Am Freitag, 20. November, wurde im Sächsischen Landtag auch wortgewaltig über den neuen Windenergieerlass der Regierungskoalition debattiert. Er war zwar eindeutig eine Abkehr von der harten "Nein"-Linie der vorherigen CDU/FDP-Regierung. Aber an der entscheidenden Stelle ist er dafür windelweich geworden. Planungssicherheit sieht anders aus, kritisieren die Grünen.

Natürlich ist es ein Kompromiss. Aber wie das so ist mit Kompromissen: Unschärfen, die man bei der Gesetzgebung nicht bereit ist, zu klären oder bei denen man sich partout nicht einigen kann, werden zum Bremsklotz der weiteren Entwicklung. Ein wenig haben das auch die beiden Regierungsfraktionen so gesehen, auch wenn es ihre Sprecher lieber nicht so genau benennen wollten.

“Dem Gemeinsamen Erlass sind intensive und auch öffentlichkeitswirksame Diskussionen vorausgegangen. Gemeinsam haben die Koalitionsfraktionen ihre inhaltlichen Erwartungen an die Steuerung von Windenergieanlagen formuliert und mit dem heute durch SMI und SMWA verkündeten Erlass wird insbesondere dem Schutz der Bevölkerung Rechnung getragen”, meinte  Oliver Fritzsche, landesentwicklungspolitischer Sprecher der CDU-Landtagsfraktion, nach der Diskussion. “Dank der Verständigung auf die weitere Gültigkeit des geltenden Ausbauziels für die Stromerzeugung aus Windenergie (2.200 GWh/a) können die Regionalen Planungsverbände in voller Planungsverantwortung die laufende Fortschreibung zügig zu Ende führen und eine abschließende Konzentrationsplanung zur Steuerung der Windenergie vorlegen. Damit wird zum einen ein wesentlicher Beitrag zur Rechtssicherheit geleistet, zum anderen werden eventuelle Beeinträchtigungen des Landschaftsbildes minimiert. Den Regionalen Planungsverbänden kommt eine Schlüsselrolle bei der Erzielung eines Interessensausgleichs zwischen allen Verfahrensbeteiligten zu und ich möchte mich für ihren Einsatz recht herzlich bedanken.“

Dass der Erfolg nicht so ganz eindeutig ist, stellte dann Jörg Vieweg, energiepolitischer Sprecher der SPD-Landtagsfraktion, fest, als er sagte: “Der Erlass ist ein erster wichtiger Schritt für mehr Planungssicherheit bei der Energiewende.”

Ein erster wichtiger Schritt – aber eben noch keine Planungssicherheit.

Und dann nannte auch er die Zahlen, die noch nicht so recht zusammenpassen: “Dort sind zum ersten Mal die Ausbauziele der Koalition für erneuerbare Energien festgeschrieben. Für unser Ziel, bis 2025 zwischen 40 und 45 Prozent unseres Stromverbrauchs aus erneuerbaren Energien zu gewinnen, spielt die Nutzung der Windkraft eine entscheidende Rolle. Außerdem bietet die Windkraft zahlreiche Chancen für Gemeinden und Bewohner in den ländlichen Regionen. Gerade durch Bürgerwindkraftanlagen oder Energiegenossenschaften wird ermöglicht, dass viele Menschen direkt von der Energiewende profitieren können. Denn bei der Steigerung der Akzeptanz der Energiewende steht für uns die Beteiligung der Bürger an erster Stelle. Deshalb haben wir in den Erlass auch konkrete Handlungsempfehlungen für die Bürgerbeteiligung aufgenommen.”

