Was geschieht eigentlich, wenn die Geschäftsmodelle großer Unternehmen in die Krise geraten? Das schlägt in Sachsen immer häufiger auf die Kommunen zurück - insbesondere dort, wo sie auf die Gewerbesteuerzahlung eines großen Unternehmens dringend angewiesen sind. Denn wenn die Zahlungen ausfallen oder gar Rückforderungen angemeldet werden, rutschen kleine Gemeinden meist tief in Probleme.

Ein Thema, das nicht nur die Linke-Landtagsabgeordnete Verena Meiwald interessierte, sondern auch den Grünen-Abgeordneten Dr. Gerd Lippold. Denn zu einem alarmierenden Problem wurde das Thema im Herbst 2015 in der Lausitz, wo es nicht nur um die Arbeitsplätze geht, die am dort tätigen Kohlekonzern Vattenfall hängen, sondern auch um die Steuereinnahmen der Gemeinden. Jahrelang hatten sie mit relativ guten Steuerbeiträgen aus dem Geschäftsergebnis von Vattenfall rechnen und planen können. Für viele Gemeinden ist der Konzern der einzige wirklich große Steuerzahler.

Aber damit war es 2015 vorbei. Im Vorjahr hatte Vattenfall erstmals ein negatives Geschäftsergebnis vorgelegt. Mit der Kohleverstromung lassen sich in Deutschland keine Gewinne mehr erwirtschaften. Über Nacht war damit der wichtigste Steuerzahler für viele Gemeinden in der Lausitz verschwunden.

Was dann zu einem Offenen Brief der Gemeinden Boxdorf/O.L., Schleife, Weißwasser/O.L., Trebendorf, Forst (Lausitz), Rietschen, Gablenz, Spreetal, Krauschwitz, Elsterheide, Kreba-Neudorf, Groß Düben, Welzow, Weißkeißel, Lauta, Spremberg, Peitz, Drebkau, Döbern-Land, Burg und Kolkwitz an die Bundeskanzlerin, den Bundeswirtschaftsminister und die Ministerpräsidenten von Sachsen und Brandenburg geführt hat.

Aber im Dezember wollte die Sächsische Staatsregierung auf die Anfrage von Verena Meiwald noch nicht bestätigen, ob es tatsächlich zu einem Gewerbesteuerausfall gekommen ist. In Steuerfragen mahlen die Mühlen langsam. Denn wie hoch die Steuerveranlagung tatsächlich ist, wird ja auch von den Finanzämtern immer erst im Folgejahr festgestellt. Unternehmen, die Verluste oder Abschreibungen verbuchen mussten, machen dann oft auch Steuerrückforderungen geltend.

Aber davon war zumindest im Dezember 2015 im Sächsischen Finanzministerium noch nichts bekannt. Finanzminister Georg Unland: „Die der Kleinen Anfrage vorangestellten Ausführungen decken sich nicht mit den der Staatsregierung vorliegenden Daten aus der Kassenstatistik. Inwieweit dennoch eine Unterstützung der Gemeinden angezeigt sein kann, hängt von weiteren Erkenntnisgewinnen ab, um die sich die Staatsregierung derzeit mit betroffenen Gemeinden bemüht.“

Ein Vierteljahr später hat sich daran auch noch nichts geändert, obwohl nun Gerd Lippold noch einmal nachgefragt hat, nachdem nun auch das Thema Abgasskandal bei VW in den sächsischen VW-Standorten für einige Beunruhigung gesorgt hat. Im Sächsischen Landtag hatte Wirtschaftsminister Martin Dulig (SPD) geäußert: „Neben Zulieferunternehmen sind jedoch auch die Standortkommunen von erheblichen Steuerausfällen bedroht, wenn große Unternehmen am Standort wegen unerwarteter hoher Rückstellungen, Sonderabschreibungen oder Zusammenbruchs von Geschäftsmodellen Gewerbesteuervorauszahlungen zurückfordern und sich auch für Folgejahre Einnahmeerwartungen drastisch verschlechtern. – Dies droht nicht nur im Zusammenhang mit der Bewältigung der VW-Abgasaffäre, sondern solche Ausfälle sind bereits in sächsischen Gemeinden Realität, die bislang wesentliche Teile ihrer Kommunalfinanzierung aus Gewerbesteuereinnahmen aus der ortsansässigen Braunkohlenwirtschaft erhalten haben.“

Logisch, dass sich Gerd Lippold animiert fühlte, nachzufragen, was die Staatsregierung denn schon über Steuerausfälle wisse.

Aber Genaues weiß man eigentlich nicht. Es ist gut möglich, dass Gemeinden aus konkreten Gründen starke Steuerausfälle hatten – aber welches Unternehmen dafür ursächlich war, unterliegt in der Regel dem Steuergeheimnis.

Und so sagt denn auch Finanzminister Georg Unland: „Der Staatsregierung liegen die zur Beantwortung der Frage erforderlichen Erkenntnisse nicht vor, da bei Fehlbeträgen nicht nach den jeweiligen Ursachen differenziert wird.“

In der Regel erfahren nicht einmal die Bürger der Gemeinde, wer nun für den Steuereinnahmen-Rückgang verantwortlich ist. Selbst die Leipziger kennen diese Dellen, wenn ein großes Unternehmen rückwirkend manchmal durchaus namhafte Millionenbeträge zurückhaben will.

Und die Lausitz-Gemeinden, die 2015 ihren Offenen Brief geschrieben haben, haben auch noch nicht beziffert, in welcher Größenordnung sie jetzt eigentlich Hilfe brauchen.

Finanzminister Georg Unland: „Der Staatsregierung liegen bislang keine konkreten Anträge der betroffenen Gemeinden vor. Die in der Antwort zu Frage 2 der Kleinen Anfrage, Drs. 6/3200. aufgelisteten Kommunen haben allgemeinen Unterstützungsbedarf in noch nicht konkretisierter Höhe angemeldet. Zudem haben dies bislang auch Hoyerswerda und Neukieritzsch getan.“

Und damit ist auch diese Katze aus dem Sack: Nach den Kommunen in der Lausitz trifft es jetzt auch die Kommunen im Leipziger Bergbaurevier. Neukieritzsch liegt im Mibrag-Gebiet. Und die Mibrag hatte 2015 einen Gewinnrückgang zu verzeichnen. Auch im Leipziger Südraum geht die Zeit der Kohleverbrennung vorbei, lässt sich mit Kohle kaum mehr Gewinn erwirtschaften. Und die Lage wird sich auch nicht entspannen, wenn Sachsen weiter um jeden Preis an der Kohleverstromung festhält.

Die Anfrage von Verena Meiwald (Die Linke). Drs. 3200

Die Anfrage von Dr. Gerd Lippold (Grüne). Drs 4235

Korrekturhinweis, 30. März: In einer ersten Fassung des Textes hatten wir von einem Jahresverlust der Mibrag im Jahr 2015 geschrieben. Doch 2015 verzeichnete das Bergbauunternehmen nur einen Gewinnrückgang, keinen Verlust. Tatsächlich hat dasUnternehmen mit einem Ergebnis von 13,4 Millionen Euro abgeschlossen und damit eine Umsatzrendite von 3,4 Prozent erwirtschaftet.

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