Nachhaltigkeit ist ein schönes Wort, gern benutzt, abgenutzt. Meistens völlig falsch verwendet. Oder eher als hübsches Etikett, wenn eigentlich etwas anderes gemeint ist. So wie am 1. September, als Sachsens Wirtschaftsminister Martin Dulig (SPD) über die sächsische Rohstoffstrategie sprach und einfach das Wort „Nachhaltigkeit“ draufklatschte.

Zumindest sein Ministerium tat das, als es meldete: „Die Rohstoffstrategie für Sachsen versteht sich dabei als Handlungswegweiser für eine zukunftsorientierte, am Grundsatz der Nachhaltigkeit ausgerichtete Rohstoffpolitik im Freistaat Sachsen.“

Am „Grundsatz der Nachhaltigkeit“ ausgerichtet? Davon war selbst in Duligs Rede nicht viel zu merken. Denn tatsächlich sprach er von der „Sicherung der Rohstoffgewinnung“ in Sachsen. Das ist etwas völlig anderes. Im Grunde sogar das Gegenteil.

Nachhaltiger Umgang mit Rohstoffen sieht anders aus

„Der Freistaat hat mit seiner Rohstoffstrategie bereits ein sichtbares Bekenntnis zum Rohstoffstandort Sachsen abgegeben. Unser Ziel ist es, insbesondere den Bereich der Rohstoffgewinnung und Sachsen als Standort der Rohstoffwirtschaft weiter zu stärken“, sagte Dulig in seiner Rede im Sächsischen Landtag. „Der über Jahrhunderte andauernde Erfolg des Bergbaus hat den Wohlstand Sachsens begründet. Wir wissen, Rohstoffgewinnung ist ein wichtiger Beitrag zur Wertschöpfung im Land.“

Am 1. November bilanzierte er nun die ersten beiden Arbeitsjahre seines Ressorts. Er ging auch wieder auf die Bedeutung der Rohstoffstrategie der Staatsregierung für Innovation, die Außenwirtschaftsbeziehungen und seine verkehrspolitischen Aktivitäten ein.

Und an seiner Rohstoffstrategie vermisst Jana Pinka, Sprecherin der Linksfraktion für Ressourcenwirtschaft, genau das, was Rohstoffwirtschaft tatsächlich etwas nachhaltiger machen würde.

„Die Fortschreibung der Rohstoffstrategie ist längst überfällig. Minister Dulig selbst hat veranlasst, dass der Abbau sächsischer Rohstoffe beispielsweise im erzgebirgischen Ort Niederschlag gefährdet wird, weil beispielsweise für Flussspat die Förderabgabe erhoben wird. Gleichzeitig sind andere Rohstoffe nach wie vor wahllos von einer Förderabgabe ganz oder teilweise befreit“, sagt Pinka und fragt dann, wo die überfälligen Stoffkreisläufe eigentlich bleiben. „Statt eine Technologieförderung im Bereich der Sekundärrohstoffe endlich anzugehen und strategische Rohstoffe aus Abfällen zu gewinnen, setzt das SPD-Ministerium auf Rohstoffe in Afrika. Dass dort lange nicht dieselben Maßstäbe in der fairen Entlohnung oder im Umweltschutz gesetzt werden, wird sehenden Auges ignoriert.“

Stiefkind ÖPNV

Aber nicht nur bei der Rohstoffsicherung setzt Sachsen weiter auf die alten, ressourcenvernichtenden Strategien, egal, ob im eigenen Land, wo der Kohlebergbau noch immer das Wohlwollen einer Staatsregierung genießt, die die Zerstörung von Landschaften für eine billige Rohstoffgewinnung hält. Dass dabei nicht nur Siedlungsräume, sondern auch Naturschutzräume und wertvolle Ackerflächen zerstört werden, kommt in der „Rohstoffbilanz“ des Freistaats nicht mal vor.

