Kurz und knapp hielt Vattenfall am Donnerstag, 22. September, die Nachricht: „Die EU-Kommission hat diesen Donnerstag, 22.09.2016, den Verkauf der deutschen Braunkohlesparte von Vattenfall an den tschechischen Energiekonzern EPH und dessen Finanzpartner PPF Investments genehmigt.“ Der sächsische Wirtschaftsminister freute sich postwendend.

„Die EU-Kartellbehörden haben den Weg für die Übergabe der Vattenfall-Braunkohlesparte in der Lausitz an die tschechische EPH-Gruppe frei gemacht“, meldete das Ministerium.

Wirtschaftsminister Martin Dulig: „Ich freue mich, dass die Generaldirektion Wettbewerb der Europäischen Kommission heute dem Vattenfall-Verkauf zugestimmt hat und keine wettbewerbsrechtlichen Bedenken hat. Diese Klarheit war nötig gewesen, damit der Verkauf wie geplant abgeschlossen werden kann. Wir erwarten nun vom künftigen Eigentümer, der tschechischen EPH-Gruppe, dass sie zu ihrer Verantwortung für die gesamte Region stehen und für die 8.000 Betroffenen in der Lausitz, die in der Braunkohle-Branche arbeiten, ein verlässlicher Partner sind. In Umsetzung des Kaufvertrages erwarten wir, dass der neue Eigentümer uns zeitnah nach dem Eigentümerwechsel seine konzeptionellen Vorstellungen für die nächsten Jahre zukommen lässt.“

So unbesorgt aber ist die Opposition im sächsischen Landtag nicht, denn mit EPH dominiert künftig ein Konsortium die sächsische Braunkohleförderung und -verbrennung, bei dem auch Sachsens Regierung nicht dieselbe Verlässlichkeit wie beim schwedischen Staatskonzern Vattenfall voraussetzen kann.

„Auch wenn die letzte Hürde für die EPH-Übernahme durch die Generaldirektion Wettbewerb der Europäischen Kommission aus dem Weg geräumt wurde und sich Minister Dulig freut, dass weitergebaggert wird, gilt: Die Staatsregierung steht in der Verantwortung, etwaige finanzielle Schäden von den Steuerzahlern abzuwenden“, benennt Dr. Jana Pinka, Sprecherin für Umweltpolitik und Ressourcenwirtschaft der Linksfraktion im Landtag, das Hauptrisiko, das auf Sachsen zukommt. „Wir fordern daher vom zuständigen Oberbergamt, dass Sicherheitsleistungen für die aktiven Braunkohletagebaue erhoben werden. Sicherheitsleistungen dienen der Deckung der Kosten, die den Steuerzahlenden bei Ausfall oder Zahlungsunfähigkeit des Bergbautreibenden entstehen könnten. Der Bergbautreibende, der an die Stelle des Staatsunternehmens Vattenfall tritt, ist womöglich ein ‚undurchsichtiges Firmengeflecht‘ und ‚windiger Investor‘ – zumindest nach Recherchen von Greenpeace. Man muss sich diese Formulierung nicht zu eigen machen, aber Vorsicht ist dennoch geboten.“

Denn Vattenfall hat zwar über 1 Milliarde Euro an Rücklagen angespart, die für die Beseitigung der Bergbaufolgeschäden vorgesehen sind, wenn die Kohleförderung eines Tages endet. Aber das Geld wird in dieser Größenordnung nicht reichen. Und so viel Gewinn, dass weitere Rücklagen in der Größenordnung gebildet werden können, wirft die Kohleförderung längst nicht mehr ab.

