Beim Braunkohletagebau verhält sich Sachsens Regierung genauso wie beim Fluglärm in Leipzig: Bei beharrlichen Nachfragen aus dem Landtag taucht sie einfach ab, stellt sich taub und beantwortet Fragen zum Eigentlichen nicht. Wie zum Beispiel alle Fragen zu den Sicherheitsleistungen der Tagebaubetreiber. Denn wenn der Kohlebergbau endet, beginnt die teure Renaturierung. Aber: Wer bezahlt die?
Bei allen Anfragen zum Thema tat Sachsens Staatsregierung so, als ginge sie das nichts an, als würden sich die Tagebaubetreiber LEAG und Mibrag schon um die nötigen Rückstellungen sorgen und am Tag, an dem die Bagger ihre Arbeit einstellen, würde einfach genug Geld irgendwo herumliegen, damit man die geschundene Landschaft wieder reparieren kann.
Doch bis heute hat die Staatsregierung nicht mal eine Vorstellung davon, welche Dimension diese Folgekosten eigentlich haben werden. Und Sicherheiten, dass das Geld dann tatsächlich zur Verfügung steht, will sie sich partout nicht geben lassen.
Was jetzt für die Linksfraktion im Sächsischen Landtag Anlass war, einen Antrag „Transparenz bei der Beurteilung der Risiken für den Freistaat Sachsen aus fehlenden Sicherheitsleistungen im Braunkohlebergbau“ einzureichen.
“Während für Windkraftanlagen im Verlaufe eines Jahrzehnts in Sachsen knapp 17 Millionen Euro Sicherheitsleistungen verlangt wurden, sind mutmaßliche Milliarden-Risiken infolge der Hinterlassenschaften des Braunkohletagebaus in der Zukunft nach wie vor nicht abgesichert. Das ist eine unermessliche Hypothek für die öffentliche Hand und damit alle Steuerzahler*innen”, stellt Dr. Jana Pinka, Sprecherin für Umweltpolitik und Ressourcenwirtschaft der Linksfraktion, fest. “Bisher verweigert die Staatsregierung jegliche Transparenz über die vom Braunkohletagebau-Betreiber getätigte Vorsorge und Konzeption zur Bewältigung der Folgelasten der Tagebaue. Ein Gutachten des Rechnungshofes zur Problematik unterliegt strenger Geheimhaltung. Ich habe inzwischen bei Oberberghauptmann Prof. Dr. Bernhard Cramer Antrag auf Akteneinsicht nach dem Sächsischen Umweltinformationsgesetz gestellt, um Einsicht in entsprechende Unterlagen zu erhalten.”
Bezahlen müssen es am Ende die Bürger, wenn tatsächlich keine Rücklagen (mehr) vorhanden sein sollten. Und der Vergleich mit den Braunkohlesanierungen der alten DDR-Tagebaue macht deutlich, dass es um mehr als die über eine Milliarde Euro geht, die Vattenfall mal als Rücklage für die Lausitzer Tagebaue gebildet hatte. Ob die noch da sind, weiß kein Mensch. Vielleicht wissen es die sächsischen Behörden. Das kann Jana Pinka nur vermuten.
“Mit unserem Antrag verlangen wir von der Staatsregierung ein Risikogutachten, um unter anderem Umfang, Brisanz und Eintrittswahrscheinlichkeit von möglichen Folgen der Nichterfüllung der dem Bergbautreibenden obliegenden Pflichten abschätzen zu können. Dies soll bis Ende des 3. Quartals dem Landtag vorgelegt werden”, sagt sie. Dann stünde – wenn die Staatsregierung nicht wieder jede Auskunft verweigert – endlich eine Zahl im Raum. Und die wird ganz bestimmt nicht geringer als 2 Milliarden Euro sein.
“Daraus sollen Staatsregierung und nachgeordnete Behörden, insbesondere Oberbergamt, konkrete Schlussfolgerungen für eigene Maßnahmen ziehen und dem Landtag mitteilen. Dies zielt vor allem auf die Erhebung der aus unserer Sicht notwendigen Sicherheitsleistungen ab”, so Pinka, die zutiefst besorgt ist über das Schweigen der Landesregierung. Denn andere Institutionen haben sich den Investor EPH, der hinter der neuen Lausitzer Bergbaugesellschaft LEAG steht, längst etwas genauer angeschaut.
“Nicht nur das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) und Greenpeace sind aufgrund eigener Untersuchungen der Auffassung, dass der neue Bergbautreibende in der Lausitz alles andere als verlässlich ist. Das Gleiche gilt für die Rahmenbedingungen für Braunkohletagebau und -verstromung”, betont Jana Pinka. “Deshalb kommt unter anderem das DIW zu der Empfehlung an die Politik, die anfallenden Kosten zu schätzen. Im ‘Schwarzbuch EPH – Bilanz nach 100 Tagen LEAG (ein Update)’ von Greenpeace wird der Verdacht geäußert, die 1,7 Milliarden Euro Barmittel für Rekultivierung von Vattenfall seien inzwischen an die Gesellschafter der EPH ausgezahlt worden und damit für die LEAG verschwunden. Das sächsische Wirtschaftsministerium hält es für nicht erforderlich, hier nachzuforschen. So kann verantwortlicher Strukturwandel in den Bergbaurevieren nicht funktionieren.”
Womit sie ein Wort in den Mund nimmt, das die sächsische Regierung bislang mied wie der Teufel das Weihwasser. Augenscheinlich in der irrigen Annahme, wenn man nur einen Bergbaubetreiber gewähren lässt in der Lausitz, dann müsse man auch nicht über den fälligen Strukturwandel nachdenken.
Doch der hat bereits begonnen. Die Stilllegung der ersten Meiler ist längst geplant. Und eine Sicherheit über das Jahr 2020 hinaus hat die LEAG nicht abgegeben. Wie lange die Kohlekraftwerke in der Lausitz noch laufen, hängt nicht vom Erwartungsdruck der sächsischen Regierung ab, sondern von den Strompreisen an den Börsen und der Zahl, die am Jahresende unter der Bilanz steht.
Sicherheitsleistungen für Windkraftanlagen. Antwort auf Kleine Anfrage Parlaments-Drucksache 6/8821
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