Russland? Immer wieder ist das Thema. Auch in Sachsen, von links bis rechts, das halbe Parteienspektrum mutmaßt, die sächsische Wirtschaft würde besonders unter den Russland-Sanktionen leiden. Von „Milliardenverlusten für unsere heimischen Unternehmen“ schwadronierte nun Mario Beger in der x-ten Anfrage der AfD zu den Russland-Sanktionen an die sächsische Staatsregierung.

Da Wirtschaftsminister Martin Dulig (SPD) der AfD ihre Behauptungen aus dem Herbst nicht bestätigen konnte – Hörensagen ist ja nun einmal nicht wirklich eine gute Entscheidungsgrundlage –  hat Beger jetzt mal mit regelrechtem Ingrimm nachgesetzt: “Da die Staatsregierung im Herbst vergangenen Jahres nicht in der Lage war, eine ähnlich gelagerte Kleine Anfrage zu beantworten, fordern wir Sie noch mal dazu auf uns endlich ehrlich und verbindlich Auskunft zu erteilen.“

Aber es ändert sich nichts. Nur weil die AfD glaubt, die Regierung würde etwas verheimlichen, ändert sich die Sachlage nicht.

„Dem Sächsischen Staatsministerium für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr (SMWA) ist bisher ein sächsisches Unternehmen bekannt, dem aufgrund der Sanktionen der Europäischen Union gegenüber Russland eine Ausfuhrgenehmigung nicht erteilt wurde. Dem SMWA sind darüber hinaus einzelne Unternehmen bekannt, die vom insgesamt rückläufigen Russlandgeschäft überproportional betroffen sind.“

Heißt im Klartext: Ein Unternehmen konnte nicht nach Russland liefern, weil das Produkt auf der Embargoliste der EU stand.

Aber das Russlandgeschäft leidet schon länger. Das wird gern vergessen: Die kriegerischen Aktionen Russlands begannen in dem Moment, als der russische Präsident durch den Verfall des Erdölpreises und des Rubels innenpolitisch unter Druck kam. Entsprechend sind auch die sächsischen Exporte nach Russland schon länger rückläufig.

Geduldig erklärt es der Wirtschaftsminister den unglaublichen Herren aus der AfD: „Der zu beobachtende Rückgang der Exporte nach Russland ist auf mehrere Gründe zurückzuführen und betrifft daher auch nicht nur die EU-Staaten. Die niedrigen Rohstoffpreise in Verbindung mit einer strukturellen Rohstoffabhängigkeit Russlands, die Rubelschwäche, die seit mehreren Jahren in Russland zurückgehenden Investitionen und die gegenseitigen Sanktionen haben zu einem Rückgang des Handelsvolumens zwischen Russland und der EU geführt.“

Aber wie ist das mit den tollen neuen Lieferverträgen, die Beger da zwischen Russland und den USA, Brasilien, der Schweiz, „aber auch China“ entdeckt hat?

„Der russische Außenhandel insgesamt ist laut russischem Statistikamt 2015 um 33 % zurückgegangen“, kommentiert das Wirtschaftsministerium. „Der Außenhandel mit Ländern wie China (-28 %), den USA (-28 %), der Schweiz (-35 %) und der Türkei (-26 %) ist in ähnlichem Maße zurückgegangen wie mit den EU-Staaten.“

Woher hat Mario Beger nur seine Zahlen? Vielleicht aus dem russischen Fernsehen?

Dass die sächsischen Produzenten in Russland weniger absetzen, das ist Fakt. Aber es bedeutet nicht, dass die verhängten Sanktionen daran schuld sind.

Gerade wenn es um hochpreisige sächsische Produkte wie Autos und Maschinen geht.

„Der Rückgang der sächsischen Exporte nach Russland betraf 2014 vor allem Erzeugnisse des Maschinenbaus, elektrotechnische Erzeugnisse sowie Erzeugnisse des Kraftfahrzeugbaus“, stellt der Wirtschaftsminister fest. „2015 waren vor allem Erzeugnisse des Maschinenbau und der Medizintechnik betroffen, der Export von Erzeugnissen des Kraftfahrzeugbaus ist dagegen wieder gestiegen. Diese Entwicklung ist jedoch nicht allein auf die EU-Sanktionen zurückzuführen.“

Gerade das Jahr 2014 war von einem dramatisch fallenden Rubelkurs geprägt. Der Rubel verlor bis zu 30 Prozent seines Wertes – was logischerweise auch bedeutete: Russland konnte 30 Prozent weniger einkaufen auf dem Weltmarkt.

Sachsen hat übrigens im vergangenen Jahr Waren für insgesamt 38 Milliarden Euro exportiert. Und mit 952 Millionen Euro ist die Russische Föderation bei weitem nicht der größte Handelspartner für Sachsen.

Viel brenzliger ist die Tatsache, dass gerade der größte sächsische Handelspartner in Europa beschlossen hat, aus der EU auszutreten: Großbritannien. Das Vereinigte Königreich importierte 2015 Waren im Wert von 2,2 Milliarden Euro aus Sachsen. Gleich dahinter kam Frankreich mit 2 Milliarden. Wichtiger als Handelspartner sind nur noch die USA mit 4,6 Milliarden Euro und China mit 5,6 Milliarden Euro. Gegen diese Handelspartner ist Russland ein Zwerg.

Und was haben die Russen für ihre 951 Millionen Euro gekauft?

Vor allem Kraftfahrzeuge – nämlich für 487 Millionen Euro. Für 32 Millionen kaufte man Pumpen und Kompressoren, für 44 Millionen lauter Fahrzeug(ersatz)teile, Papier und Pappe kaufte man für 21 Millionen, und für je 24 Millionen wurden Werkzeugmaschinen und elektrotechnische Erzeugnisse gekauft. Der Rest läppert sich eher zusammen. Zum Beispiel aus knapp 12 Millionen Euro für Erzeugnisse der Ernährungswirtschaft, das meiste davon Nahrungsmittel.

Als Handelspartner liegt Russland übrigens auch weit hinter Ländern wie Polen, Spanien, der Tschechischen Republik oder der Schweiz. Da wundert man sich eher, dass selbst die sächsische Regierung so reineweg vernarrt ist in die Handelspartnerschaft mit Russland.

Die neuerliche AfD-Anfrage zu den „milliardenschweren Verlusten“ im sächsischen Russland-Handel.Drs. 5617

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