Der Klimavertrag von Paris ist in Sack und Tüten. Einige Medien sprachen schon vom "Wunder von Paris". Gemessen an der Hartleibigkeit der Weltpolitik in den vergangenen 20 Jahren könnte man das schon so sagen. Zumindest hat man jetzt mal etwas deutlicher formuliert, dass die Menschheit aufhören muss mit der Verbrennung von fossilen Energieträgern. Aber für das erklärte Ziel von 1,5 Grad reichen die beschlossenen Maßnahmen nicht.
“Ich begrüße, dass sich die Delegierten auf das ehrgeizigere Ziel von 1,5 Grad Erderwärmung einigen konnten. Jedoch: die nationalen Beiträge zur Emissionsreduktion, die tatsächlich eingereicht wurden, sind absolut unzureichend und werden eine Erderwärmung von drei Grad nach sich ziehen”, kommentierte die Europa-Abgeordnete der Linken, Cornelia Ernst, das Ergebnis. “Ich begrüße auch, dass der Ausstieg aus den fossilen Brennstoffen gefordert wird, jedoch fehlt hier jeglicher Zeitplan, der die Unterzeichnerstaaten entsprechend unter Druck setzen kann. Wir brauchen einen Ausstieg aus fossilen Brennstoffen bis 2050, um einer Klimakatastrophe zu entgehen. Und der lange geforderte “Loss-and-Damage”-Mechanismus, mit dem vom Klimawandel betroffene Staaten Entschädigung erhalten können, ist zwar im Text enthalten, aber ohne finanzielle Verpflichtungen für die Industriestaaten.”
Dr. Jana Pinka, stellvertretende Landesvorsitzende der Linken in Sachsen, äußerte sich ganz ähnlich: “Es ist schon ein bedeutender Tag in der Weltgeschichte – am 12. Dezember 2015 haben 192 Verhandlungspartner in Paris die Vereinbarung zur Begrenzung der Erderwärmung auf deutlich unter zwei Grad angenommen! Diesem Ziel müssen in allen Regionen der Welt und mit Hilfe der reichen Industrienationen Taten folgen. Es ist an der Zeit, auch in Sachsen aus der Braunkohleverstromung durch Gesetzgebung auszusteigen, damit sich ein neues System aus regenerativen Energien entwickeln kann. Dazu gehört, dass im Jahr 2040 der letzte Kohlekraftwerksblock stillgelegt wird.”
Und der Blick auf die sächsische Kohlewirtschaft legt es nahe, die möglichen Ursachen eines Scheiterns genau hier zu sehen.
Jana Pinka: “Damit kann Sachsen auch einen Beitrag zum Weltfrieden leisten! Denn Klimapolitik ist vor allem auch Friedenspolitik. Die Ursache von Migration von Menschen liegt mehr und mehr auch in nicht lebensfähigen Bedingungen in Folge des Klimawandels in den ärmsten Regionen der Welt.“
Und der Zeitplan ist straff. Wenn Sachsen den Ausstieg rechtzeitig bewerkstelligen will, muss es ihn jetzt organisieren.
Cornelia Ernst: “Wir brauchen den Ausstieg aus fossilen Brennstoffen bis 2050, eine europäische Energieunion, die nicht auf Gas und Kohle setzt, sondern auf die dezentrale Erzeugung aus erneuerbaren Energien, und eine drastische Senkung der Treibhausgasemissionen.”
Und weil ein durchaus janusköpfiges Ergebnis zu erwarten war, haben am Samstag, 12. Dezember, hunderte Aktive vom Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) für den Ausstieg aus Kohle, Öl und Gas protestiert. Auch in Leipzig protestierten Umweltschutz-Aktive am alten Messegelände.
