Was jüngst erst eine Antwort von Wirtschaftsminister Martin Dulig (SPD) auf eine Anfrage der so sehr um Russland besorgten AfD-Fraktion thematisierte, bestätigt jetzt auch eine Meldung des Statistischen Landesamtes: Russland spielt nur eine kleine Rolle beim Export, viel schlimmer haut die VW-Abgas-Affäre ins Kontor. Denn das Hauptexportgut aus Sachsen heißt: Auto.
Die Russen haben natürlich auch fleißig Autos aus Sachsen gekauft – solange sie noch Geld hatten, der Rubel noch was wert war. Aber mit dem Ölpreis ist auch der Wert des Rubels in den Keller gerauscht. Ob die Russen in Sachsen auch rüstungsrelevante Güter gekauft haben, weiß kein Mensch. Zum sächsischen Rüstungsexport hatte jüngst ja gerade die Linksfraktion nachgefragt. Aber dazu liefern weder Sachsens Regierung noch das Bundesamt für Statistik irgendwelche Zahlen.
Wahrscheinlich ist, dass Russland – selbst der zweitgrößte Rüstungsexporteur der Welt – sich da aus eigenen Quellen eindecken kann.
Rückläufig sind die Exporte aus Sachsen nach Russland schon seit Jahren. Sie haben sich mehr als halbiert. So bestätigt es jetzt auch das Statistische Landesamt: „Besonders im Fokus stehen die Außenhandelsbeziehungen zur Russischen Föderation. Die Exporte des Freistaates haben sich in den letzten drei Jahren halbiert auf 335 Millionen € im ersten Halbjahr 2016. Auch hier waren die Erzeugnisse des Kraftfahrzeugbaus besonders betroffen, aber speziell 2016 auch medizinische Geräte und orthopädische Vorrichtungen.“
Das fällt alles nicht unter das von der EU verhängte Embargo, das vor allem Rüstungsgüter, Güter mit doppeltem Verwendungszweck (Dual-use-Güter), „sofern diese eine militärische Verwendung haben oder für einen militärischen Endverwender in Russland bestimmt sind“, und Ausrüstungsgüter und Technik zur Erdölförderung betrifft, die extra genehmigt werden müssen.
Deswegen machen auch Forderungen nach einer Aufhebung des Embargos in Sachsen wenig Sinn. Es würde am hingeschmolzenen Import der Russen nichts ändern. Das wäre erst der Fall, wenn der Ölpreis wieder steigt und die russische Wirtschaft sich wieder erholt.
Aber derzeit kriselt es weltweit.
Dass die Abgaskrise von VW auch auf Sachsen so durchschlagen würde, war eigentlich zu erwarten. Immerhin werden ja auch in Zwickau und Dresden VW-Modelle produziert. Dazu kommen einige wichtige Zulieferer, die jüngst erst einen erbitterten Streit mit dem VW-Konzern mit drohender Fertigungseinstellung ausgetragen haben. Aber mittlerweile hat die Abgaskrise ja auch andere Automodelle erfasst. Und die Amerikaner reagieren mit einer deutlichen Kaufzurückhaltung gegenüber deutschen Automodellen.
Und das wirkt sofort und deutlich auf den sächsischen Export zurück.
„Im ersten Halbjahr 2016 sind die sächsischen Exporte um acht Prozent auf 18,2 Milliarden € gesunken“, meldet das Statistische Landesamt. Damit seien zwar die stetigen Exportzuwächse der letzten sechs Jahre gestoppt worden, „aber es ist immer noch der zweithöchste Halbjahreswert sächsischer Exportumsätze. Ausschlaggebend dafür war der Rückgang bei der Ausfuhr von Sachsens wichtigsten Exportgütern Personenkraftwagen und Wohnmobilen – um 19 Prozent. Aber auch die Lieferungen von elektronischen Bauelementen ins Ausland gingen um ein Fünftel zurück. Besonders stark betroffen waren die Exporte zu den zwei wichtigsten Abnehmerländern des Freistaates. So gingen die Lieferungen nach China um zwölf Prozent auf 2,6 Milliarden € und die in die Vereinigten Staaten um 20 Prozent auf 1,8 Milliarden € zurück. Bei den Exportgütern in die Vereinigten Staaten betrifft der Rückgang im Wesentlichen Personenkraftwagen und Wohnmobile, nach China auch in größerem Umfang Fahrgestelle, Karosserien, Motoren und sonstiges Zubehör für Kfz sowie elektronische Bauelemente.“
Bei China ist es eher der dortige Produktionsrückgang, der die Bestellungen abnehmen ließ. Auch ein Riesenland wie China kann nicht dauerhaft die Lokomotive für die Weltwirtschaft spielen. Irgendwann müssen sich auch andere Wirtschaftregionen stabilisieren – tun sie aber nicht.
Und das hat mit dem falschen Globalisierungsdenken der Gegenwart zu tun, das die EU mit den Freihandelsverträgen TTIP und CETA noch weiter befeuern will. Der dümmste Teil des Denkens, der hinter diesem Vorgehen steht, ist natürlich das Negieren der Tatsache, dass sich sämtliche Staaten und Sozialsysteme aus dem im nationalen Rahmen Erwirtschafteten finanzieren. Wenn man den nationalen Regierungen die Handhabe nimmt, wesentliche Teile der eigenen Wirtschaft zu sichern, dann geraten Sozialsysteme und Staatshaushalte ins Trudeln. Einen Vorschlag, wie so etwas auf globaler Basis ersetzt werden könnte, hat noch niemand gemacht.
Manche Staaten – wie Russland – haben auf ein einziges „Pferd“ gesetzt, um sich im Welthandel ein bisschen Finanzspielraum zu verschaffen. In diesem Fall ist es das Erdöl – aber jeder Preisverfall beim Erdöl stürzt Russland in die Krise.
Sachsen hat vor allem aufs Auto gesetzt. Und auch das kennt seine Krisen. In diesem Fall ist es eine reine Krise der Wirklichkeitsverweigerung, denn statt die von der EU geforderten abgasarmen Autos zu entwickeln, hat man lieber bei den Abgaswerten getrickst und gehofft, das würde niemand merken. Das ist nun schon mal gründlich schiefgegangen. Und 1 Milliarde Euro weniger umzusetzen mit Automobilen, das spielt im sächsischen Wirtschaftsumsatz schon eine Rolle.
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