Einen Plan, wie es mit der Kohle in der Lausitz weitergehen soll, konnte Sachsens Staatsregierung auch am Dienstag, 4. April, nicht vorweisen. Zu den Aussagen von Staatskanzleichef Dr. Fritz Jaeckel (CDU) in der Kabinettspressekonferenz zur weiteren Strategie der Staatsregierung nach der Entscheidung der Lausitz Energie Kraftwerke AG (LEAG) zum Revierkonzept für die Lausitz kann Dr. Gerd Lippold, energiepolitischer Sprecher der Grünen-Fraktion, nur die Stirn runzeln.

„Mit einem Konzept für die Strukturentwicklung in der Region haben die heute vorgestellten Ansätze des Staatskanzleichefs überhaupt nichts zu tun. Offenbar geht es der Staatsregierung lediglich um Schadensbegrenzung angesichts verschleppter Entscheidungen. Die Staatsregierung hat wertvolle Zeit verloren, in denen sie die Entwicklung für die Zeit nach der Kohle in den Gemeinden hätte voranbringen können“, erklärte er gleich im Anschluss am Dienstag. Der kleine Hoffnungsfunken, dass jetzt irgendetwas geregelt wird: „Dass die Bürgermeister der betroffenen Orte jetzt mit einem Abteilungsleiter aus der Staatskanzlei einen einheitlichen Ansprechpartner der Staatsregierung erhalten, ist gut. Den haben sie seit Jahren vermisst.“

Eine ganze Reihe von Dörfern, die bislang zum Abbaggern vorgesehen waren, hat die LEAG ganz offiziell aus der Schusslinie genommen. Die Kohlefelder unter diesen Dörfern werden auch bei längerfristigem Betrieb der Tagebaue nicht mehr erreicht.

Einzige Ausnahme: das Dorf Mühlrose in der Gemeinde Trebendorf.

„Die geplante Tagebauerweiterung zuungunsten von Mühlrose ist ohne Realisierungschance. Deshalb darf bei diesem Ortsteil nicht der gleiche Fehler gemacht werden, ab sofort nicht mehr in die Zukunft zu schauen“, kritisiert Lippold.

Die LEAG hatte für das Dorf in irgendeiner noch vagen Zukunft die Ankunft der Bagger angedeutet. Irgendwann um das Jahr 2030, wenn der Kohlebergbau im Tagebau Jänschwalde schon lange beendet ist.

„In Nochten soll anschließend an das Abbaugebiet 1 das Sonderfeld Mühlrose als Teil des Abbaugebietes 2 mit einer Kohlereserve von rund 150 Millionen Tonnen gewonnen werden, um langfristig eine bedarfsgerechte Versorgung des Kraftwerks Boxberg zu sichern“, hatte die LEAG gemeldet. „Für die Gewinnung des Sonderfelds Mühlrose wird die Umsiedlung von etwa 200 Einwohnern des Trebendorfer Ortsteiles notwendig, mit denen das Unternehmen zeitnah Gespräche aufnehmen wird.“

Das ist also ganz ähnlich wie beim Dorf Pödelwitz im Leipziger Südraum. Ob die Kohlereserven unter dem Dorf wirklich gebraucht werden, ist mehr als unsicher. Aber vorsorglich die Landschaft freiräumen, das scheint ein brennendes Ziel der Tagebaubetreiber zu sein. Obwohl allein die Klimaziele der Bundesrepublik ein systematisches Abschalten der Kohlekraftwerke auch in der Lausitz bedingen. Das Kraftwerk Jänschwalde werde nur ungefähr bis ins Jahr 2030 betrieben, hatte die LEAG schon  angekündigt. In Boxberg geht der erste Block auch schon vor 2020 vom Netz. Allein das bedeutet schon einen deutlichen Rückgang des Kohlebedarfs.

Nur glänzt die sächsische Staatsregierung bei der Gestaltung des Strukturwandels in der Lausitz durch Abwesenheit, kritisiert Gerd Lippold.

„Eigene Schlussfolgerungen aus ihrer gescheiterten Energiepolitik zieht die Staatsregierung aus der Entscheidung der LEAG offenbar nicht. Jedenfalls verlor der Staatskanzleichef dazu kein Wort. Wirtschaftsminister Martin Dulig (SPD) spielt im gesamten Verfahren überhaupt keine Rolle“, stellt er verblüfft fest. Augenscheinlich ist der Kohlebergbau zum Aufgabengebiet des Ministerpräsidenten geworden. Doch der zeigt keinerlei Aktivität, für die Zeit nach der Kohle rechtzeitig vorsorgen zu wollen.

„In den nächsten Jahren wird es weitere Plananpassungen mit Abbaufeldverkleinerungen geben“, ist sich Lippold sicher. „Denn der neue Revierplan der LEAG enthält allein noch immer mehr Braunkohle, als insgesamt in Deutschland bis zum Jahr 2050 noch verbrannt werden darf, um das CO2-Budget des nationalen Stromsektors für das ‚Unter-2-Grad-Ziel‘ einzuhalten. Dazu jedoch hat sich die Bundesrepublik völkerrechtlich verbindlich verpflichtet.“

Die Forderung an die Staatsregierung läge deshalb auf der Hand, sagt er: „Weitere Genehmigungen für Tagebauerweiterungen dürfen nicht mehr erteilt werden. Sie sind unnötig und lösen höchstens Entschädigungsansprüche aus. Die Unterstützung, die jetzt in die Regionen fließen muss, soll aber in den Kommunen und bei den Menschen ankommen. Dort ist niemandem geholfen, wenn sich tschechische Milliardäre den Ausstieg durch Überweisungen in Steuerparadiese versüßen lassen.“

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