Es ist eines dieser Schlagworte der Gegenwart: „digitale Transformation“. Die ist längst im Gang. Es gibt kein Unternehmen mehr, das sich nicht dem digitalen Wandel hat anpassen müssen. Jüngst hat ja eine Studie des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) die Welt erschreckt mit Zahlen zum möglichen Wegfall von Arbeitsplätzen durch Digitalisierung. Die Commerzbank kommt in einer eigenen Studie zu einem völlig anderen Ergebnis.

Sie hat einfach mal die möglichen betroffenen Betriebe des Mittelstands selbst befragt. Und die sehen den Arbeitsplatzabbau, den das IAB hypothetisch berechnet hat, einfach nicht. Im Gegenteil.

Die digitale Transformation wird im sächsischen Mittelstand in Summe nicht zum Abbau von Arbeitsplätzen führen. Nach dieser Umfrage im Auftrag der Commerzbank rechnen 57 Prozent der befragten Firmen mit einem gleich bleibenden, 34 Prozent sogar mit steigendem Personalbestand.

Im deutschen Mittelstand hat offenbar ein Umdenken stattgefunden, konstatiert das Bankhaus in Auswertung der Umfrage. Sächsische Unternehmen sind zwar zurückhaltender optimistisch, dass der digitale Wandel mehr Arbeitsplätze schafft, als im Bundesdurchschnitt. Sie gehen jedoch davon aus, dass Wachstum die Rationalisierungseffekte als Folge der zunehmenden Digitalisierung ausgleicht.

Während 2015 noch 40 Prozent der deutschen Unternehmen negative Beschäftigungseffekte erwartet haben, so sind es in der Befragung der „Mittelstandsinitiative UnternehmerPerspektiven 2016“ bundesweit nur noch acht, in Sachsen mit 9 Prozent kaum mehr. Für die Studie „Unternehmen Zukunft: Transformation trifft Tradition“ befragte TNS Infratest im Auftrag der Commerzbank 4.000 mittelständische Unternehmen in ganz Deutschland, davon 203 in Sachsen.

Jetzt wird das richtige Personal für den digitalen Wandel gesucht

„Der Mittelstand sieht klar die Potenziale der digitalen Transformation, auch wenn er – vor allem die kleineren Unternehmen – vergleichsweise zurückhaltend agiert. Immerhin zählt in Sachsen knapp ein Fünftel der Unternehmen zu den digitalen Transformatoren“, erklärte Ilona Schmitt, Niederlassungsleiterin Mittelstand Leipzig der Commerzbank AG, bei Vorstellung der Ergebnisse in der vergangenen Woche in Leipzig. Das ist dann ungefähr der Anteil des produzierenden Gewerbes. Aber längst hat der Digitale Wandel auch die Logistik, den Handel, die Dienstleistungen erfasst. Noch sind die Forscher sehr auf die Industrie fixiert, weil dort die Automation und Computerisierung besonders augenfällig sind.

Dort wird auch besonders sichtbar, welche Rolle Expertenwissen, Innovation und Flexibilität spielen. „Deshalb wird der Bedarf an Fachleuten weiter steigen. Wo der Arbeitsmarkt diese nicht bietet, öffnen sich hiesige Unternehmen konsequenterweise für neue Zielgruppen“, betont Ilona Schmitt.

57 Prozent der sächsischen Unternehmer sind bereit, auch Quer- und Wiedereinsteigern sowie Umschülern eine Chance auf dem Weg in die digitale Transformation einzuräumen, das sind deutlich mehr als der Bundesdurchschnitt mit 43 Prozent.

Und da ist man nun mittendrin im sächsischen Nachwuchsdilemma.

Das ein selbst gemachtes ist, was wir ja an dieser Stelle nun seit Jahren betonen.

Die Unternehmen suchen qualifiziertes Personal – 73 Prozent der Befragten in Sachsen melden Bedarf an Kräften mit mehrjähriger Erfahrung oder mit gerade abgeschlossener Berufsausbildung (60 Prozent). In der bestehenden Belegschaft erkennen sie starkes Interesse an Weiterqualifizierung und den Wunsch, mehr in die strategische Ausrichtung des Unternehmens einbezogen zu werden.

„In der Weiterentwicklung des vorhandenen Personals liegt noch viel Potenzial“, kommentierte Schmitt. „Die digitale Transformation erfordert einen Führungsstil, der die Mitarbeiter mitnimmt. Deren Wunsch, beteiligt zu werden, sollte eine Ermutigung sein, neue berufliche Perspektiven, flachere Hierarchien und ein innovativeres Klima im eigenen Unternehmen zu etablieren.“

Aber die Rahmenbedingungen stimmen nicht

Es ist ganz ähnlich wie bei der Bewältigung der demografischen Veränderungen – oft sind beide Prozesse sogar identisch. Wo das Umfeld nicht stimmt, greifen die Unternehmen zur Selbsthilfe und suchen Lösungswege im eigenen Haus. Und das sieht dann oft genug schon sehr zukunftsweisend aus.

Die Unternehmen stellen ihre Organisationen entsprechend der Anforderungen neu auf. Dezentrale Projekte zur Entwicklung von Innovationen sind in Sachsen verbreitet: 64 Prozent der befragten Unternehmen ermöglichen es ihren Mitarbeitern, eigene Projekte selbstständig zu verwirklichen, in 49 Prozent gibt es abteilungsübergreifende Innovations- und Pilotprojekte.

Außerhalb der gewachsenen Strukturen tun sich die Unternehmen noch schwer: Nur 11 Prozent der sächsischen Unternehmen bieten spezielle Expertenlaufbahnen an, 4 Prozent der Unternehmen nutzen eigenständige Gesellschaften zur Entwicklung digitaler Innovationen.

Aber deutliche Kritik äußern die Unternehmen an den regionalen Rahmenbedingungen, insbesondere am Ausbau der digitalen Infrastruktur: In Sachsen sind 45 Prozent der befragten Unternehmen damit „äußerst unzufrieden“ oder „sehr unzufrieden“. Außerdem bemängeln 36 Prozent die geringe Unterstützungsbereitschaft der Verwaltung.

33 Prozent kritisieren freilich auch die Angebote der Wirtschaftsförderung. Und 28 Prozent – auch das im Bundesvergleich deutlich überm Durchschnitt (21 Prozent) – sind mit der gegebenen Bildungslandschaft unzufrieden. Möglicherweise sind hier genau jene Unternehmer zu Wort gekommen, die jetzt schon Probleme haben, qualifizierten Nachwuchs zu bekommen, während noch immer 10 bis 14 Prozent der Schüler sächsische Schulen ohne Abschluss verlassen.

Da nutzt aller Breitbandausbau nichts, wenn junge Leute nicht mal die Mindestvorrausetzungen für einen anspruchsvollen modernen Beruf mitbringen.

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