Wenn sich Martin Dulig da mal nicht gewaltig geirrt hat, als er sich am Samstag, 2. Juli, über den angekündigten Verkauf der Braunkohlesparte von Vattenfall an die tschechische EPH freute wie ein Schneekönig. Noch am 24. Juni hatte die schwedische Regierung gezögert, dem Verkauf zuzustimmen. Doch am 2. Juli meldeten nun diverse Medien, dass die Regierung dem Deal nun doch zugestimmt hat.
„Zum 31. August 2016 solle EPH und dessen Finanzpartner PPF die Braunkohleaktivitäten in Brandenburg und Sachsen übernehmen“, meldete der RBB. „Der Verkauf müsse noch von der EU-Kommission kartellrechtlich freigegeben werden, erklärte Vattenfall ebenfalls am Samstag. Über die ausgehandelte Summe wurden keine Angaben gemacht. Der Deal des Staatskonzerns war abhängig von der Zustimmung der schwedischen Regierung.“
Und die zögerte aus guten Gründen. Nicht nur, weil die Zustimmung der schwedischen Bevölkerung für diesen Deal mit 27 Prozent ausgesprochen gering ist. Sondern auch, weil es durchaus nachvollziehbare Bauchschmerzen mit dem Käufer gab und gibt. Insbesondere Greenpeace hatte massiv angezweifelt, ob EPH (das auch hinter der im Leipziger Südraum tätigen Mibrag steckt) gewillt ist, die ökologischen Standards einzuhalten.
„Denn EPH betrachtet eine ambitionierte staatliche Umweltpolitik offenbar als geschäftsschädigend“, hieß es am 24. Juni beim RBB. „So geht es aus dem kürzlich im Bundesanzeiger veröffentlichten ‚befreienden Konzernabschluss‘ der JTSD Braunkohlebergbau GmbH hervor. Über diese Tochterfirma stieg EPH schon 2009 bei der Mibrag ein, dem drittgrößten Braunkohle-Konzern der Republik. Ihm gehören auch Braunkohle-Gruben in Sachsen. Eine Referenz, auf die der Konzern gegenüber der Brandenburger Landespolitik gerne verweist.“
Doch gerade „eine fortgesetzte und verstärkte Unterstützung für erneuerbare Energiequellen“ sieht EPH als direkte Gefahr für das Ergebnis der Kohlekraftwerke. Was nur logisch ist. Denn wenn die Erneuerbaren weitere Marktanteile dazugewinnen, schmilzt das Geschäft mit der Kohle. Vattenfall hatte zuletzt keine Gewinne mehr mit seinen Lausitzer Kohlekraftwerken gemacht.
Doch genau das ignoriert die Regierungspolitik in Potsdam und Dresden völlig.
„Die betroffenen Bürgerinnen und Bürger in der Lausitz haben nun endlich Planungssicherheit, wie es bei ihnen in der Region weitergehen wird und dass ihre Arbeitsplätze in der Braunkohle-Industrie vorerst erhalten bleiben“, meinte am Samstag, 2. Juli, der sächsische Wirtschaftsminister Martin Dulig (SPD). „Die Zeit der Unsicherheit in Bezug auf den neuen Eigentümer für die Lausitz ist damit endlich vorbei.“
Mit der tschechischen EPH übernehme ja ein in der Energiebranche und speziell in der ostdeutschen Braunkohle erfahrenes Unternehmen (MIBRAG) die Geschäfte.
Was die Sicherheit der Arbeitsplätze betrifft, meldete RBB nach einer Begegnung Dietmar Woidkes mit der EPH-Führung: „Schließlich habe EPH den rund 5.500 Brandenburger Braunkohle-Beschäftigten fünf Jahre lang Beschäftigungssicherheit garantiert. Auch das Engagement im sozialen, kulturellen und sportlichen Bereich würden die Tschechen laut Woidke fortsetzen und den Hauptsitz in Cottbus belassen.“
Da freute sich natürlich auch Woidke wie ein Schneekönig: „Ein wichtiges Signal für die Region und für Cottbus.“
Und Martin Dulig hat nun das Gefühl, die Sache wäre jetzt wieder auf stabilen Gleisen.
Die 8.000 direkt in der Braunkohleindustrie im Lausitzer Revier Beschäftigten sowie tausende Menschen in den Zuliefer- und Dienstleistungsfirmen in der sächsischen und brandenburgischen Lausitz könnten nun auf kalkulierbare Rahmenbedingungen in der Energiewirtschaft hoffen, vermeldet sein Ministerium.
Doch ganz so sicher scheint man sich doch nicht zu sein. Die sächsische Landesregierung erwarte nun, „dass EPH ein verlässlicher Partner für die Landesregierung und für die Region“ sei. Das Sächsische Staatsministerium für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr wolle mit EPH weitere Gespräche führen, um wichtige Detailfragen zu klären.
Das Einzige, was feststeht: EPH kann nun auf der Grundlage aller bestehenden Vereinbarungen, Zulassungen und Genehmigungen die Geschäftstätigkeit der einstigen Vattenfall-Braunkohle-Sparte unverändert fortsetzen. Das beträfe auch und vor allem sämtliche Pflichten und Auflagen zur Wiedernutzbarmachung der vom Tagebau betroffenen Flächen, betonte das Ministerium. Denn gerade da gibt es die meisten Fragezeichen. Vattenfall hat zwar für die Sanierung der Bergbaulandschaft 1,7 Milliarden Euro zurückgelegt. Aber wird die Summe auch noch existieren, wenn sie gebraucht wird? Greenpeace hat da schon so seine Zweifel angemeldet.
Aber das steht für Minister Martin Dulig gar nicht mal im Mittelpunkt. Ihm waren die Arbeitsplätze der Kumpel wichtiger: „Unsere Erwartung ist, dass der neue Eigentümer, mit seinem langfristigen Interesse an der Förderung und Nutzung der Lausitzer Braunkohle, sich auch verantwortungsvoll in der und für die Region engagiert. Dies gilt insbesondere für das Eintreten in die Verpflichtungen gegenüber der Belegschaft des Unternehmens.“
Aber die Zusage gilt – wie man von Woidke hörte – nur für die nächsten fünf Jahre. Was dann?
Und das ist das Problem an der sächsischen Energiepolitik. Auch der Wirtschaftsminister glaubt noch immer felsenfest daran, ausgerechnet die mittlerweile defizitäre Kohle könnte noch auf Jahrzehnte die „Brückentechnologie“ in der deutschen Energiewende spielen.
„Die heimische Braunkohle wird auf absehbare Zeit als Brückentechnologie weiter benötigt werden, um die Energieversorgung sicherzustellen, wenn wir nicht von Energie aus dem Ausland abhängig werden wollen“, sagte Dulig. „Solange es technisch noch nicht möglich ist, regenerative Energien, deren Aufbau wir eindeutig unterstützen, in ausreichender Menge schnell und effektiv zu speichern und zu transportieren, sind wir auf konventionelle Energieformen angewiesen. Fakt ist aber: Erneuerbare Energien sind die Energien des 21. Jahrhunderts – die Braunkohle ist die Brücke dahin.“
Man möchte fast Wetten darauf abschließen, dass es im Vertragswerk auch einen Passus gibt, der betriebsbedingte Kündigungen zulässt, wenn sich Kohle nicht mehr rechnet und die ersten Kraftwerke vom Netz genommen werden müssen. Und weder Sachsen noch Brandenburg haben bislang Strukturkonzepte für die Lausitz, die den Ausstieg flankieren würden.
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