Ein Zeichen einsetzender Vernunft ist es noch nicht unbedingt, wenn das Statistische Landesamt jetzt meldet: „Erneut weniger Rinder in Sachsen“. Obwohl es eine gute Nachricht wäre, wenn die Rinderbestände in Sachsen schmelzen, weil die Sachsen ihren Fleischverzehr deutlich senken. Zum Beispiel aus Gründen des Klimaschutzes: Die Massentierhaltung ist für ein Drittel des weltweiten Treibhausgas-Ausstoßes verantwortlich.
Dabei spielen nicht nur die gewaltigen Methanmengen eine Rolle, die in der Rinderzucht entstehen, sondern auch die riesigen Ackerflächen, die vor allem dazu dienen, das Mastfutter für die wachsenden Rinderstände zu erzeugen. Wenn der Fleischkonsum der Sachsen sinken würde, könnte also nicht nur die Massentierhaltung reduziert werden, riesige Ackerflächen stünden dann wieder zur Verfügung, um darauf Nahrung für den Menschen herzustellen. Deutschland müsste nicht mehr Millionen Hektar in Südamerika in Anspruch nehmen, um seine Nahrungsgrundlage zu sichern.
Bislang aber ist die Landwirtschaft in Deutschland auf Massenproduktion ausgerichtet. Was auch das tierische Produkt Milch betrifft. Gerade weil der Markt mit riesigen Mengen von Kuhmilch von hochgezüchteten und damit hochproduktiven Tieren geschwemmt wird, können Einzelhandelskonzerne mit Milch und Milchprodukten regelrechte Preisschlachten veranstalten. Der Abnahmepreis für Milch ist seit über zwei Jahren so niedrig, dass die Bauern nicht nur rebellieren und immer neue Rettungsprogramme der Politik fordern – einige schwenken tatsächlich um, reduzieren die Bestände oder geben die Kuhhaltung gänzlich auf. Denn wirklich steigen wird der Milchpreis erst wieder, wenn das (Über-)Angebot deutlich sinkt.
Ob das schon zu reellen und kostendeckenden Preisen im Laden führt, ist noch offen. Denn nach wie vor neigen deutsche Agrarminister dazu, lieber neue Subventionsprogramme aufzulegen, als die Produktion und damit die Rinderhaltung deutlich zu drosseln.
Sächsische Milchbauern haben übrigens schon einen eigenen Weg gesucht, um ihre Milch auf andere Weise an den Kunden zu bringen: mit eigenen Milchtankstellen, an denen Kunden Roh- und/oder pasteurisierte Milch direkt vom Bauern kaufen können. Auf diese Weise können sie höhere Literpreise erzielen, weil der Zwischenhändler wegfällt – und diese Angebote direkt vor Ort werden von den Sachsen auch dankend angenommen. 34 solcher Rohmilchautomaten gibt es mittlerweile in Sachsen, erfuhr der Grünen-Abgeordnete Wolfram Günther jetzt auf Nachfrage von Landwirtschaftsminister Thomas Schmidt. Zwei davon findet man sogar in Leipzig.
Was natürlich die Lage noch nicht grundsätzlich ändert. Denn die Hauptmenge an Milch nehmen nach wie vor die zentralisierten Molkereien ab, die die veredelten Milchprodukte dann an den Einzelhandel weiterverkaufen. Solange dort die Abnahmepreise nicht kostendeckend sind, werden weitere Bauern und Landwirtschaftsbetriebe gezwungen sein, den Milchviehbestand zu verkleinern.
So, wie es jetzt statistisch auch für das Jahr 2016 nachweisbar ist:
„Rund 492.100 Rinder standen Anfang November 2016 in den 7.045 sächsischen Rinderhaltungen“, teilt das Statistische Landesamt mit. Das waren im Vergleich zum Vorjahreszeitpunkt 12.200 Tiere bzw. 2,4 Prozent weniger. „Damit setzte sich der seit 2 Jahren stattfindende Rückgang fort. Dieser Rückgang fand in allen Altersgruppen statt. Die Zahl der Rinderhaltungen reduzierte sich zum Vorjahr um 176 (2,4 Prozent) auf 7.045. Der Bestand an Milchkühen verringerte sich zum Vorjahreszeitpunkt überdurchschnittlich um fast 6.700 (3,5 Prozent) auf 183.400 Tiere. Gleichzeitig nahm die Zahl der Milchkuhhaltungen um 4,4 Prozent ab.“
Eine Zahl, die zumindest auch ahnen lässt, dass der Rückgang des Rinderbestandes eher nicht im Bestand selbst erfolgt – denn gerade die großen Rinderhaltungen können deutlich preiswerter produzieren. Eher scheinen Bauern mit kleineren Kuhbeständen die Ersten zu sein, die das Geschäft mit der Milch aufgeben. Durchschnittlich 21 Tiere standen in den Ställen jener Betriebe, die die Milchviehhaltung im Jahr 2016 aufgegeben haben.
„Demgegenüber erhöhte sich der Bestand an sonstigen Kühen um gut 300 auf 41.700 Kühe in 4.000 Haltungen“, teilt das Statistische Landesamt noch mit. „Die meisten Rinder standen im Landkreis Mittelsachsen (83.000), gefolgt vom Erzgebirgskreis (63.300) und dem Landkreis Bautzen (50.500). Rinder wurden in Sachsen überwiegend in großen Beständen gehalten. So besaßen aktuell 588 Rinderhaltungen mit 200 und mehr Rindern fast drei Viertel (73,8 Prozent) des sächsischen Rinderbestandes.“
Logische Folge: Die Kleinen geben auf, weil sie im Preisverfall nicht mehr mithalten können. Die Haltung von Milchkühen konzentriert sich in immer weniger, dafür umso größeren Betrieben. Oder mit den Worten der Statistiker: „In der Milchkuhhaltung war ebenfalls eine Konzentration in wenigen großen Haltungen ersichtlich. 80,5 Prozent der Milchkühe standen in 270 Betrieben mit 200 und mehr Milchkühen.“
Der Rest der Meldung ist dann etwas für Kenner der Rinderwelt: „Rund zwei Drittel aller Rinder gehörten der Rasse Holstein-Schwarzbunt an. Fast ein Fünftel waren Kreuzungstiere verschiedener Rassen. Weitere bedeutende Rassen sind Fleckvieh (15.600 Tiere), Fleischfleckvieh (14.600 Tiere) und Holstein-Rotbunt (9.700 Tiere).“
Wolfram Günthers (Grüne) Anfrage zu den Milchtankstellen in Sachsen. Drs. 7174
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