„Forscher sehen Trump als Gefahr für deutsches Wachstum“, titelte der „Spiegel“ gleich mal, als die Wirtschaftsforschungsinstitute am Mittwoch, 12. April, ihr Frühjahrsgutachten vorlegten. Zu den Prozentzahlen, die sie da jedes Mal ausrechnen, erzählen sie in der Regel auch, wo sie mögliche Gefahren für die Konjunktur sehen.
Eine Gefahr heißt natürlich Donald Trump. Wenn er wirklich alles wahr macht, was er in vollmundigen Reden immer so angekündigt hat, dann trifft das übrigens nicht nur die deutsche Exportwirtschaft, sondern die gesamte Weltwirtschaft. Dann geht der Präsident wie ein Holzhacker in den Markt und zerstört viele Handelsbeziehungen, die ganz und gar nicht so einfach sind, wie es der Immobilien-Tycoon immer wieder behauptet.
Denn ein sehr großer Teil der internationalen Warenströme sind keine Fertigprodukte, sondern elektronisch aufs Engste vertaktete Lieferbeziehungen zwischen Rohstofflieferanten, Halbfabrikateherstellern, Zulieferern und Endproduzenten. Kaum ein modernes technisches Gerät wird noch in einem einzigen Land komplett hergestellt. Auf fast jedem Bauteil steht ein anderes „Made in …“. Und gerade die westlichen Industrienationen (auch die USA) sind in vielen Fällen nur noch ein Teil einer internationalen Logistik, bei der riesige Teile der Produktion in Asien stehen, Management und Entwicklung aber im Heimatland abgewickelt werden (na ja, und die vermiedenen Steuern landen dann auf den Bahamas oder in Panama, aber das scheint Donald Trump ja nicht zu interessieren).
Ist die Frage: Würde ein von Trump straff durchgezogener Protektionismus vor allem deutschen Exporteuren schaden?
Das Institut für Wirtschaftsforschung (IWH) in Halle hat sich diesbezüglich eher zurückhaltend geäußert: „Die Unsicherheit über die wirtschaftspolitischen Rahmenbedingungen ist erheblich. So sind die Vorhaben der neuen US-Regierung und ihre Wirkung auf die Weltwirtschaft unklar. Zum einen könnte der finanzpolitische Impuls in den USA deutlich größer ausfallen als in der Prognose unterstellt. Zum anderen verfolgt die US-Regierung eine protektionistische Agenda, deren Umsetzung negativ auf Welthandel und Weltproduktion wirken würde. Auch in Europa sind die politischen Entwicklungen und ihre Auswirkungen schwer einzuschätzen, so etwa der Gang der Verhandlungen über den Brexit.“
Man weiß einfach nicht, was Trump wirklich bewerkstelligen wird. Es ist sogar möglich, dass die Zinspolitik der amerikanischen Notenbank viel weitreichendere Folgen hat.
Das IWH legt aber nicht nur Zahlen für die Bundesrepublik vor, sondern versucht auch, die Entwicklung für den Osten in Zahlen zu fassen.
Für das Jahr 2017 prognostiziert das Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung Halle (IWH) einen Anstieg des ostdeutschen Bruttoinlandsprodukts mit Berlin um 1,7 % (die Gemeinschaftsdiagnose für Deutschland insgesamt hatte ein Plus von 1,5 % beinhaltet).
Maßgeblicher Treiber sei auch im Osten – wie in Deutschland insgesamt – die Binnennachfrage. Insbesondere profitiere die Wirtschaft von der hohen Dynamik vor allem in den Bundesländern Berlin und Sachsen. Die Produktion pro Einwohner dürfte in diesem Jahr im Osten wohl erneut etwas schneller als im Westen steigen; somit setze sich die Tendenz kleiner Fortschritte bei der ökonomischen Konvergenz fort.
Die ostdeutsche Wirtschaft (einschließlich Berlin) expandierte schon im Jahr 2016 um 2,1%, und damit um zwei Zehntel kräftiger als der Westteil der Republik. Insbesondere Berlin profitierte bereits seit mehreren Jahren von höheren Nachfrageimpulsen der privaten und öffentlichen Haushalte nach konsumtiven und unternehmensbezogenen Dienstleistungen sowie nach Wohnimmobilien und Infrastrukturbauten, interpretiert das das IWH.