Und zuletzt gab er sich euphorisch: “Die Windenergie sichert schon heute rund 1.500 Arbeitsplätze in Sachsen. Insgesamt sind im Bereich der erneuerbaren Energien in Sachsen rund 10.000 Menschen beschäftigt. Die Branche erwirtschaftet einen Umsatz von rund drei Milliarden Euro im Jahr. Das zeigt, dass unser Weg der richtige ist: Wir wollen den Ausbau der erneuerbaren Energien auch in Sachsen voranbringen und dafür sorgen, dass die Wertschöpfung möglichst vor Ort erhalten bleibt.“

Aber irgendwie hat sich Sachsens Regierung mit dem Erlass aus der eigentlichen Kampfzone nur zurückgezogen. Man hat das Thema wieder ganz nach unten delegiert, wie jetzt Gerd Lippold, energiepolitischer Sprecher der Grünen-Landtagsfraktion, kritisiert: “Wir begrüßen, dass der energiepolitische Unsinn der alten 1000-Meter-Abstandsregelung endlich abgeschafft wurde. Leider bringt der neue Erlass keine Rechtssicherheit für Regionalplanung sowie für Bürgerinnen und Bürger.”

Die vorgeschriebene immissionschutzrechtliche Prüfung jedes Windenergie-Vorhabens liefert zwar für jeden Standort einen gebotenen Mindestabstand. Wenn der Erlass nun lediglich eine “erkennbare Überschreitung” dieses Mindestabstandes vorschlage, so würden konkrete Vorgaben im Unklaren bleiben.

“Verantwortung und rechtliche Risiken werden durch die Staatsregierung einfach auf die Regionalplaner abgeschoben”, kritisiert Lippold. “Die verantwortlichen Staatsminister Martin Dulig (SPD) und Markus Ulbig (CDU) verschieben mit diesem Erlass die Verantwortung auf untergeordnete Ebenen, anstatt sich in der öffentlichen Diskussion über die Windenergie und ihre Rolle in der Energiewende klar zu positionieren.”

Und irgendwie scheint die Regierung doch noch im vergangenen Jahrzehnt festzustecken, was die Vorstellung moderner Windkraftanlagen betrifft. Die sind nun einmal größer und schaffen dadurch erst jene Leistungen, die sie zu berechenbaren Energieerzeugern machen.

“Geradezu grotesk ist die Begründung gestaffelter Höhenbegrenzungen – maximal 150 Meter Gesamthöhe bei 750 Meter Abstand zur Wohnbebauung – innerhalb bestehender Windgebiete, mit der die Koalition ihr Wegducken begründet”, kommentiert Lippold und zitiert die Phrase: “Zum Schutz der Bürger und der Landschaft”.

“Mit den neuen Ausschreibungen ab 2017 wird es kleine Windenergieanlagen unter 150 Metern Gesamthöhe aus ökonomischen Gründen einfach nicht mehr geben”, stellt er fest. Und auch die angepeilte alternative Energiemenge aus alternativer Erzeugung passe nicht so richtig zu den Ausbauzielen der Bundesregierung.

Lippold: “In den nächsten Jahren soll die Windstromerzeugung in Sachsen laut Erlass nach dem weiter gültigen Energieprogramm nur auf 2.200 GWh Strom im Jahr ausgebaut werden. Das entspricht einem Anteil von elf Prozent am Stromverbrauch. Die Staatsregierung will sich laut Koalitionsvertrag am Bundesziel von 40-45 Prozent aus erneuerbaren Energien bis 2025 orientieren. Woher diese in Sachsen kommen sollen, bleibt das Geheimnis der Koalition.”

Im Erlass wird die Hauptrolle bei der Erzeugung der Alternativen Energien eindeutig der Windkraft zugeschrieben. Anders wird es auch kaum gehen, wenn der Anteil alternativer Energieerzeugung in Sachsen schon bis 2025 bis zu 40 bzw. 45 Prozent betragen soll. Derzeit liegt er bei 11 Prozent. Den größten Anteil daran – noch vor Photovoltaik und Biogas – hat die Windenergie. Doch seit 2011 verläuft der Ausbau der Windenergie in Sachsen nur noch gebremst – und zwar nicht nur beim Bau neuer Windparks, sondern auch beim Ersatz der älteren Anlagen durch leistungsstarke neue Anlagen. Hier wurde besonders stark reglementiert und damit auch die Installation wirklich leistungsstarker Anlagen anstelle kleiner alter Anlagen verhindert.

Dieses Problem räumt der neue Erlass nicht wirklich aus, er überlässt die Klärung vor Ort doch wieder den Planungsverbänden.

Der Windkrafterlass aus dem Sächsischen Innenministerium.

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