“Die Ergebnisse der zweiwöchigen Verhandlungen in Paris reichen zum Schutz des Weltklimas nicht aus“, erklärte bei der Gelegenheit Martin Hilbrecht vom BUND Leipzig. Es fehle eindeutig an ambitionierten Ausstiegsplänen aus fossilen Energien. “Weil die Politik versagt hat, sehen wir uns als Bürgerinnen und Bürger jetzt selbst in der Verantwortung, die Energiewende auf lokaler Ebene in unseren Städten und Kommunen umzusetzen. Wir erwarten auch von der Stadt Leipzig, bis spätestens zum Jahr 2050 klimaneutral zu sein. Investitionen in Unternehmen, die fossile Energieträger fördern, vertreiben oder verarbeiten, muss Leipzig beenden. Auch von der Bundesregierung erwarten wir jetzt konkrete schnelle Schritte. Deutschland muss endlich ernst machen und den Ausstieg aus der Kohle einleiten, damit er spätestens in den nächsten 25 Jahren abgeschlossen ist. Die dreckigsten und ältesten Kohlekraftwerke müssen zuerst vom Netz genommen werden“.”
Um die globale Erwärmung auf ein gerade noch beherrschbares Maß zu beschränken und die schlimmsten Folgen für ärmere, besonders vom Klimawandel betroffene Länder abzuwenden, müssten alle Länder bis Mitte des Jahrhunderts auf eine 100-prozentige regenerative Energieversorgung umsteigen. Das in Paris beschlossene Klimaschutzabkommen sieht der BUND nur als ein erstes Lippenbekenntnis für ein Treibhausgas-freies Wirtschaften.
“Jetzt sind konkrete Schritte gefragt, damit der Klimawandel aufgehalten werden kann. Für unsere Region heißt das, unsere Stadt muss ihre Pläne für CO2-intensive Vorhaben wie Kohleförderung und Straßenbau aufgeben und verstärkt auf den Ausbau des Radverkehrs und des öffentlichen Nahverkehrs, sowie erneuerbare Energien setzen“, beschreibt Martin Hilbrecht die logischen Schritte.
Die Luftreinheitsrichtlinien, die Leipzig umsetzen muss, könnten nur eingehalten werden, wenn auf klimaschädliche Technologien von gestern verzichtet wird, stattdessen aber eine Alternative durch die Investition in klimaneutrale Vorhaben und Bürgerenergieprojekte geschaffen werde.
Der BUND hat neben den nötigen Zielen und Finanzregelungen auch konkret vorgerechnet, in welchen Schritten eine klimafreundliche Energieversorgung (nicht nur beim Strom) bis 2050 aufgebaut werden könnte. Dabei hat der Verzicht auf Braunkohleverstromung oder eine Agrarwende für Natur, Umwelt und den Menschen weitere Vorteile. Fossile Brennstoffe in Kraftwerken, Verkehr und industrialisierter Landwirtschaft sind auch der Hauptverursacher gestörter Stickstoffkreisläufe und Ökosysteme, mit denen der Mensch langfristig seine Existenzgrundlage untergräbt und auch ökonomisch großen Schaden anrichtet. Der gestörte Stickstoffkreislauf ist zudem über die Atemluft für viele Todesfälle und jährliche Milliardenkosten im Gesundheitssystem verantwortlich.
Auch in Frankreich und Österreich gingen am Samstag mehrere tausend Mitglieder von lokalen BUND-Gruppen und dem BUND-Dachverband „Friends of the Earth“ für die Energiewende von unten und den Ausstieg aus Kohle, Öl und Gas auf die Straße.
Eigentlich ist ja die viel gepriesene Energiewende in Deutschland längst im Gange.
