Nicht nur Wirtschaftsminister Martin Dulig (SPD) glaubt seit der Veröffentlichung des Revierkonzepts der LEAG für die Lausitz am Donnerstag, 30. März, dass es jetzt Planungssicherheit für die Lausitz gibt. Auch Thomas Baum, wirtschafts- und strukturpolitischer Sprecher der SPD-Fraktion im Sächsischen Landtag, glaubt das.
„Das neue Revierkonzept gibt den Menschen in der Lausitz endlich Planungssicherheit für die nächsten 25 bis 30 Jahre“, meinte er am Freitag, 31. März. „Die betroffenen Umsiedler in unserer Region, die zu lange in Ungewissheit lebten und quasi auf gepackten Koffern saßen, haben jetzt Gewissheit. Für mich ist das eine verantwortungsvolle Entscheidung unter schwierigen politischen Rahmenbedingungen und den gegenwärtigen Problemen auf dem Strommarkt. Das verdeutlicht einmal mehr, in welchem Maß bundespolitische Entscheidungen direkten Einfluss auf das Leben der Menschen in der Lausitz nehmen. Wir brauchen wieder Verlässlichkeit in der bundespolitischen Energiepolitik“, erklärt der Lausitzer Abgeordnete und Sprecher für Wirtschafts- und Strukturpolitik der SPD-Landtagsfraktion.
„Ich bin davon überzeugt, dass die Stromversorgung mit Hilfe der Braunkohle zuverlässig und preisgünstig gewährleistet werden kann. Die Kohle hat ihren Platz im Energiemix für eine erfolgreiche Umsetzung der Energiewende, auch um den Erneuerbaren Energien den Entwicklungshorizont zu geben, den sie brauchen. Es gilt für die LEAG nun umgehend mit den betroffenen Menschen und Kommunen in der Lausitz ins Gespräch zu kommen, auch um den 2015 zum Teil gerissenen Gesprächsfaden wieder aufzunehmen.“
Linke fordert die Anweisung von Sicherheitsleistungen für die Tagebaue in der Lausitz
Tatsächlich könnte dem Bergbau in der Lausitz ein chaotisches Ende drohen, stellt hingegen Dr. Jana Pinka, Landtagsabgeordnete der Linken fest.
„Wir wollen Planungssicherheit für die betroffene Einwohnerschaft und die Bergleute. Die Lausitz braucht einen geordneten Strukturwandel. Die Entscheidung der LEAG könnte dafür eine Grundlage sein – doch ohne massiven Druck der Politik droht ein Strukturabbruch“, sagt sie. Denn was die Lausitzer Energie Bergbau AG (LEAG) als „Revierkonzept“ veröffentlicht hat, ist bestenfalls eine Absichtserklärung. Wirklich klare Zusagen gibt es nur bis 2020.
„Natürlich freuen wir uns mit den Menschen in Mulkwitz, Rohne und Schleife-Süd, die ihre Heimat nicht aufgeben müssen. Dies entspricht unserer Forderung nach einer sozial-ökologischen Energiepolitik. Zugleich ist für uns klar, dass der Strukturwandel hin zu neuen gut bezahlten Arbeitsplätzen Zeit braucht – das lehrt die Erfahrung aus dem Ruhrgebiet“, betont Pinka. Aber von einem solchen Ausstiegsszenario war weder bei der LEAG noch im Wirtschaftsministerium die Rede.
„Das Lausitzer Braunkohlerevier braucht ein treppenförmiges Szenario, bei dem dargestellt wird, welcher Kraftwerksblock wie lange noch laufen wird. Erst das verschafft endgültige Planungssicherheit. Wir erwarten, dass insbesondere auch Ministerpräsident Tillich und Wirtschaftsminister Dulig dafür sorgen, dass der LEAG verbindliche Sicherheitsleistungen auferlegt werden, die einem ungeordneten vorfristigen Ausstieg nach dem Motto ‚Nach mir die Sintflut‘ vorbeugen. Dem soll ein entsprechender Antrag der Linksfraktion dienen, der auf der Tagesordnung der nächsten Landtags-Sitzungen steht.“
Und wie schätzt Pinka die Ankündigung der LEAG selbst ein?
„Mit seiner gestrigen Entscheidung schlägt das Unternehmen gleich mehrere Fliegen mit einer Klappe. Es spart sich Umsiedlungskosten, erscheint sympathisch und kann theoretisch dennoch weit mehr Kohle gewinnen, als es für den Betrieb der Kraftwerke eigentlich braucht. Und: Es gewinnt Zeit, denn durch die Planänderung bei Nochten II wird ein komplett neues Planverfahren erforderlich. Dies würde bei aller Anstrengung vermutlich länger als bis 2020 dauern“, stellt Pinka fest. Und sieht ganz und gar nicht, dass es 2020 einfach so weitergeht.
„Dem halben Rückzug darf nicht 2020 der vollständige Ausstieg folgen – denn nur bis dahin gelten die laufenden Tarifverträge. Die LEAG pokert hoch, und der Freistaat muss seine Bürgerinnen und Bürger schützen. Deshalb muss jetzt das Ministerium das Oberbergamt sofort anweisen, Sicherheitsleistungen einzufordern – damit im Falle des Falles der Freistaat nicht allein dasteht. Das Geheimgutachten des Rechnungshofes weist jedenfalls in diese Richtung. Und dringend muss der Strukturwandel in der Region unterstützt werden.“
Grüne fordern ein Ende der Tagebauerweiterungen in der Lausitz
Einige geplante Tagebauerweiterungen und Devastierungen von Dörfern in der Lausitz hat die LEAG am Donnerstag offiziell zurückgenommen. Nicht wirklich aus Großmut: Es rechnet sich einfach nicht mehr.
