Wenn man über Metropolstrukturen redet, dann kommt man am Thema Forschung und Entwicklung (FuE) nicht vorbei. Am Mittwoch, 11. November, stellte das Sächsische Wirtschaftsministerium seinen neuesten Bericht zur Lage im Freistaat dazu vor, freute sich bannig und lobte das Land: "In 2014 beschäftigten die FuE betreibenden Unternehmen in Sachsen zum ersten Mal mehr als 100.000 Menschen, davon sind ca. 12.000 unmittelbar in FuE tätig."
Dahinter geht es natürlich immer um die Frage: Haben Sachsens Unternehmen konkurrenzfähige Produkte, mit denen sie am Markt Erfolg haben? Haben sie vielleicht sogar die Marktführerschaft?
Das Institut EuroNorm GmbH hat die Ergebnisse am Mittwoch, 11. November, in Dresden vorgestellt.
Da freut sich auch Holger Mann, Leipziger Abgeordneter und Sprecher für Technologie und Europäische Förderpolitik der SPD-Landtagsfraktion: “Die positive Entwicklung von forschenden und entwickelnden Unternehmen setzt sich fort. Die Studie bestätigt erneut, dass Innovation der stärkste Motor für Wachstum und Beschäftigung in Sachsen ist. Besonders erfreulich ist, dass KMUs sowohl Umsatz als auch Export überproportional gegenüber Großunternehmen steigern konnten. Das zeigt, welche Potentiale in Sachsen noch zu heben sind.”
Aber da ist ein dickes Aber. Nämlich wenn Holger Mann nach Leipzig schaut. “Neben der insgesamt positiven Bilanz – gerade im Vergleich zu anderen neuen Bundesländern – bleibt die Anzahl der forschenden und entwickelnden Unternehmen mit 1.123 zu gering und sind insbesondere die regionalen Unterschiede zu groß. Dass die Region Leipzig trotz größter Wachstumsdynamik mit nur 11,8 % beim Personal und knapp 12,2 % (170 Millionen Euro) beim FuE-Aufwand weiterhin deutlich hinter den zwei anderen sächsischen Regionen herhinkt, zeigt wie schwer die Hypothek wiegt. Hier müssen Förder- und Strukturentscheidungen Ausgleich schaffen. Die Studie weist eine überproportionale Zunahme von Forschung und Entwicklung im Dienstleistungssektor aus. Sich diesem Sektor in Zukunft stärker als bisher zu widmen, kann neue Potentiale erschließen und gerade in der Region Leipzig zu einem Aufholprozess führen.“
Die Region Leipzig verfügt seit Jahren über erschwerte Wettbewerbsbedingungen, weil niedrigere EU-Fördersätze, das Fehlen einer Technischen Universität verbunden mit einer unterdurchschnittlichen Personalausstattung an der HTWK oder auch der geringere Anteil verarbeitenden Gewerbes der Unternehmensstruktur Forschung und Entwicklung erschweren.
Mit 63,6 % wurde der überwiegende Teil des FuE-Aufwands kontinuierlich FuE betreibender Unternehmen (852 Millionen Euro) wie bisher in der Region Dresden eingesetzt. Die Region Chemnitz hatte mit 326 Millionen Euro einen Anteil von 24,4 % und Leipzig mit 161 Millionen Euro einen Anteil von 12,0 %.
Der Umsatz kontinuierlich FuE betreibender Unternehmen verteilte sich 2014 auf die Regionen Chemnitz mit 5,4 Milliarden Euro (30,3 %), Dresden mit 9,9 Milliarden Euro (55,8 %) und Leipzig mit 2,5 Milliarden Euro (13,9 %). Die Region Leipzig hat – verglichen mit der Verteilung der FuE-Potenziale – einen leicht stärkeren Anteil am Umsatz der FuE betreibenden Unternehmen.
Aber was heißt das Alles nun? Braucht Leipzig deshalb auch eine Technische Universität? Hat das Sinn, wenn das entsprechende Forschungscluster gar nicht hier ansässig ist? Mal ganz abgesehen davon, dass etwa die TU Dresden auch eher keine klassische Technische Universität ist, sondern eine Vielsparten-Uni mit starkem Technik-Anteil. Die TUs in Zwickau und Chemnitz kommen dem Charakter einer klassischen Technischen Universität viel näher.
