Sachsens CDU kennt auch in der Lausitz nur einen Gegner: Grüne und Linke. In beiden Landtagen will sie die politischen Gegner festnageln für die Ausschreitungen, zu denen es beim Anti-Kohle-Protest in der Lausitz am Wochenende gekommen ist. Es ist wohl wie so oft: Einige mitreisende Akteure haben augenscheinlich die Chance ergriffen, wieder möglichst viel Schaden anzurichten.
Dabei ist man selbst in der Wortwahl nicht bescheiden, spricht gleich mal von „gewaltsamen Ausschreitungen von selbsternannten ‚Klima-Aktivisten‘ am Pfingstwochenende“. Dass der Protest auf Antrag der CDU-Fraktionen Thema in den Landtagen von Sachsen und Brandenburg werden soll, ist dabei eher normal. Immerhin geht es um eine Energietechnologie, die derzeit in schwerstem Fahrwasser ist, weil sie die Grenze ihrer Wirtschaftlichkeit erreicht hat. Eine Tatsache, vor der nicht nur die sächsische CDU mit aller Macht die Augen verschließt. Selbst in Brandenburg übt man sich in völliger Wirklichkeitsverweigerung.
Man übt sich lieber – wie der wirtschaftspolitische Sprecher der CDU-Fraktion im Landtag Brandenburg, Dierk Homeyer – in einem völlig sinnfreien Schulterschluss: „Wir stehen an der Seite der Kumpel und der Lausitzer, weil ihre Arbeit wichtig ist für die Menschen in Deutschland und für unseren Wohlstand. Wir werden nicht tatenlos dabei zusehen, wie Rechtsbrecher und Ideologen die Lebensleistung der Lausitzer in den Dreck treten. Ohne die Braunkohle hat die Energiewende keine Chance. Denn zu einer stabilen Grundversorgung mit Energie brauchen wir die Braunkohle mit einem gut 20-prozentigen Anteil am Gesamtenergiemix noch mindestens 50 Jahre als Brückentechnologie.“
Da ist sie wieder, die „Brückentechnologie“ für die nächsten 50 Jahre, die sich heute schon nicht rechnet.
Ist nur die Frage: Wen werden die viel gefeierten Kumpel dafür verantwortlich machen, wenn ihre Kraftwerke heruntergefahren werden, weil sie nur noch Verluste machen? Die Grünen und die Linken, die nun schon seit geraumer Zeit echte Strukturreformen in der Lausitz fordern? Oder die CDU-Granden, die noch immer so tun, als ginge das mit der Kohleverstromung munter so weiter?
Hinter den heftigen Angriffen der CDU gegen Grüne und Linke steht ja genau diese Haltung. Lieber diskreditieren sie die politische Konkurrenz, als sich der Aufgabe zu stellen.
So wie Frank Heidan, der wirtschaftspolitische Sprecher der CDU-Fraktion des Sächsischen Landtages: „Was hier geschehen ist, werden wir im Plenum besprechen! Wer zu derartigen Aktionen wie Grüne und Linke aufruft und daran aktiv teilnimmt, schadet dem Rechtsstaat und untergräbt das Vertrauen in die Demokratie. Das Ganze dann noch unter den Deckmantel des Klimaschutzes zu stellen ist ein Hohn. Wir distanzieren uns von den Landtagsabgeordneten, die sich als ‚parlamentarische Beobachter‘ ausgegeben und aktiv an den Aktionen mitgewirkt haben.“
Ein ziemlich seltsames Verständnis, das der CDU-Mann da von der Arbeit als Parlamentarier hat. Er glaubt tatsächlich, Abgeordnete brauchten erst eine Legitimation durch den Landtag, um als Beobachter an Demonstrationen teilnehmen zu können. Mit seinem Urteil ist Heidan da fix bei der Sache: „Insofern betrachten wir das Verhalten der Abgeordneten als anmaßend!“
Dabei ist noch längst nicht klar, wer da gerade am Sonntagabend unterwegs war, um gerade an den Bahnanlagen möglichst heftigen Schaden anzurichten. Selbst bei den Organisatoren des friedlichen Protestes ist man besorgt.
„Ende Gelände“ habe die Protest-Aktion in der Lausitz offen angekündigt und sie besonnen und gut vorbereitet umgesetzt, betont Mona Bricke von „Ende Gelände“: „In allen Blockaden, auf den Baggern, Brücken, Gleisen und auch beim Besuch des Kraftwerks haben wir unseren Aktionskonsens strikt eingehalten – Menschen wurden nicht gefährdet. Natürlich kann es zu Blockaden gehören, einen Zaun zu überwinden. Wir haben aber bis heute keine gesicherten Hinweise auf Beschädigung von Baggern, Gleisen und Kraftwerksinfrastruktur durch AktivistInnen.“
Aber irgendjemand muss da heftig manipuliert haben. Darüber berichtete Vattenfall selbst am Dienstag, 17. Mai: „Mehrere manipulative Vorrichtungen an den Gleisen der Kohleverbindungsbahn wurden mit der Absicht angebracht, eine Zugentgleisung herbeizuführen. Damit haben die Täter Straftaten begangen bei denen sie billigend in Kauf genommen haben, dass Menschenleben gefährdet werden. Ebenso wurden Signalanlagen manipuliert und eine Bombenattrappe versteckt. Beim Rangieren entgleiste heute Morgen eine Lok kurzzeitig, konnte nur aufgrund der geringen Geschwindigkeit wieder auf den Schienen zum Stehen kommen. Ein Zugzusammenstoß wegen manipulierter Signalanlagen konnte dank erhöhter Aufmerksamkeit verhindert werden.“
Nur: Wer das war, ist bis heute nicht klar.
