So deutlich wie lange nicht hat jetzt noch kurz vor Jahresschluss die Sächsische Arbeitsagentur daran erinnert, dass Sachsen ein Problem hat. Und das Problem heißt simpel: Sachsen hat nicht genug Ausbildungsnachwuchs für die Wirtschaft. Seit 2010 haben sich die Ausbildungsjahrgänge halbiert und die sächsischen Unternehmen müssen endlich umdenken bei der Suche nach dem Fachkräftenachwuchs.

Von Oktober 2014 bis September 2015 haben sich insgesamt 21.238 Mädchen und Jungen bei den Agenturen für Arbeit gemeldet und bei der Suche nach einem Ausbildungsplatz beraten lassen. Das sind – wieder einmal – 858 oder 3,9 Prozent weniger als im letzten Jahr, meldet die Arbeitsagentur. Im gleichen Zeitraum wurden den sächsischen Arbeitsagenturen 20.312 Lehrstellen gemeldet. Das sind 187 oder 0,9 Prozent mehr als im Vorjahreszeitraum. Zum Ende des Berichtsjahres (September 2015) gab es noch 1.695 unbesetzte Ausbildungsstellen und 683 Ausbildungsbewerber. Damit standen rechnerisch mehr als zwei freie Ausbildungsstellen für jeden noch suchenden Bewerber zur Verfügung.

Aber: In diesem Jahr konnte für jede zwölfte Ausbildungsstelle kein geeigneter Bewerber gefunden werden. Vor zehn Jahren war die Situation noch ganz anders. Damals konnte nur jede 37. (im Jahr 2005 insgesamt 601 unbesetzte Ausbildungsstellen) zum Ende des Ausbildungsjahres nicht erfolgreich besetzt werden.

In der Entwicklung zeigt sich, dass sich die Zahl der ausbildungssuchenden Jugendlichen mehr als halbiert hat und gleichzeitig die Zahl der Lehrstellen stieg. So standen im Jahr 2005 mehr als drei Jugendliche einer Ausbildungsstelle gegenüber. Damals waren viele junge Leute froh, überhaupt eine Ausbildungsstelle zu erhalten. Fast die Hälfte eines Jahrgangs packte damals noch seine Siebensachen und ging zur Ausbildung und künftigen Berufswahl in eines der westlichen Bundesländer.

Doch aktuell hat sich das Verhältnis zwischen Bewerbern und angebotenen Stellen fast ausgeglichen. Rechnerisch kommt ziemlich genau ein Bewerber auf einen Ausbildungsplatz.

“Diese Situation werden wir auch in diesem Jahr haben, denn die Zahl der Schulabgänger steigt nur in geringem Umfang. Die Ausbildungsbereitschaft der sächsischen Betriebe wird sicher auch weiter an Fahrt gewinnen”, prophezeit die Sächsische Arbeitsagentur.

Gab es im Ausbildungsjahr 2005 insgesamt 54.461 Jugendliche, die eine Ausbildung gesucht haben, so haben sich im aktuellen Jahr nur noch 21.238 junge Menschen bei der Berufsberatung gemeldet. Damit hat sich die Bewerberzahl mehr als halbiert. Und trotzdem leistet sich der Freistaat Sachsen ein Schulsystem, das nach wie vor über 10 Prozent der jungen Leute ohne Ausbildungsreife entlässt.

Aktuell sind in Sachsen über 29.000 freie Arbeitsstellen bei den Arbeitsagenturen und Jobcentern gemeldet – der höchste Stand seit Erfassung der Stellenstatistik. Freie Stellen bedeuten aber nicht, dass es Fachkräftemangel gibt, betont die Arbeitsagentur. Vielmehr seien freie Stellen ein Zeichen für einen gesunden und aufnahmefähigen Arbeitsmarkt. Da wird der Fachkräftebedarf der nächsten Jahre sichtbar. Man müsste jetzt also genau für diesen Bedarf ausbilden.

Aber da taucht das Problem dann in aller Nacktheit auf. Denn unbesetzte Ausbildungsstellen sind ein Zeichen für nicht genutzte Fachkräftesicherung.

Die Sächsische Arbeitsagentur macht zumindest noch “reichlich ungenutztes Potenzial” aus.

So gäbe es jedes Jahr ausbildungsfähige Jugendliche, die eine Berufsausbildung suchen. “Unternehmen sollten auch Bewerber bei der Personalauswahl berücksichtigen, die nicht unter die TOP-Kandidaten fallen. Schulnoten allein, sind kein Kriterium, das künftige Fachkräfte ausmacht. Vielmehr zählen auch Motivation, Talent und Fleiß”, so die Arbeitsagentur.

Man lebt augenscheinlich doch noch ein wenig in Elfenbeinturm. Denn genau diese drei Aspekte bemängeln viele Unternehmen noch viel massiver als den schlechten Schulabschluss. Denn – mal vom Talent abgesehen – werden Motivation und Fleiß normalerweise in einem Schulsystem gefördert und trainiert, was wirklich die bestmögliche Ausbildung aller jungen Menschen zum Ziel hat.

