Damit hätten dann auch die Niedersachsen nicht gerechnet: Am heutigen Samstag, 1. Oktober, geht das 31 Jahre alte MIBRAG-Braunkohlekraftwerk Buschhaus vom Netz. Erst 2013 hatte die EPH-Tochter das Kraftwerk gekauft und wollte es weiter bis 2030 betreiben. Aber dann fiel den Braunkohleakteuren das schöne Projekt „Kraftwerksreserve“ ein. Und Buschhaus geht ab sofort „in Reserve“. Aber was hat das mit Sachsen zu tun?
Eine Menge, wie der energiepolitische Sprecher der Grünen-Fraktion im Sächsischen Landtag, Dr. Gerd Lippold, feststellt. Denn EPH ist auch das Konsortium, das jetzt die komplette Braunkohlebranche von Vattenfall in Ostdeutschland übernehmen darf. Damit wechselt nicht nur der dominierende Konzern, sondern auch die Konzernphilosophie. EPH ist nun einmal kein Staatskonzern, sondern eine auf Rendite getrimmte Holding.
Buschhaus, so Lippold, zeige nur exemplarisch, wie EPH mit seinen Investments umginge.
„Die EPH-Tochter MIBRAG hatte das Kraftwerk Buschhaus mit seinen knapp 400 MW Leistung erst im Jahr 2013 samt Tagebau Schöningen im Helmstedter Revier für 3,6 Millionen Euro von E.ON gekauft, um es weiter zu betreiben. Tatsächlich steht es nun schon seit einer Woche still, denn die Kohle war alle“, stellt der Landtagsabgeordnete fest, der sich schon seit Jahren intensiv mit den Praktiken der Kohlekonzerne beschäftigt.
Die MIBRAG selbst meldet dazu: „In den letzten Wochen wurde das Kraftwerk Buschhaus – wie ursprünglich von MIBRAG und der Helmstedter Revier GmbH geplant – vorrangig aus dem Tagebau Profen in Sachsen-Anhalt mit Kohle versorgt. Zur Vorbereitung der Sicherheitsbereitschaft sind Vorbereitungs- und Konservierungsmaßnahmen notwendig gewesen, die bis zum 30. September durchgeführt wurden. Dazu ging das Kraftwerk Buschhaus bereits am 24. September außer Betrieb.“
„Den Betrieb mindestens bis zum Jahr 2030 hatte die MIBRAG 2013 auch der über 400-köpfigen niedersächsischen Belegschaft versprochen und war damit – so wie im Jahr 2016 die EPH in der Lausitz – als Retter des Braunkohlegeschäftes erschienen. Denn E.ON wollte das Kraftwerk nach Auskohlung des Tagebaus Schöningen eigentlich schon 2017 schließen. Mit der Braunkohle-Kapazitätsreserve von Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) wurde aber die rasche Abschaltung des inzwischen chronisch unrentablen Kraftwerkes das bessere Geschäft und ließ MIBRAG die Beschäftigungsversprechen rasch vergessen“, so Lippold.
Die MIBRAG dazu: „Von den aktuell 370 Mitarbeitern der HSR werden 200 Mitarbeiter aufgrund der Auskohlung des Tagebaues Schöningen in den geplanten Vorruhestand gehen. Diese Regelung wurde bereits im Interessenausgleich und Sozialplan ‚Abfahren Helmstedter Revier‘ im Jahr 2010 vereinbart.“ Also noch vor Übernahme des Kraftwerks durch die MIBRAG.
Mit der Braunkohle-Kapazitätsreserve sollen in den nächsten Jahren insgesamt 2.700 MW Braunkohlekraftwerke vom Netz genommen und für den Nichtbetrieb mit 1,61 Milliarden Euro vergütet werden. Nicht nur die MIBRAG hatte sofort ein Kraftwerk parat, das man sofort vom Netz nehmen konnte, auch Vattenfall hat gleich zwei Kraftwerksblöcke für die Kapazitätsreserve angemeldet: Jänschwalde F und Jänschwalde E. Jänschwalde liegt zwar im brandenburgischen Teil der Lausitz, aber allein schon der Vorschlag von Vattenfall zeigte, dass man auch im Lausitzer Revier längst nicht mehr rentabel arbeitet und die älteren Blöcke längst vom Netz hätte nehmen können.
Was man übrigens auch hätte tun müssen, wenn der Bundeswirtschaftsminister sich mit seinem Vorschlag einer „Klimaabgabe“ durchgesetzt hätte. Dann hätten die Kraftwerksbetreiber für die alten Kraftwerke eine Abgabe zahlen müssen und wären auf diese Weise gezwungen gewesen, die alten Blöcke vom Netz zu nehmen.
Doch jetzt wird die „Kapazitätsreserve“ durch einen Aufschlag auf den Strompreis finanziert: Die Stromkunden zahlen also dafür, dass die alten Kohlemeiler abgeschaltet werden.
Den Goldenen Schnitt machen die Konzerne.
„Das bedeutet für das MIBRAG-Kraftwerk eine Vergütung von über 200 Millionen Euro – für den Stillstand eines Kraftwerkes, das der frühere Betreiber wegen Tagebauende 2017 sowieso stillgelegt hätte“, beschreibt Gerd Lippold das Spiel, das sich nicht auf Buschhaus beschränken wird. Und auch nicht auf Jänschwalde.
„In Sachsen, wo nun die gesamte Braunkohle in den Händen von EPH liegt, muss das Anlass zum Nachdenken und zum Vorsorgen sein. Für EPH ist die Barriere zu einer abrupten Stilllegungsentscheidung offensichtlich sehr niedrig, wenn ein Kraftwerk billig gekauft wurde und mit Abschaltung mehr zu verdienen ist als mit ein paar Jahren Kraftwerksbetrieb. Das sollte in der Lausitz aufhorchen lassen“, sagt Lippold. Denn tatsächlich kommt EPH sehr billig auch an die Vattenfall-Kraftwerke. Lippold: „Die dortigen Kraftwerke und Tagebaue hat EPH von Vattenfall nämlich geschenkt bekommen und Geld ist auch dort mit dem Betrieb nicht zu verdienen.“
Und das alles in einer sächsischen Kohlelandschaft, in der die Tagebaubetreiber immer wieder neue Abbaugenehmigungen beantragt haben. In der Lausitz sorgte der Vattenfall-Vorstoß für eine Menge Ärger. Lippold erinnert daran, dass im Leipziger Südraum ebenfalls zwei weitere Dörfer bedroht sind, weil die MIBRAG mehr Kohle abbauen will, als sie tatsächlich in Mitteldeutschland braucht. Auf die Pödelwitzer wird bis heute ein enormer Druck ausgeübt, obwohl die MIBRAG noch keine Abbaurechte unter dem Dorf besitzt.
„Die ursprünglichen MIBRAG-Planungen für den Buschhaus-Betrieb bis 2030 sollten mit Kohle aus Mitteldeutschland realisiert werden“, stellt der Abgeordnete fest. Beliefert wurde Buschhaus bis jetzt vor allem mit Kohle aus dem Tagebau Profen. „Mit der sofortigen Abschaltung werden nun viele Millionen Tonnen Kohle überflüssig. Jegliche Überlegungen zu MIBRAG-Tagebauerweiterungen im mitteldeutschen Revier sind nun noch unnötiger als bisher und gehören umgehend vom Tisch!“
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