Ist das schnell oder ist das langsam, wie der Anteil der ökologischen Landwirtschaft in Sachsen wächst? Wenn man dem Landwirtschaftsministerium Glauben schenkt, ist der Zuwachs geradezu rasant. „In Sachsen hat der Öko-Landbau in diesem Jahr einen deutlichen Schub bekommen. Landwirte haben für 2016 entsprechende Prämien für eine Fläche von rund etwa 40.800 Hektar beantragt“, hatte das Landwirtschaftsministerium am 6. Dezember gemeldet.
Doch summarische Zahlen erzählen alles Mögliche. Auf den ersten Blick sieht es mächtig gewaltig aus, wenn das SMUL meldet: „Das entspricht einer Steigerung um fast 6.600 Hektar gegenüber 2015, also etwa um 20 Prozent.“
Was vielleicht auch daran liegt, dass Sachsen endlich die Prämien für Öko-Landwirte erhöht. Vorher waren sie schlicht für viele Bauern, die den Umstieg von konventioneller auf ökologische Landwirtschaft planten, nicht hoch genug, um das Risiko einzugehen. Denn ein Risiko ist es: Man braucht zwei Jahre Übergang, um seine Produkte auch entsprechend als Öko-Produkte verkaufen zu können. Und man muss die komplette Produktionsweise umstellen – auf Chemie und intensive Landbebauung verzichten zum Beispiel.
Aber was bedeuten nun die 40.800 Hektar?
Es ist nach wie vor ein Nischenbereich der Landwirtschaft. Denn landwirtschaftlich bearbeitet werden in Sachsen rund 914.000 Hektar. Das heißt, binnen fünf Jahren ist der Anteil des Ökolandbaus in Sachsen von eh schon mickrigen 3,5 Prozent nur auf 4,4 Prozent gestiegen. Von „rasant“ kann dabei keine Rede sein. Was auch daran liegt, dass vor allem kleine Betriebe den Schritt wagen, aber kein einziger Großbetrieb. Mit der Folge, dass nach wie vor industriell wirtschaftende Großbetriebe bestimmen, was in der sächsischen Landwirtschaft passiert – mit längst sichtbaren Folgen für Feld und Flur: Millionen Tonnen von Muttererde, die jährlich von ungeschützten Großfeldern gespült werden, Überdüngung der Felder und hoher Nitratbelastung in Fließgewässern, Teichen und Grundwasser, hohem Pestizideinsatz und einem dramatischen Artenverlust, weil schützende Raine, Hecken und Grüninseln aus der Landschaft getilgt wurden.
Dass jetzt augenscheinlich 69 landwirtschaftliche Betriebe auf Öko-Betrieb umstellen, habe seine Gründe in den Preisen für Biolebensmittel, vermutet das Landwirtschaftsministerium: „Seit mehreren Jahren wächst der Umsatz in der Biolebensmittelbranche in Deutschland stabil um jährlich fünf bis zehn Prozent. Die Zunahme an Öko-Fläche lag jedoch deutlich darunter. Diese wachsende Schere zwischen Bio-Nachfrage und -Angebot aus Deutschland wird zunehmend durch Importe gedeckt. Vor diesem Hintergrund ist auch in Zukunft mit einem relativ stabilen Preisniveau im Ökobereich zu rechnen. Dies führt nun auch bei immer mehr sächsischen Betrieben zur Entscheidung für den Öko-Landbau.“
Aber mehr als eine Vermutung ist es nicht, wie nun der landwirtschaftliche Sprecher der Grünen-Fraktion im Sächsischen Landtag, Wolfram Günther, erfuhr. Denn zu den Gründen der Neubeantragung kann ihm Landwirtschaftsminister Thomas Schmidt (CDU) nichts sagen. Er hat nur die blanken Zahlen, wer nun Antrag auf Förderung gestellt hat: „Entsprechend einer vorläufigen Auswertung der Daten der Agrarförderung für das Antragsjahr 2016 haben 69 Betriebe für 7.542 Hektar erstmalig einen Antrag auf Ökoprämie nach der RL OBL/2015 gestellt.“
Gleichzeitig haben andere Betriebe aber keinen neuen Antrag gestellt, haben die Ökolandwirtschaft also mutmaßlich wieder eingestellt. Thomas Schmidt: „Auf der Datenbasis des Öko-Kontrollsystems sind Angaben zu Betrieben, die im Jahr 2016 den Ökolandbau aufgegeben haben, derzeit nicht möglich, da für das Jahr 2016 diese Angaben der Staatsregierung entsprechend den Vorbemerkungen noch nicht vorliegen. Nach vorläufiger Auswertung der Daten der Agrarförderung für das Antragsjahr 2016 haben jedoch 26 Betriebe mit einer Fläche von 1.467 Hektar, die im Jahr 2015 einen Antrag auf Ökoprämie gestellt hatten, die Ökoprämie im Jahr 2016 nicht mehr beantragt.“
Solche Fehlstellen machen natürlich erst deutlich, wie wenige Informationen der Landwirtschaftsminister über die Öko-Landwirtschaft in Sachsen hat. Obwohl es eigentlich ein zentrales Projekt auf seiner Agenda sein müsste, denn wenn er die Landwirtschaft in Sachsen nachhaltig sichern will, dann muss der Anteil der ökologischen Landwirtschaft deutlich steigen – und zwar auf 10, 20, 30 Prozent. Idealerweise auf 100 Prozent, denn erst dann kann er auch all die Zielmarken im Umweltschutz erreichen, von denen er immer nur mit Bedauern berichtet, weil er sie nicht erreichen kann und nicht weiß, wie das gehen sollte.
Denn für die miserablen Umweltparameter in Sachsen ist in weiten Teilen die industrialisierte Landwirtschaft verantwortlich – für die hochbelasteten Gewässer genauso wie für Bodenverlust und Schwund der Artenvielfalt. Da sollte der zuständige Minister eigentlich auch wissen wollen, warum Bauern wieder aus der ökologischen Bewirtschaftung aussteigen. Aber das weiß Thomas Schmidt nicht: „Der Staatsregierung sind für den Ausstieg landwirtschaftlicher Betriebe aus dem Ökolandbau im Jahr 2016 keine Gründe bekannt.“
Auch so kann man formulieren, dass man den ökologischen Umbau der Landwirtschaft in Sachsen nicht ernst nimmt, eher als eine Randsportart betrachtet, in der sich ein paar Übermütige austoben, die man ansonsten nicht allzu ernst nimmt. Denn in den Agrarverbänden, mit denen man sonst am Tisch sitzt, haben die Großen das Sagen. Und die denken gar nicht daran, ihre Wirtschaftsweise wirklich umweltverträglich zu machen.
Festzuhalten bleibt: Der Zuwachs beim Öko-Landbau ist nicht rasant, sondern zwergenhaft. Und 4,4 Prozent Anteil an der sächsischen Flächenbewirtschaftung erzählen von allem Möglichen, nur nicht vom Durchbruch umweltschonenden Landbaus in Sachsen.
Die Anfrage von Wolfram Günther (Grüne) zur Ökologischen Landwirtschaft. Drs. 7639
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