Es ist schon erstaunlich, was die CDU-Fraktionen aus den Landtagen von Brandenburg und Sachsen am Dienstag, 7. März, zu melden hatten. Der Vorstand der CDU-Fraktion Brandenburg traf sich gemeinsam mit dem geschäftsführenden Vorstand der CDU-Fraktion im Sächsischen Landtag sowie dem Sächsischen Ministerpräsidenten Stanislaw Tillich, dem Vorstandsvorsitzenden Lausitz Energie Bergbau AG und Lausitz Energie Kraftwerke AG (LEG), Dr. Helmar Rendez, und weiteren Vertretern der LEAG und des Betriebsrates, zu einem Gespräch über die Zukunft der Lausitz.

Was schon erstaunlich viel Bewegung ist für die Union. Denn bislang wich sie den Forderungen der Grünen und Linken nach einer Strukturwandelpolitik in der Lausitz immer gern aus. Man setzte öffentlich auf Kohle und auf die Hoffnung, dass die Kohleverstromung mindestens bis 2040 noch Geld in die Region spülen wird.

Die Warnungen der Opposition, dass genau das nicht zu erwarten ist, tat man dann gern als ideologisches Seitenfeuer ab.

So recht trennen will man sich von der Interpretation nicht, auch wenn es auf beiden Seiten sichtlich nicht um Ideologie geht, sondern um die nüchterne Einschätzung, wie lange Kohle in der Lausitz noch funktioniert und wann der Strukturwandel beginnen muss.

Auch das steckt hinter der hübschen kleinen Verlautbarung der beiden CDU-Landtagsfraktionen: „Seit mehr als 100 Jahren bilden der Braunkohlebergbau und die Energieerzeugung das industrielle Fundament der Lausitzer Wirtschaft. Die Braunkohle ist auch heute noch Anker der Region und ein Garant für Versorgungssicherheit und ein hohes Maß an Wertschöpfung. Durch die Energiewende getrieben steht die Lausitz vor großen Herausforderungen. Eine moderne, funktionierende Infrastruktur – seien es Straßen- und Schienennetz oder Telekommunikations- und Breitbandversorgung – ist für die Zukunftsgestaltung unverzichtbar.“

Stimmt. Nur hätte man sich schon ein wenig länger Gedanken darüber machen können. Denn die Nachrichten, dass der vormalig hier aktive Energieversorger Vattenfall mit der Kohle kein Geld mehr verdient hat, sind schon zwei Jahre alt. Zwei Jahre, in denen Sachsens CDU ungefähr so argumentiert hat wie der CDU-Fraktionsvorsitzende im Sächsischen Landtag, Frank Kupfer: „Sachsen hat die Energiewende nie durch die ideologische Brille betrachtet. Der Wandel hin zu den sogenannten Erneuerbaren Energien muss immer die Menschen, die Bezahlbarkeit und die Versorgungssicherheit im Blick behalten. Die Braunkohle wird gebraucht, so lange Wind- und Sonnenergie nicht grundlastfähig gespeichert werden können.“

Nach Kupfers Auffassung brauchten die Menschen in der Lausitz für die kommenden Jahrzehnte eine verlässliche Perspektive für ihr Leben und für ihre Arbeitsplätze.

„Ziel muss es sein, zuerst den Strukturwandel voranzubringen und danach über einen Ausstieg aus der Braunkohle zu entscheiden. Wenn uns dies – in Verbindung mit den bestehenden Chancen durch Digitalisierung und länderübergreifende Kooperation – gelingt, kann die Lausitz so zum echten Vorbild für vom Strukturwandel betroffene Regionen in Deutschland und Europa werden!“, benannte er etwas, was als Forderung der Opposition nun schon länger auf dem Tisch liegt.

Der Strukturwandel muss jetzt begonnen und vor allem auch finanziert werden, egal, was aus der Braunkohle wird. Denn darüber, wie lange Tagebaue und Kraftwerksblöcke in Betrieb bleiben, haben beide Landesregierungen kein Wörtchen mitzureden. Sie sind außen vor und können nur beten, dass die Abschaltungen nicht über Nacht passieren und beide Länder darauf vorbereitet sind.

Deswegen sind auch die heroischen Worte zur Braunkohle nur schöne Sonntagsrede. Kein Politiker in Sachsen oder Brandenburg hat den mindesten Einfluss darauf, wie lange die LEAG den Laden am Laufen hält.

Auch der Vorsitzende der CDU-Fraktion im Landtag Brandenburg, Ingo Senftleben, verbreitete nach dem Gespräch noch den üblichen Zweckoptimismus, auch wenn er genauso deutlich machte, dass beide Fraktionen so felsenfest nicht mehr an eine lange Kohlezukunft glauben: „Wir stehen zur Braunkohle als festem Bestandteil eines stabilen und bezahlbaren Energiemixes. Doch auch wenn die Braunkohleverstromung erst in Jahrzehnten verzichtbar werden wird, muss die begonnene Strukturentwicklung in der Region gemeinsam mit unseren Kommunen konsequent vorangetrieben werden. Um gute Arbeitsplätze in der Region dauerhaft zu haben, muss die Ansiedlung zukunftsfähiger Industrie stärker gefördert werden. Wir brauchen eine industriepolitische Strategie und wir brauchen sie jetzt! Die Menschen in der Lausitz brauchen dabei die Unterstützung von Bund und Land.“

Im gemeinsamen Positionspapier werden beide Fraktionen dann sehr deutlich: „Die Energiewirtschaft muss sich neu orientieren und die industriellen Zulieferer und Dienstleister müssen neue Geschäftsfelder jenseits des Bergbaus erschließen, um die wegfallende Wertschöpfung zu ersetzen, mehrere tausend hoch qualifizierte und gut bezahlte Arbeitsplätze zu kompensieren und den hohen Lebensstandard der Menschen in der Region zu sichern.“

Nur, wer soll das bezahlen?

Die LEAG wird es nicht sein. Und an Landesmittel denkt erst mal keiner. „Um Strukturbrüche zu vermeiden und eine langfristig erfolgreiche Strukturentwicklung zu gestalten, bedarf es einer nachhaltigen finanziellen und strukturpolitischen Unterstützung der Bundesregierung. Durch die öffentliche Förderung von Investitionen und Unternehmensansiedlungen sollen zuvor neue Wertschöpfungsketten und Arbeitsplätze geschaffen und damit der Region konkrete Zukunftsperspektiven eröffnet werden.“

Das Positionspapier ist also ein Appell an die Bundesregierung, Gelder für den Strukturwandel in der Lausitz beizusteuern. Aber es benennt eben auch die Dringlichkeit der Veränderung. Erstmals so aus der Feder der CDU. Auch mit dem Appell an die Landesregierungen, in der Lausitz endlich zusammenzuarbeiten.

Ein erstaunlich großer Schritt für die Union, was die Lausitz betrifft.

Gemeinsame Erklärung der beiden CDU-Landtagsfraktionen „Zukunft der Lausitz“.

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