Im März wird für den schwedischen Energieriesen Vattenfall die Stunde der Wahrheit kommen. Dann will er die Angebote für seine Kraftwerke und Tagebaue in der Lausitz auf dem Tisch haben. Und es könnte passieren, dass sich dabei herausstellt, dass die Gebote deutlich niedriger sind, als erwartet. Vier potenzielle Käufer, darunter drei tschechische Unternehmen, sind aufgefordert, bis zur ersten Märzwoche verbindliche Angebote vorzulegen.

Dabei erwartet Vattenfall seit Ende 2014 für sein deutsches Braunkohlen- und Wasserkraftgeschäft einen Kaufpreis von etwa 3 Milliarden Euro. Aber: Wie werthaltig ist die zum Verkauf stehende Braunkohlensparte von Vattenfall tatsächlich noch? Analystenaussagen der letzten Tage hegen daran offenbar große Zweifel, stellt dazu Dr. Gerd Lippold, energiepolitischer Sprecher der Grünen-Fraktion im Sächsischen Landtag, fest. Darüber berichtete am 28. Januar auch die Sächsische Zeitung, die sich wieder auf die schwedische Tageszeitung “Svenska Dagbladet” beruft. Und diese beziffert nun den Unternehmenswert mit allenfalls 200 bis 300 Millionen Euro, möglicherweise auch ‘nahe Null’. Hintergrund sind unter anderem Aussagen von Peter Bart, Analyst der großen tschechischen Bank Ceska Sporitelna.

Oder mal in schönem Schwedisch: “Vattenfall får 3 miljarder – inte 25”. Heißt: 3 Milliarden Kronen statt 25. Umgerechnet also 200 bis 300 Millionen Euro statt der gewünschten 3 Milliarden.

“Angesichts der Unternehmensbilanzen und der Situation am Strommarkt sind diese Meldungen für mich keine Überraschung. Auch der Kaufinteressent STEAG war bereits zu einer ähnlichen Bewertung gekommen und war nur bereit, unverbindlich maximal 300 Millionen Euro für den Unternehmenswert zu bieten. Auch das Konzept von Greenpeace Nordic sah nur einen Barwert von maximal 500 Millionen Euro. Bei Bergbaufolgekosten von rund 2 Milliarden Euro läuft das effektiv auf einen negativen Kaufpreis hinaus”, kommentiert Lippold die Zahlen. Greenpeace wurde von Vattenfall gleich aus dem Bieterverfahren geworfen. Dabei hatte Greenpeace ein komplettes Ausstiegsprogramm für die Braunkohle in der Lausitz vorgelegt. Das ist eigentlich überfällig. Das haben mittlerweile die meisten Akteure begriffen.

Am 18. Januar ging die Gründung der “Lausitzgesellschaft” durch die Presse. Der Bund fördert den Strukturwandel künftig mit 4 Millionen Euro. Was viel zu wenig ist, aber zumindest das Eingeständnis, dass der Ausstieg aus der Kohle gestaltet werden muss. Und auch bei Vattenfall glaubt man längst nicht mehr daran, dass bis 2050 noch Kohlekraftwerke in der Lausitz arbeiten. Eher wird es auf die immer öfter genannte Zahl von 25 Jahren hinauslaufen. Um das Jahr 2040 wird die Braunkohleverbrennung in Deutschland zu Ende gehen. Und das hat vor allem damit zu tun, dass sich die Verbrennung der Kohle mit dem steigenden Anteil alternativer Energie einfach nicht mehr rechnet. Der Prozess ist längst im Gang.

“Wenn sich innerhalb nur eines Jahres die Wertvorstellungen für das Braunkohlengeschäft um neun Zehntel reduzieren, so ist das Geschäftsmodell bereits heute hochgradig instabil. Die klimapolitischen und energiewirtschaftlichen Rahmenbedingungen ändern sich aber weiter dynamisch – und nicht zugunsten der Kohle”, stellt denn auch Lippold fest. “Jedem Investor, der so etwas in die Hand nehmen will, muss klar sein, dass er enorme wirtschaftliche Risiken eingeht. Der sächsischen Staatsregierung, die sich vehement für den Verkauf an Investoren einsetzt, muss sich bewusst werden, dass sie damit auch die Lausitzer und Mitteldeutschen Reviere derselben Unberechenbarkeit aussetzt.”

Für die drei bietenden tschechischen Unternehmen ist der Zugriff in der Lausitz nur deshalb attraktiv, weil sie mit der Kohle auch den Bedarf ihrer tschechischen Kraftwerke decken können. Da wird eher spannend, ob sie stattdessen die Meiler in der Lausitz weiterlaufen lassen oder die Kohletransporte durchs Land schicken.

“Es kann nur eine Schlussfolgerung geben: die Staatsregierung muss sich schnellstens für einen nationalen Kohlekonsens einsetzen, der neben einem verbindlichen Ausstiegsplan auch erstmals wieder für eine klare und berechenbare Geschäftsperspektive für die Unternehmen in der Restlaufzeit sorgt”, benennt Lippold die wesentliche Hausaufgabe, um die sich die drei Landesregierungen in Brandenburg, Sachsen und Sachsen-Anhalt bis heute herumdrücken. Denn nicht nur in der Lausitz ist das Ende der Braunkohleverstromung absehbar, sondern auch im mitteldeutschen Kohlerevier, wo die Mibrag unterwegs ist. “Erhebliche Mittel für die Förderung des Strukturwandels sind als Bestandteil eines solchen Konsenses eine Selbstverständlichkeit. Voraussetzung dafür ist aber die Erkenntnis, dass der bevorstehende Abschied vom Kohlezeitalter gesellschaftliche Realität geworden ist. Für diese Erkenntnis hat die Staatsregierung, hat Sachsen wirklich nicht mehr viel Zeit.”

Was Lippold nun befürchtet, ist, dass Sachsen künftig auf den Renaturierungskosten für die Bergbaulandschaften allein dasteht. Vattenfall hat immerhin einige Rücklagen gebildet, um die Bergbaufolgen zu beseitigen. Aber werden die möglichen Käufer ebenso vorsorgen? Wäre es nicht besser, wenn Vattenfall selbst den geplanten Ausstieg organisiert, statt sich durch den Verkauf der Kohlesparte einfach aus der Verantwortung zu stehlen?

Gerd Lippold: “Anstatt bei absehbaren Bergbaufolgekosten mit einem hastigen Investorendeal enorme Zukunftslasten für die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler zu riskieren, sollten die Regierungen von Sachsen und Brandenburg darauf drängen, dass Vattenfall im Rahmen einer nationalen Kohlekonsens-Lösung das Geschäft weiterführt, den schrittweisen Abschied von der Ära der Kohleverstromung selbst vollzieht und den Strukturwandel der Regionen verantwortungsbewusst begleitet. Das fordern die Grünen-Landtagsfraktionen in Brandenburg und Sachsen gemeinsam seit Bekanntwerden der Verkaufsabsichten.”

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Rekultivierung ist Teil des bergrechtichen Betriebsplanes, den das Unternehmen vorzulegen hat. Der vom zuständigen Oberbergamt zu prüfen und zuzulassen ist. Die Kosten der Rekultivierung hat das Bergunternehmen zu tragen.

Die Kosten dieser Rekultivierung haben rein gar nichts mit den Kosten der Rekultivierung der DDR – Alttagebaue, die in der LMBV, dem Schwester-Unternehmen der Treuhandanstalt, abgewickelt werden, zu tun.

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