„Ende Gelände“ jedenfalls distanziert sich von diesen Manipulationen. Man habe die Massenaktion zivilen Ungehorsams am Sonntag um 15 Uhr beendet. Aktionen, die zu einer – angeblichen – Entgleisung eines Kohlezuges am Dienstagmorgen geführt hätten, seien erst nach Beendigung der offiziellen Aktion erfolgt und seien nicht durch den Aktionskonsens von Ende Gelände gedeckt.
„Die legitimen und besonnenen Proteste von tausenden von Menschen sollen dadurch nun diskreditiert werden“, vermutet Hannah Eichberger.
Was natürlich die Frage aufwirft, wer hier nachträglich aktiv wurde.
Denn schon an den beiden Hauptaktionstagen waren die Demonstranten selbst immer wieder Ziel gewalttätiger Angriffe.
Die Auflistung durch das Aktionsbündnis „Ende Gelände“:
– So griffen am Samstag, 14. Mai, mehrere Personen eine Mahnwache bei Terpe mit Baseballschlägern an und zerstörten ein Zelt.
– Aus der Pro-Kohle-Demonstration am Kraftwerk Schwarze Pumpe wurden Blockierende bedroht und mit Flaschen und Feuerwerkskörpern beworfen.
– Auf eine Gruppe, die ein Gleis blockierte, wurden Steine und Feuerwerkskörper geworfen.
– mehrere Personen versuchten, den Wagen eines Journalisten von der Straße abzudrängen.
– Am Sonntagabend, 15. Mai, wurden zwei Aktivisten am Rande des Klimacamps angegriffen und verletzt.
– Etwa gleichzeitig bedrohten vermummte Personen, die als Security auftraten, Aktivist*innen auf einem Kohlebagger massiv.
– Die Polizei erteilte noch in derselben Nacht 57 Personen in der Nähe des Camps Platzverweise und schützte das Camp. Bei den identifizierten Personen handelte es sich unter anderem um polizeibekannte rechtsmotivierte Straftäter.
„Wir sind erschrocken mit welch roher Gewalt gegen die TeilnehmerInnen der friedlichen Blockaden und auch gegen JournalistInnen in den letzten Tagen vorgegangen wurde“, sagt Mona Bricke von „Ende Gelände“.
Hannah Eichberger: „Wir verwahren uns entschieden gegen den durchsichtigen Versuch, von Verantwortung abzulenken: Vattenfall verpestet das globale Klima mit Megatonnen CO2, pflügt die Lausitz um und bezeichnet einen beschädigten Zaun und ein paar blockierte Gleise als ‚Schneise der Verwüstung‘. Pro-Kohle-Gruppen und einige PolitikerInnen schüren eine völlig unbegründete Angst vor Ende Gelände und wollen dann mit rechten Hooligans nichts zu tun haben, die Menschen angreifen. Das ist zynisch.“
Aber genau diese martialischen Töne hat der Vorstandsvorsitzende von Vattenfall Europe Mining und Vattenfall Europe Generation, Dr. Hartmuth Zeiß, am Dienstag benutzt und den Klima-Aktivisten sogar unterstellt, die Straftäter selbst angelockt zu haben: „Wir haben überhaupt kein Verständnis für diese von den Kohle- und Systemgegnern begangenen massiven kriminellen Gewalttaten. Wer nach den Ereignissen an diesem Wochenende das Klima-Camp und Ende Gelände immer noch unterstützt, stellt sich bewusst an die Seite von Straftätern. Ende Gelände und Klima-Camp haben ungeordnete Gruppen von radikalen Kohlegegnern versammelt und dabei die Kontrolle über radikale Kräfte verloren. Die große Mehrheit der Aktivisten hatte nicht die Absicht, friedlich zu demonstrieren sondern hat es auf Eskalation angelegt und damit auch Gefährdung von Menschen billigend in Kauf genommen.“
Sicher scheint nur eins: Ein paar Leute haben den Windschatten des Anti-Kohle-Protests genutzt, um auf ihre Weise tätig zu werden – wenn es denn linke Gruppen waren, dann ist ihnen wie schon manches Mal zuvor bestens gelungen, einen friedlichen Protest völlig zu diskreditieren.
Wobei auch am Mittwoch, 18. Mai, noch nicht geklärt war, wer die Straftaten nun begangen hat. Die Manipulationen an der Bahntechnik werfen deutlich mehr Fragen auf, als sie Antworten nahelegen. Es sieht ganz so aus, als hätte da jemand den Windschatten des Protestes genutzt, um seine eigene Art Politik zu treiben.
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