Aber die Linksfraktion sieht die Arbeit des Wirtschaftsministers nicht in einzelne Bausteine separiert. Alles hängt mit Allem zusammen, auch das gehört zum nachhaltigen Handeln. Auch im ÖPNV ist die Herstellung eines nachhaltigeren Verkehrssystems überfällig.

Aber auch da fehlt die belastbare Strategie, stellt Marco Böhme, mobilitätspolitischer Sprecher der Linksfraktion, fest. Denn auch unter Dulig werden die für den Regionalverkehr zuständigen Zweckverbände denkbar knapp gehalten – trotz erhöhter Zuweisungen an Regionalisierungsmitteln durch den Bund.

„Der Minister meint, dass die Zweckverbände sicher finanziert seien. Herr Dulig, sagen Sie das einmal den Zweckverbänden, die sich bemühen, das Angebot zu verbessern, anstatt es nur aufrechtzuerhalten! In den ländlichen Räumen drohen immer noch Streckenabbestellungen. Auf Bundesebene wurden zusätzliche Regionalisierungsmittel in Höhe von 50 Millionen Euro für Sachsen erstritten. Sie müssen nun auch eingesetzt werden, anstatt im Sparstrumpf des Finanzministers zu verschwinden, während der öffentliche Nahverkehr leidet und die Autobahnen immer voller werden“, benennt Böhme den sichtbaren Zwiespalt zwischen Versprechen und Umsetzung.

Dulig hatte auch sein Ziel, bis 2022 einen barrierefreien öffentlichen Nahverkehr zu schaffen, unterstrichen. Aber was nutzt das, wenn er die Zweckverbände dann nicht mit dem nötigen Geld ausstattet, diesen Umbau voranzutreiben?

„Dafür sind mehr personelle und finanzielle Ressourcen nötig, das gilt auch für Umschulungen. Die letzte Anhörung im Wirtschaftsausschuss und meine Kleine Anfrage 6/6486 zeigen, dass es in puncto Straßenraumgestaltung erheblichen Weiterbildungsbedarf in den Straßenverwaltungen gibt“, sagt Böhme. „Statt auf immer höhere Förderquoten für Straßenbauvorhaben sollte der Minister stärker darauf achten, was eigentlich gebaut wird. Es muss mehr getan werden für Barrierefreiheit, den Rad- und Fußverkehr und eine attraktive ländliche Infrastruktur. Stattdessen sieht Dulig einen Schwerpunkt beim Megaprojekt Neubaustrecke Dresden-Prag. Für die Untertunnelung des Erzgebirges sollen Milliarden fließen. Was soll daran innovativ sein? Und was könnte mit dem Geld stattdessen für die Mobilität der breiten Bevölkerung, speziell auf dem Land, getan werden? Diese Fragen muss Dulig in seiner Restamtszeit beantworten.“

Allein der Bau des sächsischen Teils der Neubaustrecke nach Prag würde mindestens 1,3 Milliarden Euro kosten. Dabei sind noch nicht einmal die Varianten der Streckenführung geplant, während heute schon sichtbar ist, wie sehr die Elektrifizierung von regionalen Strecken wie zwischen Leipzig und Grimma und Leipzig und Chemnitz fehlt. Beides Strecken, die nicht erst irgendwann nach 2030 als gute Regionalverbindungen gebraucht werden, sondern noch vor 2020. Die Chancen eines florierenden Sachsen liegen in einem zukunftsfähigen ÖPNV-Angebot zwischen den Städten. Doch da fehlen augenscheinlich die Vision, die Konsequenz und damit eigentlich auch der Wille, die falschen Weichenstellungen der Vergangenheit mit massivem Straßenbau, Landverlust, hoher Schadstoffbilanz und Massenmotorisierung zu korrigieren.

Das Wort Nachhaltigkeit hat Duligs Politik noch lange nicht verdient. Wahrscheinlich brauchen deutsche Wirtschaftsminister allesamt selbst erst ein paar Schulungen, um zu lernen, was das Wort eigentlich bedeutet. So lange sie die alten Trampelpfade benutzen, wird sich an der systematischen Zerstörung unserer Welt nichts ändern.

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