Da haben sich alle daran gewöhnt, dass es in Deutschland einen Mindestlohn gibt und die meisten Unternehmen ganz gut damit leben können. Da wird schon wieder über eine Anhebung des Mindestlohns debattiert. Im Juni soll der Vorschlag auf den Tisch. Da haben die sächsischen IHK lieber mal ihre Mitgliedsbetriebe gefragt, ob sie da noch mithalten können.
Zwar war es keine umfassende Befragung bei allen Unternehmen, eher eine Art Stichprobe. Aber das Thema, das die Diskussion um den Mindestlohn in Sachsen auch vor dessen Einführung am 1. Januar 2015 bestimmte, ist ja nicht vom Tisch: Wie stabil sind die hiesigen Unternehmen inzwischen und welche Lohnerhöhungen können sie mittlerweile verkraften? Denn dass die Löhne jahrelang in den meisten Unternehmen im Niedriglohnbereich dümpelten, hat ja mit dem Fehlen einer starken, umsatzstarken Industrie zu tun. Die meisten Unternehmen sind klein, erreichen nur Belegschaftsgrößen bis 10 Angestellte und haben auch gerade in den Jahren bis 2010 kaum Rücklagen bilden können.
Besonders ausgeprägt war selbst bis 2014 noch der Anteil von prekären Arbeitsbeschäftigungen im Dienstleistungssektor – vom Wachgewerbe bis zur Gastronomie. Gerade von hier kamen seinerzeit die größten Befürchtungen, der Mindestlohn könnte viele Arbeitsplätze kosten und Unternehmer zum Aufgeben zwingen.
Das ist dann so am 1. Januar 2015 nicht eingetreten, auch wenn die prekären Beschäftigungsverhältnisse seitdem deutlich zurückgehen. Viele Kleinunternehmen haben die Lohnsteigerungen schon frühzeitig auf die Preise umgelegt. Das ist immer ein Spagat. Aber wenn die Einkommen steigen, zahlen Menschen in der Regel auch höhere Preise, etwa für Dienstleistungen.
Mit der jetzigen Umfrage der IHKs, mit der sie das ifo Institut in Dresden beauftragt haben, werden die alten Befürchtungen wieder neu artikuliert.
Und es ist keine Überraschung, dass auch diesmal eine Mehrheit der befragten Unternehmen mit Blick auf eine Anpassung des gesetzlichen Mindestlohns ab dem 1. Januar 2017 eine Anhebung für wirtschaftlich nicht tragbar hält. Mehrheit heißt in diesem Fall: 58 Prozent.
Knapp 2.700 Unternehmen der gewerblichen Wirtschaft Sachsens in allen drei Kammerbezirken (von rund 85.000) waren vom ifo Institut zur individuellen Betroffenheit vom Mindestlohn, zu Anpassungsreaktionen und Beschäftigungseffekten befragt worden.
„Für viele Betriebe ist schon jetzt ein Mindestlohn in Höhe von 8,50 Euro ein Beschäftigungs- und Investitionshemmnis. Bei einer weiteren Erhöhung des Mindestlohns oder einer Verschlechterung der konjunkturellen Lage dürfte es deshalb besonders für Un- und Angelernte noch schwieriger werden, eine Beschäftigung zu finden bzw. beschäftigt zu bleiben“, versucht Hans-Joachim Wunderlich, Hauptgeschäftsführer der IHK Chemnitz, die Ergebnisse der Befragung zu interpretieren.
Wie sehr der Mindestlohn die Unternehmen in Sachsen betrifft, hat die Einführung im Jahr 2015 gezeigt: So mussten 54 Prozent der befragten Unternehmen zumindest für einen Teil ihrer Beschäftigten Löhne und Gehälter anheben.
Aber wenn die Untergrenze bei der Entlohnung steigt, hat das auch Folgen für die nächsthöheren Lohngruppen. Zur Wahrung des innerbetrieblichen Lohnabstands hat deshalb auch ein Drittel der betroffenen Unternehmen Löhne und Gehälter oberhalb des Mindestlohnniveaus angepasst. Einige Unternehmen mussten auch umstrukturieren, was sich aber in der Arbeitslosenstatistik nicht niederschlug. Im Gegenteil. Da, wo einige Unternehmen, deren Geschäftsmodell auf niedrigen Löhnen basierte, Personal entlassen mussten, fanden die Entlassenen in der Regel neue Anstellungen in anderen Unternehmen.