Ein solches Bildungssystem hat Sachsen aber nicht. Sachsen hat ein Bildungssystem, das auf Aussonderung, Entmutigung und Demotivierung angelegt ist. Was dann am Ende für die jungen Leute, denen dann auch noch der Rückhalt eines engagierten Elternhauses fehlt, auch oft dazu führt, dass “jede vierte Ausbildung in Sachsen vorzeitig abgebrochen” wird.

27,3 Prozent der Ausbildungen werden vorzeitig gelöst (Lösungsquoten), so die Arbeitsagentur. Im Beriech der IHK liegt sie bei 25,1 Prozent, im Handwerk sogar bei 33,0 Prozent, in der Landwirtschaft bei 27,1 Prozent und in der Hauswirtschaft bei 51,9 Prozent. Damit liegt Sachsen deutlich über dem Bundesdurchschnitt von 25 Prozent.

Drei Erfolgsfaktoren für die Ausbildungsplatzsuche hat die Sächsische Arbeitsagentur ausgemacht:

– Anforderungsniveau der Arbeitgeber à Schulnoten passen nicht immer zum Anforderungsniveau der Betriebe

– Räumliche Passgenauigkeit à Bewerber sind oft noch nicht so mobil und können daher nicht immer für eine Ausbildungsstelle pendeln oder umziehen (z.B. Bewerber aus Plauen und freie und passende Stelle in Bautzen)

– Berufswünsche à Bewerber wollen andere Berufe lernen, als angeboten werden

Womit auch noch ein paar demografische Probleme besonders in den ländlichen Räumen angesprochen sind. Aber Fakt ist eben auch: Die Arbeitsagentur kann nicht reparieren, was ein kaputtgespartes Bildungssystem an und in den jungen Leuten vorher angerichtet hat. Wer dieses Bildungssystem völlig demotiviert verlässt, prallt dann in der Regel völlig desorientiert auf die Anforderungen eines Ausbildungsmarktes, die nicht sinken, sondern tatsächlich aufgrund der technischen Entwicklung permanent steigen.

Deswegen lädt die Sächsische Arbeitsagentur jetzt schon ein zur Woche der offenen Unternehmen im März. Denn hier können sich Schüler noch vor ihrem Schulabgang informieren über mögliche Wunschberufe und die Anforderungen, die die Ausbildungsbetriebe stellen. Die Anmeldung für Schüler startet schon am 4. Januar.

Die Einladung:

Dem Wunschberuf hautnah. „Schau rein!“- Berufsorientierung zum Anfassen

Vom 7. bis 12. März 2016 findet in Sachsen die Woche der offenen Unternehmen statt. Schüler können in dieser Aktionswoche ihr Talent direkt im Betrieb austesten und sich über Wunschberufe und passende Alternativen informieren. Die Chancen auf eine Ausbildung stehen gut. Allein im vergangenen Ausbildungsjahr blieben 1.700 Lehrstellen unbesetzt – so viele wie noch nie.

Am 4. Januar 2016 ist es soweit: Schülerinnen und Schüler ab Klasse 7 können sich zu „Schau rein! – Die Woche der offenen Unternehmen Sachsen“ (7. bis 12. März 2016) anmelden.

Schon jetzt locken über 240 Unternehmen und Institutionen aus ganz Sachsen mit Einblicken in den Arbeitsalltag von Köchen oder Mechatronikern, Sozialversicherungsfachangestellten oder Werkzeugmechanikern, Bauzeichnern oder Industriekaufleuten und vielen anderen Berufen.

Ganz gleich, wie die Entscheidung ausfällt – mitmachen lohnt sich. Schließlich erleben Schüler ihre Wunschberufe hautnah, kommen mit Azubis ins Gespräch oder können vielleicht sogar den Chef selbst fragen, worauf es bei einer erfolgreichen Bewerbung ankommt. Davon profitieren auch Unternehmen, die schon heute sehen, wie viele und welche Schüler sich für ihre Firma interessieren.

Anmeldung im Internet: Egal ob Unternehmer oder Schüler – die Internetplattform www.schau-rein-sachsen.de ist die erste Adresse für Berufsorientierung. Hier stellen Unternehmen ihre Veranstaltungen ein und bekommen im Leitfaden viele Tipps und Infos zur Vorbereitung der Aktion. Hier informieren sich Schüler über die Angebote und können sich anmelden. Zu den Veranstaltungen fahren sie kostenfrei mit dem „Schau-rein!“-Ticket.

Hintergrundinfos: „Schau rein!“ ist Sachsens größte Initiative zur Berufsorientierung. In keiner anderen Woche des Jahres sind so viele Schüler gleichzeitig auf den Beinen, um Unternehmen von innen kennen zu lernen. Die Aktion findet in ganz Sachsen vom 7. bis 12. März 2016 zum zehnten Mal statt. Konkrete Angebote und Infos rund um Berufsorientierung gibt es unter www.schau-rein-sachsen.de Auf der Internetseite läuft ab Mitte Februar auch noch das „Schau-Rein!“-Gewinnspiel.

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