Aber das allein treibt die Entwicklung in den beiden Wirtschaftsschwerpunkten des Ostens nicht voran.
„Im Jahr 2017 dürfte die ostdeutsche Wirtschaft ihren moderaten Anstieg fortsetzen. Zu Jahresbeginn haben die Umsätze des Verarbeitenden Gewerbes wie auch in Deutschland insgesamt zugenommen, und die Auftragseingänge sind auf breiter Basis aufwärtsgerichtet“, so Oliver Holtemöller, Leiter der Abteilung Makroökonomik und stellvertretender Präsident des IWH.
Denn auch die vom IWH befragten Industriebetriebe schätzen ihre Geschäftsaussichten positiv ein. Laut Konjunkturberichten der Fachverbände gehen sowohl die für die ostdeutsche Wirtschaft wichtigen Chemiebetriebe als auch die Maschinen- und Anlagenbauer von einem Aufwärtstrend aus. Im Baugewerbe ist der Optimismus laut IWH-Konjunkturumfrage ungebrochen.
Auch im späteren Verlauf des Jahres 2017 würden die konsumnahen Branchen des Produzierenden Gewerbes und des Dienstleistungsbereichs die entscheidenden Impulsgeber bleiben. Zugleich erhole sich die Weltkonjunktur, so dass die Exporte, aber auch die Vorleistungslieferungen der ostdeutschen Unternehmen an westdeutsche Endproduzenten von Exportgütern dann wieder etwas an Fahrt gewinnen.
Das Baugewerbe profitiert ähnlich wie in Deutschland von den insgesamt guten Rahmenbedingungen und der steigenden Nachfrage in Ballungszentren wie Berlin, Leipzig, Dresden und anderen Universitätsstädten. Zudem gehen Impulse von öffentlichen Infrastrukturinvestitionen aus, so das IWH. Zwar werden Nachfrage und Produktion in den ostdeutschen Flächenländern nach wie vor durch eine schwächere demographische Entwicklung als in Deutschland gedämpft, der Bevölkerungszuwachs in Berlin und die sich dort fortsetzende gute Konjunktur im Dienstleistungsbereich würden sie aber wohl weitgehend ausgleichen.
Während die ostdeutschen Flächenländer im Jahr 2017 mit 1,5 % wohl in etwa so stark expandieren wie die westdeutschen, dürfte die ostdeutsche Wirtschaft (einschließlich Berlin) erneut um zwei Zehntel stärker zulegen als Deutschland insgesamt. Der schwächere Zuwachs der Produktion gegenüber dem Jahr 2016 resultiert – wie in Deutschland – vor allem aus der geringeren Anzahl von Arbeitstagen.
„Der Aufholprozess Ostdeutschlands beim Bruttoinlandsprodukt je Einwohner setzt sich bei etwas geringerer Bevölkerungsentwicklung als in Westdeutschland in kleinen Schritten fort“, resümiert Holtemöller.
Im Verlauf des Jahres 2017 werde auch die Beschäftigung weiter zunehmen. Auch die registrierte Arbeitslosigkeit nehme weiter ab; sie dürfte im Jahresdurchschnitt 650.000 betragen. Die – auf die Erwerbspersonen bezogene – Arbeitslosenquote dürfte im Jahr 2017 etwa 7,6 % betragen (2016: 8,4 %).
Die Grafik zum BIP-Wachstum im Osten aber zeigt noch etwas deutlicher: Das Wachstum konzentriert sich auf die großen Städte. Deswegen hat es einen deutlich sichtbaren Effekt, wenn man Berlin mit einrechnet. Was man natürlich immer tun sollte. Aber der Vergleich macht deutlich, wie sehr Berlin als Metropolkern funktioniert. Genauso starke Effekte bekäme man, wenn man Sachsen mit den beiden Wachstumskernen Dresden und Leipzig heraus- bzw. wieder hereinrechnen würde. Ein großer Teil des Wachstumsimpulses geht (übrigens auch im Westen) von dieser neuen, zentralen Rolle der großen Städte aus. Das ist nicht nur Konsumtion, wie das IWH suggeriert, sondern auch eine strukturelle Anpassung ganzer Regionen an etwas, das mit Begriffen wie Digitalisierung oder gar Industrie 4.0 nur sehr vage erfasst wird.
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