29 Prozent der befragten Unternehmen haben nach eigenen Angaben aufgrund des Mindestlohns Angestellte entlassen. Viele vom Mindestlohn betroffene Unternehmen hielten sich zudem bei Neueinstellungen und bei Investitionen (je 39 Prozent) zurück, verminderten Sonderzahlungen (33 Prozent) und die Arbeitszeit ihrer Beschäftigten (32 Prozent). 58 Prozent der betroffenen Unternehmen gaben den gestiegenen Kostendruck in Form von Preiserhöhungen weiter.
Der Mindestlohn hat also im Nebeneffekt auch den Wettbewerb in Sachsen neu befeuert.
Und er habe Sachsen gut getan, betont Henning Homann, arbeitsmarktpolitischer Sprecher der SPD-Fraktion im Landtag, auf die IHK-Meldung hin. Denn eigentlich war es der weit verbreitete Niedriglohn, der eben nicht nur den Beschäftigten zu schaffen machte, sondern auch die Wirtschaftsentwicklung in Sachsen ausgebremst hat.
„Der Mindestlohn funktioniert. In Sachsen profitieren überdurchschnittlich viele Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer vom Mindestlohn. Wenn über die Hälfte der befragten Unternehmen Lohnanpassungen in Folge der Mindestlohneinführung vornehmen mussten, zeigt dies wie schlecht der Zustand vorher war“, erklärt Henning Homann. „Gerade Unternehmen ohne Tarifbindung oder Branchenmindestlöhne hoben ihre Löhne an. Und das ist positiv für die dort tätigen Beschäftigten. Die bisher in Sachsen vorherrschende Niedriglohnpolitik musste beendet werden. Dies konnte nur mit dem Mindestlohn erreicht werden. Es hat sich gezeigt, dass seine Einführung richtig war – trotz Panikmache und Horrorszenarien, wie sie auch das ifo-Institut noch im letzten Jahr verbreitete. Dass diese negativen Auswirkungen nicht einmal ansatzweise eingetreten sind, müssen nun auch die größten Kritiker des Mindestlohnes zugeben.“
Aber die ifo-Umfrage lässt auch die IHKs eher zu einer moderaten Einschätzung kommen: „Bei den Kammern besteht Konsens, dass der Gesetzgeber bei einer Anpassung des Mindestlohns Augenmaß walten lassen muss, um die Wettbewerbsfähigkeit der sächsischen Wirtschaft nicht zu gefährden. Staatliche Eingriffe in die Lohnfindung sind aus Kammersicht generell kritisch zu bewerten, da sie marktwirtschaftliche Prozesse außer Kraft setzen.“
Mit Blick auf die die Anpassungen des Mindestlohnes ab 2017 rät Henning Homann zur Gelassenheit: „Natürlich hat die Höhe des Mindestlohns Auswirkungen. Die Unternehmen haben aber gezeigt, dass sie damit umgehen können. 41 Prozent der befragten Unternehmen halten sogar einen höheren Mindestlohn für vertretbar. Ich bin mir sicher, dieser Wert wird angesichts der positiven Entwicklungen auf dem sächsischen Arbeitsmarkt weiter steigen. Für die Zukunft wünsche ich mir, dass die Unternehmen die Potentiale höherer Löhne noch besser erkennen und nicht versuchen, sich auf Kosten der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer oder auch der Investitionen anzupassen. Auch die sächsische Wirtschaft wird sich auf eine kontinuierlich steigende Lohnentwicklung einstellen müssen. Für eine erneute Panikmache im Vorfeld des Vorschlages der Mindestlohnkommission Ende Juni habe ich absolut kein Verständnis, zumal auch die Wirtschaft an der Mindestlohnkommission beteiligt ist.“
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Es gibt 5 Kommentare
So groß sind die Unterschiede zwischen Ost und West nicht mehr. Was nicht nur an der Abwanderung willigster Arbeitskräfte gen Westen liegt.
