Es ist wieder so ein kleiner Blick in die Geschichte. Am Freitag veröffentlichte das Statistische Landesamt des Freistaats ein paar Wirtschaftszahlen zum Jahr 2013. Das ist eigentlich lange her. Aber gerade in der Wirtschaft dauert es in der Regel wirklich zwei Jahre, bis alle wesentlichen Daten einigermaßen belastbar vorliegen. Und für 2013 gilt: "Wirtschaftswachstum in den Landkreisen Görlitz und Leipzig 2013 am höchsten".

Das ist sozusagen der Sockel, von dem die wirtschaftliche Entwicklung der Gegenwart – eben des Jahres 2015 – zehrt. Aber 2013 war eindeutig eines der mittlerweile fünf Jahre seit 2010, in denen sich die Wirtschaft des Freistaats stabilisieren konnte. Zwischendurch gab es zwar gefühlt 100 Meldungen diverser Umfrageinstitute und “Wirtschaftsexperten”, die schon einen Absturz der Konjunktur und ein Wegbrechen der Handelsergebnisse prophezeiten. Aber nichts davon ist eingetreten.

Stattdessen gab es 2013 eine neue Höchstmarke im sächsischen Bruttoinlandsprodukt: “104,7 Milliarden Euro Bruttoinlandsprodukt (BIP) wurden 2013 in Sachsen erwirtschaftet, 3,2 Prozent  mehr  als 2012 (in  jeweiligen  Preisen)”, meldeten die Landesstatistiker am Freitag, 20. November. “Innerhalb des Freistaates reichten die Ergebnisse von einem Wirtschaftswachstum um 6,9 Prozent in den Landkreisen Görlitz bzw. 6,3 Prozent in Leipzig über geringfügige Zuwächse im Landkreis Zwickau und dem Vogtlandkreis bis zu einem Rückgang des BIP um 0,4 Prozent in Mittelsachsen.”

Unübersehbar: Die demografische Entwicklung spiegelt sich auch in der Wirtschaftsentwicklung wieder: Der Zuwachs an Bruttowertschöpfung konzentriert sich immer mehr auf die drei Großstädte, die dann in der Regel auch ein oder zwei angrenzende Landkreise mitziehen.

Für Leipzig, das sein BIP seit 2000 übrigens um 59,5 Prozent steigern konnte, gilt das ganz exemplarisch für den angrenzenden Landkreis Leipzig, der 2013 ein BIP-Wachstum von 6,3 Prozent hinlegen konnte. Bei Dresden (+ 5,3 Prozent) trifft das vor allem auf den Landkreis Sächsische Schweiz/Osterzgebirge zu (+ 3,3 Prozent).

Eine echte Ausnahme ist tatsächlich der Landkreis Görlitz, dem es besser als allen anderen sächsischen Landkreisen gelingt, neue Unternehmensansiedlungen zu gewinnen. Die namhaftesten Unternehmen heißen hier Bombardier, Siemens, Birkenstock und Sysmex Partec. Aber dem östlichsten sächsischen Landkreis kommt eindeutig auch die Nähe zu Polen zugute. Man profitiert von grenzüberschreitenden Wirtschaftsbeziehungen, leidet aber inzwischen unter einem Fachkräftemangel, den die sächsischen Großstädte so noch nicht kennen (was möglicherweise zu verstärkter Fachkräfteeinwanderung aus Polen führen wird – man darf durchaus gespannt sein).

Aber Fakt ist auch: “Rund 41 Prozent des BIP wurden in den Kreisfreien Städten Sachsens erwirtschaftet. Hier betrug der Anteil der Dienstleistungsbereiche an der gesamten Bruttowertschöpfung rund 78 Prozent”, teilen die Landesstatistiker mit. Was durchaus zum Nachdenken anregen kann, denn damit wird die Dienstleistungsbranche zunehmend zum Motor der Arbeitskräfteentwicklung. Und das in einem Land, in dem die Wirtschaftspolitik geradezu berauscht ist vom Export und vom produzierenden Gewerbe.

Die sächsischen Landkreise erreichten einen Anteil von reichlich 61 Prozent Dienstleistung, heißt es weiter. Und: “In der  langfristigen Betrachtung seit 2000 konnten die Landkreise Görlitz und Leipzig sowie die Stadt Leipzig die größten Zuwächse des BIP erwirtschaften. Deutlich unter dem Durchschnitt lag das Wachstum im Vergleich zum Jahr 2000 im Vogtlandkreis und  in Nordsachsen.”

Aber Zuwachs ist ja nicht alles. Wirklich Früchte trägt ein BIP für die Region ja erst, wenn die Wertschöpfung hoch genug ist und sich auch in steigende Einkommen ummünzt.

“2013 erwirtschaftete ein Erwerbstätiger in Sachsen 52.108 Euro BIP. Bei den Regionalergebnissen lag hier der Landkreis Leipzig mit 59.307 Euro an der Spitze und der Erzgebirgskreis mit 45.852 Euro am Ende der Kreise. Damit repräsentierte der Landkreis Leipzig knapp 90 Prozent des gesamtdeutschen Wertes, während der Erzgebirgskreis rund 69 Prozent erzielte. Im Vergleich zum Jahr 2000 verzeichneten auch beim BIP je Erwerbstätigen die Landkreise Görlitz und Leipzig die höchste Dynamik. Am geringsten fielen die Anstiege im Landkreis Nordsachsen und in der Stadt Dresden aus.”

Das sind alles Muckefuckzahlen, weil sie schlicht die Pendlerströme vernachlässigen.

Denn gerade rund um die Großstädte setzen sich an jedem Werktag Zehntausende in Bewegung, um in der Großstadt ihr Einkommen zu verdienen. Die 55.099 Euro BIP je Erwerbstätigen, die die Statistiker da 2013 für Leipzig ermittelt haben, beziehen sich auf die rund 317.000 am Arbeitsort Leipzig Beschäftigten, nicht zu verwechseln mit den am Wohnort Leipzig Beschäftigten, deren Zahl rund 38.000 unter der Zahl der in Leipzig Arbeitenden liegt. (Stichwort: Pendlersaldo). Da kann jeder zum Taschenrechner greifen und kommt dann auf ein BIP pro Nase von 63.300 Euro.

Aber das ist eigentlich unwichtig, denn wirklich wichtig für die Region ist, dass das Gesamt-BIP gesteigert wird. Und das Wachstum fiel in Leipzig zwischen 2010 und 2013 schon recht deutlich aus: Es stieg von 14,4 auf 17,4 Milliarden Euro. Was dann übrigens auch zu steigenden Steuereinnahmen im Leipziger Haushalt führte. Noch nicht berauschend, aber doch spürbar. Und mit einem BIP von 17,4 Milliarden Euro hat Leipzig 2013 schon fast das Dresdner Niveau von 17,65 Milliarden erreicht.

2014 ging das Wirtschaftswachstum in Sachsen übrigens weiter. Nach 104,7 Milliarden Euro wurden 2014 dann schon 108,7 Milliarden Euro erwirtschaftet, ein Plus von 1,9 Prozent in der Summe. Detailwerte für Kreise und Kreisfreie Städte liegen freilich noch nicht vor. Aber der Trend dürfte sich fortgesetzt haben: überdurchschnittliches Wachstum in Städten wie Leipzig und Stagnation in den peripheren Regionen – mit Ausnahme von Görlitz, wo sich in aller Stille etwas entwickelt, während alle Welt über die Kohle in der Lausitz redet.

Die BIP-Statistik für 2013 aus dem Statistischen Landesamt.

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