„Die (bilanziellen) Rückstellungen der Bergbautreibenden reichen wahrscheinlich nicht aus, um die langfristigen Schäden abzudecken, sie berücksichtigen nach Expertenmeinung allein die Wiederherstellung der Tagebaugebiete, ohne jedoch dabei die stofflichen Aspekte (Langzeitschäden – ‚Braune Spree‘ etc.) zu berücksichtigen, werden derzeit allein unter finanziellen, kaum jedoch fachlichen Gesichtspunkten geprüft“, mahnt Pinka. „Die ‚Sicherheiten‘ sind unbekannt: Offensichtlich handelt es sich jedoch um Kraftwerke etc., die im Augenblick ihrer Nicht-Wirtschaftlichkeit jeden Wert verlieren und sogar negative Kosten erzeugen. Im Gegensatz zu Rückstellungen stehen den Sicherheitsleistungen konkrete Werte gegenüber, deshalb sind sie festzusetzen. Entsprechendes werden wir demnächst im Landtag beantragen.“

 

Auch die Grünen-Fraktion hat sich mit kritischen Worten zur Verkauferlaubnis geäußert.

Die Akte Vattenfall-Nachfolge/EPH liegt auf dem Stapel “Wiedervorlage”

Gerd Lippold, energie- und klimapolitischer Sprecher der Landtagsfraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, zum Verkauf des Vattenfall-Braunkohlegeschäfts: “Wer da in der Landespolitik meint, mit dem Wechsel des Firmenschildes am Cottbuser Vattenfall-Verwaltungssitz erst mal eine unbequeme Akte vom Tisch zu bekommen, sollte die zweite Nachricht des gestrigen Tages ebenfalls zur Kenntnis nehmen. Der einstimmige Ratifizierungsbeschluss des Bundestages zum Pariser Klimaabkommen hat den Vermerk ‘Wiedervorlage’ auf dieser Akte dick unterstrichen.

Ein geändertes Firmenschild ändert nämlich nicht das Geringste an der Notwendigkeit, jegliche Kohleverbrennung so schnell wie möglich zu beenden, wenn wir im Rahmen des verbleibenden CO2-Budgets noch ein paar Jahre Zeit für die viel komplexeren Aufgaben etwa in den Bereichen Verkehr, Industrie und Landwirtschaft bei der Substitution von Öl und Gas gewinnen wollen. Jedem Marktteilnehmer in der Energiewirtschaft ist klar, dass hier spätestens nach der nächsten Bundestagswahl grundsätzliche Entscheidungen anstehen.

Jede Hoffnung, der Wechsel von Vattenfall zu EPH schaffe ein Mehr an Kalkulierbarkeit, ist trügerisch. Schließlich bleibt das dasselbe Auslaufgeschäftsmodell – der Verkauf von besonders schmutzigem, vielfältig indirekt subventioniertem Kohlestrom. Damit aber hat bereits Vattenfall hohe Verluste erlitten. In Folge rutschten Standortkommunen, bis dahin reichliche Einnahmen gewohnt, in bedrohliche finanzielle Schieflagen. Ein massives Sparprogramm neuer Eigentümer böte für Belegschaften und Kommunen erst recht kein Mehr an Kalkulierbarkeit.

Ein Geschäftsmodell, das von vornherein auf das Scheitern wirksamer nationaler Klimaschutzpläne setzt und selbst dann nur funktioniert, wenn auch weiterhin die Öffentlichkeit große Teile der Kosten übernimmt und hohe Risiken trägt, wird mittlerweile so instabil, dass die Hoffnung auf neue Kalkulierbarkeit durch Eigentümerwechsel geradezu weltfremd anmutet.

In einer Zeit, in der große Transformationsaufgaben in den Kohleregionen zu lösen sein werden, ist der Wechsel vom breit aufgestellten Staatsunternehmen Vattenfall zum spekulativ agierenden Finanzinvestor EPH ganz sicher kein Grund für die Staatsregierung, sich erleichtert zurückzulehnen. Vielmehr steht zu befürchten, dass der Handlungsspielraum von Landespolitik zur Steuerung der Prozesse im Zusammenhang mit der Beendigung der Kohleära dadurch deutlich schrumpft.

Umso wichtiger ist es, dass Minister Dulig ab sofort anstelle der Frage ‘Wer kommt nach Vattenfall?’ der Beantwortung der Frage ‘Wer und was kommt nach EPH?’ höchste Priorität einräumt.”

 

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