In Stuttgart zB kannste noch so lange lamentieren, dass du beim Porsche oder Benz mal 20€ in der Stunde hattest. Jobcenter sagt dann: ja, hattest. Und jetzt hast nix, also ab zur Leihbude Muskelkaufrausch und wieder beim Benz arbeiten, für nen Zehner, schlimmer als ein Lehrling. Und wenn du das nicht machst kommt was immer kommt in dem Fall: 3 Monate lang 130€ weniger auf dem Konto.
Und wir alle wissen doch: wenn die Autorate drückt, oder gar die Rate fürs Eigenheim, wenn dir die Bank im Nacken sitzt, dann machste auch noch nen prekären Nebenjob dazu
Gibt es da beim “sich bieten lassen” Unterschiede zwischen Ost und West? Ich kanns mir nicht vorstellen.
Aber es gibt ja noch Arbeitsgerichte, wo man auch sein Recht einklagen kann, schließlich gibt es Gesetze. Man muss sich trotzdem nicht behandeln lassen, wie ein Sklave. Wenn keiner aufmuckt, geht das weiter so. Im westlichen Teil Deutschlands lassen sich die Menschen das so nicht bieten!
Liebe Monika,
so ganz freiwillig arbeiten die alle nicht in so extrem prekären Jobs, so ganz freiwillig laufen die auch nicht zur Schlachtbank.
Die Einen tun es, um nur ja nicht zum Jobcenter zu müssen, die anderen wurden sanktionsbewehrt vom Jobcenter in solche Jobs “integriert”. Bewirbt man sich nicht, oder nicht genug um solche Jobs, kann man sanktioniert werden. Bedeutet: 30% Regelsatz für 3 Monate futsch. Hinzu kommt eine Erstattungsforderung für die fiktiv nicht zu erbringenden Leistungen wenn man den Job angenommen hätte, auf weitgehend unbestimmte Zeit. Das gleiche passiert wenn man solch einen Job kündigt oder sich so verhält, dass man gekündigt wird.
So, und wenn man nun noch weis, dass Neuankömmlinge im JC sofort in ArbeitDirekt gezwungen werden mit 5 bis 10 Bewerbungen pro Woche, wo man mit “Vermittlungsvorschlägen” besonders im immer suchenden prekären Dienstleistungssektor beglückt wird, dann ahnt man in etwa warum die alle nicht aufmucken.
Gejammert wird immer auf hohem Niveau! Solche Firmen, die das angeblich nicht bezahlen “können” sollen doch pleite gehen, na und! Manche Unternehmer haben bloß Angst, dass nicht genug auf dem eigenen Konto übrigbleibt. Die Gier ist groß. Ich spreche jetzt nicht von einem Kleinstunternehmer, der gerade so über die Runden kommt. Aber sie dürfen nicht vergessen, das der Reichtum durch Arbeitnehmer verdient wird. Natürlich haftet ein Unternehmer auch mit seinem Vermögen.
Es gibt sogar Unternehmer, die für den Mindestlohn sind, weil so der Wettbewerb angestoßen wird und nicht diejenigen die Aufträge bekommen, die die billigsten Preise bieten, weil sie ihre Angestellten schlecht bezahlen.
Ich frage mich, warum sich viele Arbeitnehmer so ausbeuten lassen, wenn sich alle dagegen wehren, dann kann der AG nichts machen, er müsste dann die ganze Arbeit selber machen, was ja wohl nicht zu machen wäre. Es gibt auch jetzt noch Arbeitsverhältnisse im Dienstleistungsbereich, da müssen Arbeitnehmer wenn sie krank sind, Urlaub nehmen. Das ist ungesetzlich! Viele Arbeitnehmer lassen sich das gefallen, weil sie Angst um den Arbeitsplatz haben. Was sind das nur für gehorsame Schafe? Die lassen sich freiwillig zur Schlachtbank führen! So kann man keine Gerechtigkeit herstellen!