Die Mitarbeiter des Leibniz-Institut für Länderkunde in Leipzig waren wieder fleißig und haben neue Karten für den digitalen Nationalatlas angefertigt. Karten sind sehr aussagekräftig, wenn man zum Beispiel die Verteilung bestimmter Dinge zeigen will – von finanzieller Wirtschaftskraft zum Beispiel. Patentanmeldungen zeigen zum Beispiel, wie schwach der Osten auf der Brust ist.
Mehr als 167.000 Schutzrechtsanmeldungen sind im vergangenen Jahr beim Deutschen Patent- und Markenamt eingegangen, im Schnitt 457 pro Tag. Ein knappes Drittel waren Patentanmeldungen für technische Erfindungen. Geographisch zeigen sich deutliche Unterschiede: Die meisten Patente je hunderttausend Einwohner wurden in Bayern und Baden-Württemberg angemeldet, gefolgt von Nordrhein-Westfalen mit einer ebenfalls überdurchschnittlich hohen Patentdichte.
Ganze 4.781 wurden dabei in Sachsen angemeldet. Was Sachsen trotzdem – neben Berlin – zum innovativen Schwerpunkt im Osten macht. Berlin freilich kam mit 8.887 auf das Doppelte, was zumindest ahnen lässt, was sich dort bei der Ansiedlung innovativer Unternehmen in den letzten Jahren getan hat.
Trotzdem zeigt sich – auch mit den Schutzanträgen für Gebrauchsmuster, Marken und Designs – ein klares West-Ostgefälle: Mehr als 90 Prozent aller Anmeldungen kommen aus den alten Bundesländern einschließlich Berlin. Auf den Spitzenplätzen lagen Hamburg, die beiden südlichen Bundesländer und die Hauptstadt. Das schlechteste Ergebnis erzielte Sachsen-Anhalt. Leipzig, Dresden und Jena waren die positiven Ausnahmen in den ansonsten wenig innovationsfreudigen östlichen Ländern.
Zu diesem Ergebnis kommen Professor Sebastian Henn und Patrick Werner von der Universität Jena. Die beiden Wirtschaftsgeographen haben für das Webangebot „Nationalatlas aktuell“ des Leibniz-Instituts für Länderkunde (IfL) Daten der amtlichen Publikations- und Registerdatenbank des Deutschen Patent- und Markenamtes ausgewertet und interpretiert. Karten und Grafiken des IfL veranschaulichen die Sachverhalte.
„Das Verbreitungsmuster der Anmeldeaktivitäten spiegelt die Konzentration von forschungs- und entwicklungsintensiven Unternehmen in dynamischen Großstadtregionen wie München, Stuttgart oder dem Ruhrgebiet wider“, erklärt Henn.
Aber er weiß auch, woran es liegt, dass der Osten bei Patentanmeldungen nicht mithalten kann. Denn hier fehlen nun einmal die großen, forschungsstarken Konzerne. Denn gerade diese Großkonzerne sorgen für ein positives Ergebnis bei den Anmeldezahlen von Patenten und anderen Schutzrechten. Zu den aktivsten Patentanmeldern gehören Unternehmen und Zulieferer der Automobilindustrie, die 2015 acht von zehn Plätzen auf der Bestenliste der Patentanmeldungen einnahmen. Auf sie entfällt derzeit rund ein Drittel aller privaten Investitionen im Bereich Forschung und Entwicklung.
Was übrigens auch zeigt, wie sehr das technisch und digital aufgerüstete Automobil der eigentliche Innovationstreiber in Deutschland ist. Was umso mehr das Dilemma der Automobilbauer deutlich macht, die aus dem Fahrzeug mittlerweile ein hochtechnisiertes Kompaktaggregat gemacht haben – und bei der Dieselreinigung dann so einen Bock geschossen haben. Oder eine Steilvorlage geliefert haben für konkurrierende Wirtschaftsnationen wie die USA, die mit ihren Klagen ganz genau wissen, dass sie damit das Innovationsherz der Bundesrepublik treffen.
Und das schlägt halt im Süden und Westen der Republik. Deswegen hat sich an der ungleichen räumlichen Verteilung über die letzten zwanzig Jahre praktisch nichts geändert, stellt Patrick Werner fest: „Innovationstätigkeiten bündeln sich nach wie vor hauptsächlich in den wirtschaftlich starken Zentren“.
Und dann kommt er noch auf die andere Seite der Sache zu sprechen. Denn nicht immer ist eine Patentanmeldung auch ein guter Schutz fürs eigene Knowhow.
Wie die beiden Wirtschaftsgeographen betonen, ist die Zahl der Patentanmeldungen eben nicht zwangsläufig ein verlässlicher Indikator für die Innovationskraft einer Region. Unternehmen würden Wissensvorsprünge häufig durch andere Schutzmechanismen wie interne Geheimhaltungsvereinbarungen absichern. Zudem hätten Patente bei kurzlebigen Produkten oft einen weitaus geringeren Stellenwert als in Industrien mit langen Produktlebenszyklen.
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