Da kommt was zu auf die Kommunen in Mitteldeutschland. Am Montag, 21. März, beginnen die Verhandlungen zu neuen Tarifverträgen in den Kommunen der drei Bundesländer Sachsen, Thüringen und Sachsen-Anhalt. Und die Dienstleistungsgewerkschaft Ver.di geht mit einer satten Forderung in die Verhandlung: 6 Prozent mehr Entgelt für die Beschäftigten. Und nicht nur die Kämmerer dürften stöhnen.
Denn gerade erst haben sie die auch nicht gerade lütten Tarifsteigerungen von 3,3 Prozent im Jahr 2014 und 2,4 Prozent im Jahr 2015 irgendwie in die Haushalte gedrückt. Haushalte, denen es gar nicht gut geht. Es gibt wenige Kommunen in Mitteldeutschland, die einen einigermaßen ausgeglichenen Haushalt haben, viele kratzen am Limit oder stecken tief im Minus. Ein Problem, das nicht nur ostdeutsche Kommunen haben. Das sieht auch Oliver Greie so, der Ver.di-Landesbezirksleiter für die drei mitteldeutschen Länder.
Am Mittwoch, 16. März, hatte Ver.di ins Leipziger Gewerkschaftshaus eingeladen, um über die kommenden Verhandlungen zu berichten. Dass man mit einer ordentlichen Forderung in die Verhandlungen gehen wolle, haben die Landesverbände schon im November 2015 beschlossen. Mit entsprechendem Echo insbesondere aus den Kommunen, die ja derzeit auch noch unter besonderen Belastungen ächzen, denn sie sind es ja, die die Hauptlast der Unterbringung der Flüchtlinge zu tragen haben – nicht nur finanziell, sondern auch personell. Viele haben extra Personal eingestellt, um die ganze Organisation zu bewältigen. Und das auch bei sichtlichen Problemen gerade auf Länderebene, die nötigen finanziellen Ressourcen durchzureichen.
Dabei fehlt es nicht am Geld. 2015 wurde ein Steuerplus von 6,8 Milliarden Euro erwirtschaftet. Nur landet das Geld kaum bei den Kommunen. Es knirscht schon seit Jahren im Konstrukt der Kommunalfinanzierung. Bund und Länder haben immer mehr Pflichtaufgaben an die Kommunen weitergereicht, die Finanzierung aber nur zum Teil oder gar nicht gesichert. Es sind vor allem die Pflichtaufgaben, die vielen Kommunen auch in Mitteldeutschland die Beine wegreißen. Und berechtigterweise appelliert auch Ver.di an den Bund, endlich die Gemeindefinanzreform auf die Beine zu stellen und die Kommunen ausreichend mit Geld auszustatten.
Und so entsteht jetzt ein gewisses Ungleichgewicht: Ver.di plädiert – mit einiger Berechtigung – dafür, dass die Angestellten in den Kommunen deutlich mehr Geld bekommen. Man orientiert sich dabei an Tarifsteigerungen in Branchen wie der Metallerzeugung oder Bergbau und Chemie, wo die jeweiligen Gewerkschaften in den vergangenen 15 Jahren bis zu 11 Prozent mehr Tarifsteigerung aushandeln konnten, als es im öffentlichen Dienst möglich war. Von bewusster und einvernehmlicher Zurückhaltung spricht Greie. So hätten gerade die Angestellten im öffentlichen Dienst deutlich zur Entlastung der Haushalte beigetragen, als sie gerade in den Zeiten der Finanzkrise Zurückhaltung übten.
Die Verbraucherpreise stiegen trotzdem weiter, die Produktivität der Wirtschaft auch – und die Steuern ebenfalls. Das müsse ja wieder bei den Beschäftigten im öffentlichen Dienst ankommen, zu denen ja nicht nur die Verwaltungsangestellten gehören, sondern auch Erzieherinnen, Feuerwehrleute, Politessen, Gärtner, Friedhofsangestellte usw. Dazu kommunale Zweckverbände mit ihren Angestellten oder öffentliche Institute wie die Sparkassen und Kultureinrichtungen wie die Oper Leipzig.
Insgesamt 149.000 Angestellte im kommunalen Dienst der drei mitteldeutschen Länder könnten von den Tarifsteigerungen profitieren – wenn Ver.di seine Forderungen auch gegen die Arbeitgeber durchsetzen kann. Und es geht nicht nur um Geld.
Es geht auch um die Beendigung einiger Notstände, die auch im öffentlichen Dienst Eingang gefunden haben, als es nur noch Sparen, Kürzen, Straffen hieß.
Das Instrument der befristeten Beschäftigung sei mittlerweile in einem Ausmaß anzutreffen, das mit dem tatsächlichen Bedarf nichts mehr zu tun habe, kritisiert Greie. Ohne belastbaren Sachgrund hätten sie im öffentlichen Dienst eigentlich nichts zu suchen, seien mittlerweile sogar kontraproduktiv. Denn ab 2017 / 2018 beginnt im gesamten öffentlichen Dienst der ostdeutschen Länder eine Welle zu rollen: Dann gehen überproportional viele Angestellte in den Ruhestand, Ergebnis einer zunehmenden Überalterung allerorten.
Der öffentliche Dienst ist zwingend angewiesen darauf, sich jetzt jeden verfügbaren Nachwuchs zu sichern, um demnächst überhaupt noch genug Personal zur Bewältigung der Aufgaben zu haben. Deshalb fordert Ver.di auch eine verbindliche Übernahmeregelung für alle Auszubildenden im öffentlichen Dienst. Die entsprechende Regelung ist am 29. Februar ausgelaufen und sollte zwingend erneuert werden, betont Greie.
Geradezu kontraproduktiv sei, so Greie, wenn die Arbeitgeber in den Verhandlungen eine Absenkung in der betrieblichen Altersvorsorge durchsetzen wollen.
Im Gegenteil: Attraktiv wäre der öffentliche Dienst nur, wenn sich die Angestellten auf so ein Instrument verlassen könnten.
Und auch eine attraktive Gehaltssteigerung gehört für ihn dazu, wenn der öffentliche Dienst zukunftsfähig bleiben wolle. Denn schon heute fällt es Kommunen in vielen Bereichen schwer, überhaupt noch das fachlich qualifizierte Personal zu bekommen. Was natürlich mit der anderen Seite der demografischen Entwicklung zu tun hat: Mittlerweile prügeln sich alle, wirklich alle Bereiche von Wirtschaft und Verwaltung um den ausbildbaren Nachwuchs. Seit 2010 sind die Ausbildungsjahrgänge halbiert und Industrie, Handwerk, Land, Kommunen, Forschung, Kreativwirtschaft usw. – alle hungern nach echtem, belastbarem Nachwuchs. Auch um seine Attraktivität zu bewahren, sollte der öffentliche Dienst jetzt deutlich bessere Tarifabschlüsse bekommen.
Am 21. März ist der erste Verhandlungstag, weitere Runden sind im April angesetzt. Bis Ende April – so wünscht sich Greie – sollte das Verhandlungsergebnis stehen. Wenn nicht, dann sei man durchaus bereit, auch wieder mit kleineren oder größeren Streikaktionen den Druck zu verstärken.
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