Aber damit sind mögliche Abbaggerungen von Dörfern in der Lausitz nicht vom Tisch, kritisiert Dr. Gerd Lippold, energiepolitischer Sprecher der Grünen-Fraktion im Landtag.
„Es ist eine gute Nachricht, dass in Sachsen fast 1.500 Menschen ihre Heimat nicht verlieren und auch sorbische Geschichte erhalten bleibt. Doch auch die noch verbleibenden Umsiedlungen sind unnötig – so wie die 145 Millionen Tonnen Braunkohle im Teilfeld Mühlrose, die im Boden bleiben müssen. Denen, die jahrelang mit ihrer Umsiedlung rechnen mussten und jetzt bleiben dürfen, muss jetzt geholfen werden, wieder zukunftsfähige Infrastruktur und Sozialgefüge in ihren Orten zu entwickeln“, sagt er zu diesem als „Revierkonzept“ verkauften Eingeständnis, dass es mit der Kohle in der Lausitz ganz bestimmt nicht so weitergeht wie bisher.
Tatsächlich hat die LEAG nur festgestellt, was selbst aus Sicht eines knallharten Investors keinen Sinn mehr macht. Ob nach 2020 überhaupt noch neue Abbaufelder geöffnet werden müssen, steht überhaupt nicht fest. Man pokert lieber noch.
„Das Vorantreiben von Genehmigungsverfahren für die Tagebauerweiterung bedeutet hingegen Unsicherheit bei den weiter von der Umsiedlung betroffenen Menschen, insbesondere bei Bleibewilligen. Diese bleibt jahrelang durch alle Genehmigungsstufen und Gerichtsinstanzen weiter bestehen, wenn nicht zuvor ein verbindlicher Energiekonsens auf Bundesebene einen Schlussstrich zieht“, setzt Lippold seine Hoffnung auf Bundesbeschlüsse, die tatsächlich einmal ein klares Ausstiegsverfahren für die Kohle definieren.
„Tagebauverkleinerungen und nicht -erweiterungen sind das Gebot der Stunde! Meine Forderung an die Staatsregierung ist deshalb: Neue Genehmigungen für Tagebauerweiterungen dürfen nicht erteilt werden. Sie haben keine Realisierungschance und lösen höchstens Entschädigungsansprüche aus.“
So viel Kohle braucht niemand mehr
Trotzdem sei der neue Lausitzplan ein Schritt vorwärts und eine deutliche Differenz zu den Kohleträumen der sächsischen Staatsregierung und der CDU-Fraktion im Sächsischen Landtag. Die träumen teilweise sogar noch von einer florierenden Kohlewirtschaft bis zum Jahr 2050. Was sich weder mit den Klimaschutzzielen der Bundesregierung vereinbaren lässt noch mit dem so gern ignorierten Markt. Auf den die LEAG, da ist sich Lippold sicher, ganz bestimmt Rücksicht nehmen wird.
„Von einem Unternehmen, das ökonomisch denken muss, ist realitätsbezogene Planung auch zu erwarten“, sagt er. Und er erwartet ein ganz anderes Szenario als der optimistisch gestimmte sächsische Wirtschaftsminister.
„Wir werden in den nächsten Jahren weitere Plananpassungen mit Fördermengenreduzierungen erleben – in Annäherung an die tatsächlichen Realitäten des Pariser Klimaabkommens und des nationalen Klimaschutzplans“, beschreibt Lippold das wohl realistischere Revierkonzept für die Lausitz. „Denn die Pläne der LEAG enthalten alleine noch immer mehr Braunkohle, als insgesamt in Deutschland bis zum Jahr 2050 noch verbrannt werden darf, um das CO2-Budget des nationalen Stromsektors für das ‚Unter-2-Grad-Ziel‘ einzuhalten. Dazu hat sich die Bundesrepublik völkerrechtlich verbindlich verpflichtet.“
Und dann rechnet er vor: „Die von heute bis in alle Ewigkeit in Deutschland noch verbrennbare Braunkohlemenge liegt in diesem ‚Unter-2-Grad-Budget‘ bei rund 1 Milliarde Tonnen. Allein im neuen Lausitzplan warten aber noch über 1 Milliarde Tonnen auf ihren Einsatz in den Lausitzer Großkraftwerken. Im Rheinland und in Mitteldeutschland sind noch fast 2 Milliarden Tonnen in den Rahmenbetriebsplänen für den Abbau vorgesehen und genehmigt. Ein großer Teil der bereits genehmigten Braunkohle wird deshalb liegen bleiben“, ist er sich sicher. „Dennoch planen die Tochterfirmen der tschechischen EPH in der Lausitz und in Mitteldeutschland noch immer Tagebauerweiterungen und Umsiedlungen.“
Das heißt eigentlich für die Lausitz, dass nicht mal mehr die Hälfte der schon genehmigten Braunkohlemenge noch gebraucht wird. Alle Antragspläne für neue Felder sind bestenfalls eine Beruhigungspille für Gewerkschaft und Politik. Sie machen schlicht keinen Sinn mehr.
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