmen leiden verstärkt unter Fachkräftemangel. Sachsen kann sich ein auf frühe Auslese getrimmtes Bildungssystem gar nicht mehr leisten – aber die regierende CDU verweigert jede Diskussion über das Thema. Gelandet ist das Thema freilich etwas weiter unten, bei den „teilweise umgesetzten Handlungsfeldern“.
Teilweise umgesetzte Handlungsfelder:
Stärkung der dualen Berufsausbildung; Darstellung als attraktive Alternative zum Hochschulstudium z. B. mittels einer gemeinsamen Kampagne von Wirtschaft und Staatsregierung
Die Arbeit der Fachkräfteallianzen sollte weiterhin als wichtige Maßnahme zur Fachkräftesicherung unterstützt werden. Das Positionspapier des Landesausschusses für Berufsbildung ist zur Stärkung der dualen Berufsausbildung weiterhin zu Rate zu ziehen. Allerdings ist für die duale Berufsausbildung auch mit den Industrie- und Handelskammern zugeordneten Berufen zu werben. Der Meisterbonus sollte auch auf Fachwirte ausgeweitet werden.
Novelle des Sächsischen Schulgesetzes
Die Einigung der Regierungsfraktionen auf der Zielgeraden entspricht in weiten Teilen den Forderungen der IHKs. Das Netz der Berufsschulen kann durch die von 750 auf 550 verringerte Mindestschülerzahl auch im ländlichen Raum weitgehend erhalten werden. Die Forderung nach einem längeren gemeinsamen Lernen mindestens bis zur Klassenstufe 7 wurde leider nicht umgesetzt. Hier besteht in Zukunft noch Handlungsbedarf.
Breitbandausbau mit mehr als 50 Mbit/s flächendeckend vorantreiben
Die flächendeckende Breitbandversorgung mit 50 Mbit/s ist trotz der Zuschüsse von Bund und Land bis 2018 schwerlich realisierbar. Um die Wettbewerbsfähigkeit zu erhalten, muss es zudem langfristige Entwicklungspläne für den Breitbandausbau geben, die sich an der Entwicklung der zukünftigen Nachfrage weit über die 50 Mbit/s-Marke hinaus orientieren. Insgesamt bedarf es einer noch aktiveren Unterstützung der Kommunen.
Ausbau des E-Government zur Erleichterung der Interaktion zwischen öffentlicher Verwaltung und Unternehmen durch sachsenweit einheitliche Lösungen
Die Verabschiedung eines E-Government-Gesetzes war ein wichtiger Schritt für eine erleichterte Kommunikation zwischen Verwaltung und Wirtschaft. Die Modernisierung der Verwaltung ist konsequent weiter zu verfolgen. Um die Interaktion mit den Unternehmen nicht zu erschweren, sind zudem IT-Systeme in den Behörden zu vereinheitlichen. Der Freistaat sollte unter Nutzung seiner Richtlinienkompetenz hierbei unterstützend wirken.
Umgesetzte Handlungsfelder:
Praxistaugliche Ausgestaltung der GRW- und Mittelstandsrichtlinie
Mit der Ausgestaltung der GRW- und Mittelstandsrichtlinie wird ein kontinuierliches Wachstum von KMU sichergestellt. Sehr positiv ist, dass die Investitionsförderung nunmehr auch bei Sicherung von Arbeitsplätzen möglich ist.
Sicherung einer nachhaltigen Förderung und Finanzierung von Forschung, Entwicklung, Innovation und Technologietransfer
Die starke Orientierung staatlicher Förderaktivitäten auf kleine und mittlere Unternehmen bei zeitgleicher Branchen- und Technologieoffenheit ist begrüßenswert und sollte von der Landesregierung unabhängig von der Strukturfondsförderung in Zukunft verstetigt werden.