Doch noch immer bremsen Subventionen und Besserstellungen für fossile Kraftwerke den Umbau der Energielandschaft. Darauf wies auch Dr. Hermann Falk, Geschäftsführer des Bundesverbands Erneuerbare Energie (BEE), am Sonntag, 13. Dezember, hin: “Mit dem Klimavertrag von Paris wurde die Dekarbonisierung der Weltwirtschaft endgültig besiegelt. Die Weltstaatengemeinschaft sendet ein starkes Signal auch an Deutschland, die Energiewirtschaft beschleunigt umzubauen, weg von Kohle und Öl. In der Konsequenz sollten die Bundesregierung und die EU die nationalen und europäischen Ausbauziele für Erneuerbare Energien jetzt anheben, um unsere Energieversorgung rasch auf die saubere Basis von 100 Prozent Erneuerbare Energien zu stellen. Im Stromsektor könnten wir bereits 2020 einen Anteil von über 45 Prozent Ökostrom erreichen – und damit fünf Jahre schneller als von der Bundesregierung vorgesehen. Auch aus Brüssel sind für alle EU-Staaten deutlich ambitioniertere und verbindliche Ausbauziele erforderlich, wenn wir den Pariser Vertrag für Klimaschutz ernst nehmen. ”
Für die deutschen Unternehmen böten sich mit diesem globalen Klimakonsens große Chancen, ihre Technologieführerschaft bei Wind-, Sonnen- und Biomassekraftwerken und in der Effizienztechnik in Exporterfolge umzumünzen.
“Jetzt geht es darum, den Worten Taten folgen zu lassen. Die C02-Reduktion darf nicht nur auf dem Papier stehen. Erneuerbare Energien und Energieeffizienz sind der Schlüssel für das Unterschreiten der 1,5-Grad-Grenze”, betonte Falk. “Doch nicht nur der Stromsektor muss dekarbonisiert werden. Im Wärmesektor und im Verkehr muss die Bundesregierung durch Anreize und ordnungspolitische Maßnahmen endlich eine Kehrtwende einleiten. Hier ist das Potenzial für den Klimaschutz besonders groß. Noch immer gibt es zu viele gesetzliche Barrieren für Erneuerbare Energien. Zu viele Förderprogramme laufen nicht synchron und widersprechen der von der Bevölkerung mit überwältigender Mehrheit gewollten Energiewende. So ist es ein Skandal, dass die staatliche KfW noch immer Ölheizungen fördert und damit den Klimaschutzzielen entgegenarbeitet.“
Und dann ist da ja auch noch die Aktionsgruppe “Ende Gelände”, die jetzt nach dem Pariser Beschluss noch deutlicher gegen die sächsische Kohlepolitik protestieren will.
“Die Ergebnisse dieses Klimagipfels sind zynisch. Sie werden als Erfolg verkauft, bedeuten aber, dass der Klimawandel katastrophal voranschreitet. Die beschlossenen Maßnahmen werden zu 3 Grad Erderwärmung führen. Darunter werden die Menschen am meisten leiden, die die geringste Verantwortung für den Klimawandel tragen. Das Scheitern des Gipfels bestärkt uns, Klimaschutz selbst in die Hand zu nehmen und vor Ort gegen fossile Energien aktiv zu werden“, erklärt Hannah Eichberger, Pressesprecherin des Bündnisses Ende Gelände.
Das Bündnis hatte zum Auftakt der Klimaverhandlungen eine massenhafte Aktion zivilen Ungehorsams an Pfingsten 2016 im Lausitzer Braunkohlerevier angekündigt. Nach Überzeugung der AktivistInnen müsse effektiver Klimaschutz dort ansetzen, wo die Emissionen entstehen, an Kohlekraftwerken und -tagebauen.
Hannah Eichberger: “Ziviler Ungehorsam ist ein notwendiges Mittel, wenn die Politik unsere Zukunft verspielt.“
Das Bündnis Ende Gelände hatte bereits im Sommer 2015 die Kohleförderung im Rheinland unterbrochen. Über 1.000 AktivistInnen aus mehr als 25 Ländern stiegen in den Tagebau Garzweiler II hinab, um die Kohlebagger zu stoppen. Für 2016 plant Vattenfall den Verkauf seiner Braunkohlesparte in der Lausitz. Die geplanten Investitionen in fossile Energie hält “Ende Gelände” für unverantwortlich. „Wer in Kohle investiert, erntet Widerstand“, sagt Eichberger.
Vom 13. bis 16. Mai will “Ende Gelände” dann in der Lausitz gegen den Kohleabbau protestieren.
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