Die moderne Arbeitswelt macht krank. Das können nicht nur die Krankenkassen bestätigen, die regelmäßig ihre Fallzahlen auswerten. Auch eine Studie des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) der Bundesarbeitsagentur bestätigt es. Man hat auch extra 7.000 Beschäftigte befragt, was sie im Arbeitsleben besonders belastet.
Wobei man beim IAB eher nicht aus Sicht der hochbelasteten Arbeitnehmer an die Sache herangegangen ist, sondern sich irgendwie als Sachwalter der Unternehmen sieht: „Um in Zeiten der steigenden Fachkräftebedarfe Arbeitskräfte zu gewinnen oder im Unternehmen zu halten, sind Arbeitgeber gut beraten, wenn sie sich attraktiv aufstellen. Sicherlich spielt hier die Vergütung eine entscheidende Rolle. Aber auch Rahmenbedingungen wie zum Beispiel Gesundheitsschutz, Gesundheitsförderung, betriebliche Weiterbildungsangebote und flexible Arbeitszeitmodelle werden in Entscheidungsprozesse der Arbeitnehmer zunehmend eingebunden. Denn in Betrieben mit mitarbeiterorientierten Maßnahmen sind die Beschäftigten zufriedener, engagierter und denken seltener über einen Arbeitgeberwechsel nach“, bekundet die Arbeitsagentur, die dann aber auch selbst feststellt, dass in Sachsen acht von zehn Beschäftigten unter etlichen Zumutungen am Arbeitsplatz leiden.
So gaben in Sachsen 59 Prozent der Beschäftigten an, unter Termindruck zu leiden. 23 Prozent leiden unter einer Informationsflut, 54 Prozent unter unangenehmen Umgebungsbedingungen und 46 Prozent unter einer körperlich anstrengenden Tätigkeit.
So geht es aus der aktuellen Studie des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) hervor. Sie beruht auf Befragungen von mehr als 7.000 Beschäftigten und rund 1.000 Betrieben mit mindestens 50 Mitarbeitern in ganz Deutschland.
Und da wird dann ein Zipfel der schönen neuen Arbeitswelt sichtbar, in der die Beschäftigten nicht mehr nur körperlich präsent sein müssen, sondern auch über zahlreiche Kommunikationskanäle erreichbar sein sollen.
Am häufigsten werden Termindruck und Multitasking genannt: Sechs von zehn Beschäftigten sind davon nach eigenen Angaben betroffen. Von unangenehmen Umgebungsbedingungen berichten vier von zehn Beschäftigten, von einer schwer zu bewältigenden Menge an Informationen drei von zehn Beschäftigten.
Dabei geht das IAB sehr freundlich mit den Unternehmen um und ist überzeugt, dass sie nur ein wenig auf eine bessere gesundheitliche Betreuung ihrer Angestellten achten müssten, dann ginge das schon.
Oder im Wortlaut der Meldung der Arbeitsagentur: „Gleichzeitig steuern aber auch acht von zehn Betrieben dem entgegen, indem sie beispielsweise Maßnahmen zum Gesundheitsschutz und zur Gesundheitsförderung anbieten, die über die gesetzlich verpflichtenden Maßnahmen hinausgehen. – So analysiert mehr als die Hälfte der Betriebe den Krankenstand im Betrieb. Je ein Drittel führt Mitarbeiterbefragungen zum Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz durch oder hat innerbetriebliche Angebote wie etwa eine aktive Pausengestaltung, Betriebssport oder Gesundheitstage. – Schulungen und Beratungen werden von mehr als einem Viertel der Betriebe angeboten, externe Gesundheitsangebote werden von einem Sechstel finanziell unterstützt.“
„Auf Dauer können körperliche und psychische Belastungen am Arbeitsplatz ein Gesundheitsrisiko darstellen. Zwar sind Beschäftigte, die von Termindruck und Multitasking oder von einer schwer zu bewältigenden Menge an Information berichten, nicht häufiger krank als andere Beschäftigte; sie äußern aber zum Befragungszeitpunkt ein schlechteres allgemeines Wohlbefinden“, schreiben die IAB-Forscher in der Studie.
Betriebe könnten ihren Beschäftigten durch das Angebot von Gesundheitsmaßnahmen zeigen, dass sie sich der bestehenden Belastungen bewusst seien und auf diese reagieren, so die Arbeitsmarktforscher. Sie betonen auch noch: Beschäftigte in Betrieben, die das gesundheitsbewusste Verhalten ihrer Mitarbeiter fördern, seien im Durchschnitt zufriedener.
Aber, auch das betonen die Studienautoren, Gesundheitsförderung sei nur ein Teilaspekt guter Personalführung und bestimme damit letztlich auch nur einen Teil der subjektiv empfundenen Arbeitsqualität von Beschäftigten. Neben dem richtigen Umgang mit potenziellen Belastungen bei der Arbeit hänge Arbeitsqualität maßgeblich mit Entwicklungsförderung und Wertschätzung durch den Betrieb zusammen.
„Beschäftigte in Betrieben, die dies in ihren Personalmaßnahmen berücksichtigen, sind zufriedener und engagierter, fühlen sich stärker ihrem Arbeitgeber verbunden und denken deutlich seltener über einen Arbeitgeberwechsel nach“, erklären die Arbeitsmarktforscher.
Und dann hilft auch noch ein Blick auf die Betroffenheit nach Altersgruppen. Da ändern sich einige Blickweisen. Denn schon Menschen ab 30 fühlen sich durch Termindruck und Multitasking deutlich stärker belastet als die jüngere Arbeitnehmergruppe. Bei der Frage nach der Informationsflut wird die Diskrepanz noch größer. Geben hier 24 Prozent der unter 30-Jährigen an, dadurch belastet zu sein, sind es bei den über 30-Jährigen schon 37 Prozent. Und wenn 40 Prozent von unangenehmen Arbeitsbedingungen sprechen, sollte das den Unternehmen auch schon bei der Gestaltung von Arbeitsplätzen zu denken geben. Auch von solchen, die scheinbar modern sind und mit lauter moderner Kommunikationstechnik zu tun haben.
Den Aspekt hat das IAB nämlich nicht untersucht: Wie stark die Arbeitsleistung sinkt, wenn die Arbeit voller Störungen, Unterbrechungen und Präsenzforderungen auf mehreren Kanälen ist. All den Faktoren, die dann in den Berichten der Krankenkassen wieder auftauchen: Psychische Erkrankungen nehmen deutlich zu. Und der Verbrauch von Psychopharmaka erreicht immer neue Rekordstände.
Vielleicht sollten auch einige Manager so langsam den Trugschluss aufgeben, dass Multitasking etwas Cooles und Zukunftsweisendes ist. Tatsächlich gehen dabei Konzentration und Qualität vor die Hunde. Die Menschen werden zwar seltener körperlich krank. Doch sie verwandeln sich auch in ihrer Freizeit immer öfter in überforderte Exemplare einer Spezies, die vor lauter Informationen nicht mehr weiß, „wo ihr der Kopf steht“.
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