Weiterer Ausbau der Außenwirtschaftsinitiative Sachsen (AWIS) als Koordinierungsinstrument aller sächsischen Außenwirtschaftsaktivitäten
Die Außenwirtschaftsinitiative ist ein wichtiges Koordinierungsinstrument, um sächsische Unternehmen auf den Zugang zu internationalen Märkten vorzubereiten. Besonders positiv hervorzuheben ist die geplante Export-Neueinsteiger-Initiative für außenwirtschaftlich unerfahrene Unternehmen. Weitere Verbesserungen zum Beispiel bei der Koordinierung der Aktivitäten auf Wachstumsmärkten sollten zukünftig angestrebt werden.
Abschaffung des Wasserentnahmeentgeltes für Wasserkraftanlagen
Die Abschaffung der Wasserentnahmeentgelte und der damit einhergehende Bürokratieabbau war eine richtige Entscheidung.
Was wird aus der Energiewende?
Nicht aufgeführt (in den verlinkten Fassungen aber dabei) sind auch zwei zentrale Forderungen der IHK zum energetischen Umbau des Landes:
– Potenziale der Umweltallianz Sachsen besser ausschöpfen
– Weiterentwicklung des Dienstleistungsangebots der Sächsischen Energieagentur (SAENA) um das Thema Materialeffizienz
Politik tut ja gern so, als würde sie die Welt verändern. Aber wirklich umsetzen müssen solche technischen Revolutionen, wie sie mit der Energiewende anstehen, die Firmen, die das Knowhow dazu haben. Die IHK betonen zwar wieder die Rolle der Braunkohle zur Grundlasterzeugung beim Strom. Aber gleichzeitig vermissen sie ein wirkliches Engagement bei der Umweltallianz. Da hat sich Sachsens Regierung eindeutig auf „Kohle“ ausgeruht, die überfälligen Schritte aber bei den zwangsläufigen Änderungen, die trotzdem auf die Wirtschaft zukommen, einfach „vergessen“.
In der Langfassung heißt es: „Der Ausbau der Umweltallianz wurde versäumt, zudem wurden Aktivitäten und Einfluss eingeschränkt. Ein enger Abstimmungsprozess zwischen den Partnern der Umweltallianz ist wieder herzustellen. Die Potenziale werden von Seiten der Landesregierung verkannt.
Die Möglichkeiten der Umweltallianz, beispielsweise Unterstützung bei der Einrichtung eines Umweltmanagementsystems, sollten unbedingt genutzt werden, um betriebliches Nachhaltigkeitsmanagement in den Unternehmen anzuregen und zu fördern.“
Wer die Langfassung liest, merkt, dass die Erwartungen der Unternehmen deutlich komplexer sind, als es in den oben aufgeführten Punkten komprimiert werden kann.
Bildung: einfach geschwänzt
Was nicht nur auf dem Feld der Energiewende sichtbar wird, sondern noch viel stärker auf dem Gebiet der Bildung. Im Grunde fordern die IHKs nicht nur ein längeres gemeinsames Lernen bis zur 7. Klassen, sondern ein „qualitativ hochwertiges Ganztagsschulsystem“.
Es ist schon erstaunlich, dass die regierende CDU gerade bei diesem Punkt mauert, obwohl die Ergebnisse desaströs sind: die Schulabbrecherquoten sind zu hoch und viele Schulabgänger haben nicht mal eine Ahnung, was es an möglichen Berufen in ihrer Region überhaupt gibt.
„Für den Ausbau der sächsischen Ganztagsschulen sind unbedingt weitere Initiativen zu erstellen und umzusetzen. Schulen als Lernort und gleichzeitig als Zentren für soziale Interaktion und Freizeitaktivitäten fördern das Lernen intensiver und haben somit signifikanten positiven Einfluss auf die schulischen Leistungen ihrer Schüler“, heißt es im Papier der IHK. Die Regierung hätte also sofort Rückenwind bekommen, wenn sie diese echte Schulreform 2014 angepackt hätte.
Das Ergebnis aber ist belämmert: „Es sind keine gezielten Initiativen erkennbar.“
Logisch, dass die Forderung nach einem Schulfach „Wirtschaft“ wieder betont wird, nachdem man der sächsischen Schule eine mangelnde Berufsorientierung attestiert.
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