Es gibt da immer so einen Aha-Effekt, wenn die Bundesregierung mal wieder über die Rüstungsexporte des vergangenen Jahres redet und der neueste Rüstungsexportbericht veröffentlicht wird, wie das im Juli wieder geschah. Nach jahrelanger Flaute (aus Sicht der Rüstungsindustrie) hat die Bundesrepublik 2015 ihre Rüstungsexporte wieder auf das alte Level gebracht: 11 Prozent der weltweiten Rüstungsexporte. Und wie sieht es mit Sachsen aus?
Die Frage stellte sich nach dieser Nachricht der Sprecher für Wirtschafts- und Arbeitsmarktpolitik der Linksfraktion im Sächsischen Landtag, Nico Brünler. Die Bundesregierung betont zwar ihre Transparenz bei der Berichterstattung zu Rüstungsexporten – aber im „Rüstungsexportbericht“ steht kein Wort zu den involvierten Unternehmen und ihren Standorten.
Im Grunde reduzierte sich die Botschaft auf: „Die Bundesregierung erteilte im vergangenen Jahr Einzelausfuhrgenehmigungen für Rüstungsgüter in Höhe von 7,86 Milliarden Euro. 2014 lag der Wert bei 3,97 Milliarden Euro.“
Was übrigens dem aktuellen Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) von vielen Medien massiv angekreidet wurde, obwohl gerade die milliardenschweren Großaufträge oft eine Bestell- und Vorlaufzeit von vielen Jahren haben. 2015 sorgte insbesondere ein schon 2003 vereinbarter U-Boot-Deal dafür, dass die Exportzahl deutlich nach oben ging.
„Das höhere Genehmigungsvolumen basiert unter anderem auf Genehmigungen für ein U-Boot nach Israel, das bereits 2003 zugesagt worden war und vier Tankflugzeugen für das Vereinigte Königreich. Auch die Genehmigung für Panzerlieferungen nach Katar in Höhe von rund 1,6 Milliarden Euro, die bereits 2013 bewilligt wurde, fällt stark ins Gewicht“, heißt es in der Pressemitteilung der Bundesregierung.
Man erfährt recht detailliert, in welche Länder Panzer, Haubitzen und Maschinenpistolen exportiert wurden. Aber ein Bild darüber, welche Unternehmen mit welchen Standorten daran beteiligt waren, bekommt man nur, wenn man die Landschaft der Rüstungshersteller schon kennt – von den Panzerbauern in München bis zu den U-Boot- und Kriegsschiff-Bauern in Kiel, Hamburg und Emden.
Nico Brünler wollte nun freilich etwas erfahren, was nirgendwo derart nachlesbar ist: Gibt es eigentlich auch in Sachsen so etwas wie eine Rüstungsindustrie und Unternehmen, die eine Genehmigung zum Export militärisch relevanter Güter einholen mussten?
Dass es sie gibt, ist sicher. Denn auch heutige Rüstungsunternehmen bauen nicht alles an einem Standort. Gerade wichtige Spezialteile und elektronische Ausrüstungen werden oft von Zuliefern hergestellt. Nicht immer sind diese Güter freilich scharf zu trennen in zivile und militärisch genutzte. Das trifft auf Zulieferungen im Elektronik-Bereich genauso zu wie auf Zulieferungen für große Flugzeugproduzenten.
Eine Übersicht über die ganze Landschaft der in der Bundesrepublik heimischen Rüstungsunternehmen bietet auch nicht die im Web zu findende Image-Seite www.ruestungsindustrie.info. Dort erfährt man aber zumindest, dass man von 97.980 Beschäftigten in der Bundesrepublik ausgeht, die direkt in Rüstungsbetrieben tätig sind. Weitere 218.640 Arbeitsplätze rechnet man den von der Rüstungsindustrie ausgelösten Aufträgen zu. Das sind Zahlen von 2011.
Die Wertschöpfung der Rüstungsunternehmen bezifferte man damals mit 21 Milliarden Euro. Damals wurden Rüstungsgüter im Wert von 6,7 Milliarden Euro exportiert. Den Rest wickelt man augenscheinlich direkt mit der Bundeswehr ab.
Trotzdem hält man sich lieber bedeckt. Und allzu groß ist auch die Neugier des sächsischen Wirtschaftsministers Martin Dulig (SPD) nicht, herauszufinden, ob da im Freistaat Sachsen auch schon so etwas wie ein kleines Rüstungscluster entstanden ist. „In den Statistiken über Ausfuhren des Freistaates Sachsen, die nach Warengruppen und Warenuntergruppen gegliedert sind, wird die Sicherheits- und Verteidigungsindustrie grundsätzlich nicht erfasst. Die ausschließliche Zuständigkeit hierfür liegt beim Bund“, teilt er Brünler auf dessen Nachfrage mit.
Aber auch der Bund gibt keine Daten zu produzierten Rüstungsgütern heraus. Auch nicht über das Bundesamt für Statistik. Da verschwinden diese Spezialgüter in großen Allgemeinposten wie Metallerzeugnisse, Datenverarbeitungsgeräte, Elektrische Ausrüstungen, Maschinen oder Sonstige Fahrzeuge.
Also bekommt auch Brünler vom sächsischen Wirtschaftsminister keine Angaben zu den seit 2010 aus Sachsen exportierten Rüstungsgütern, nicht zu Unternehmen, Ausfuhrgenehmigungen oder Zielländern. Nur den Hinweis auf den „Rüstungsexportbericht“, der aber genau diese Zahlen speziell für Sachsen nicht enthält.
Diskretion ist alles.
Die Kleine Anfrage von Nico Brünler. Drs. 5765
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