Es ist eine Illusion, Forschung und Entwicklung nun ausgerechnet nur mit TUs zu verbinden. In Leipzig gibt es entsprechende Forschungskooperationen der Unternehmen auch mit der Uni Leipzig (stark ausgeprägt die Forschungsgebiete Biowissenschaften, Logistik und Energetik) und logischerweise mit der HTWK, einer technischen Hochschule, die im Grunde längst an der Schwelle zur Technischen Universität steht – die Aufwertung (und personelle Besserstellung) ist überfällig.
Womit wieder Landespolitik gefragt ist, die sich aber lieber über Zahlen wundert, statt da zu handeln, wo es im Bereich ihrer Möglichkeiten ist.
Was sie nicht hinkriegen wird, ist den nun gerade im Chemnitzer Raum ansässigen Maschinenbau nach Leipzig zu verfrachten. Mit 188 von 831 forschenden Unternehmen stellt der Maschinenbau noch immer das größte Wirtschaftssegment in der sächsischen Forschung dar, gefolgt von den “Herstellern von Datenverarbeitungs-Geräten, elektronischen und optischen Erzeugnissen, elektrischen Ausrüstungen”, die alle zahlreich in und um Dresden angesiedelt wurden (147), und dem Bereich “Information und Kommunikation” (73), die man dann auch in Leipzig findet. Eindeutig bestimmt die gewachsene Wirtschaftslandschaft darüber, wer tatsächlich Forschung betreibt. In der Liste tauchen noch “Freiberufliche, wissenschaftliche und technische Dienstleistungen” (140) auf, doch diese sind in der Regel an die entsprechenden Wirtschaftscluster angedockt und vermehren sich auch nicht wirklich.
Und das dynamischste Cluster in Sachsen ist nun einmal der in Chemnitz heimische Maschinenbau. In Leipzig betreiben nun mittlerweile 185 Unternehmen Forschung und Entwicklung (sieben mehr als 2012), beschäftigen aber nur 1.487 Personen in Forschung und Entwicklung, kaum mehr als 2012, was davon zeugt, dass die Forschung in Leipzig nicht sehr personalintensiv ist.
Aber was auch das SMWA nicht registriert hat, obwohl es grundlegend ist: Die unterschiedlichen Wirtschaftscluster brauchen auch naturbedingt völlig unterschiedliche Forschungsaufwendungen. So kommen die Chemnitzer Unternehmen auf einen Durchschnittseinsatz von Forschungsgeldern von 714.000 Euro pro forschendes Unternehmen, in Leipzig – obwohl deutlich weniger Unternehmen forschen – liegt der Satz sogar bei 915.000 Euro im Jahr.
Nur Dresden, wo auch die TU besonders gehätschelt wird, liegt der durchschnittliche Einsatz bei 1,95 Millionen Euro pro Unternehmen und Jahr. Das hat in weiten Teilen mit der dort dominierenden Elektronik und Datenverarbeitung zu tun – bedeutet aber nicht unbedingt, dass das Verhältnis auch stimmt. Denn wenn die Marge möglicher Gewinne in einer hochgezüchteten Technologie immer kleiner wird, kann auch ein finanzieller Forschungseinsatz schneller zum Risiko werden.
Bleibt natürlich die Frage: Wo liegt eigentlich der FuE-Nachteil Leipzigs, der immer wieder beschworen wird?
Und warum betreiben die meisten Unternehmen gar keine Forschung? Denn der Report erfasst ja nur die etwas über 1.000 forschenden Unternehmen. Selbst unter den 1.308 erfassten sächsischen Industriebetrieben betreiben nur 252 Forschung – gerade einmal 19 Prozent, ganze 13,3 Prozent tun es kontinuierlich.
Was der Report also nicht leistet, ist die Erfassung der nicht umgesetzten Forschungspotenziale. Ein bisschen will es das sächsische Wirtschaftsministerium ja ändern.
“Daher wollen wir vor allem die kleinen und mittleren Unternehmen motivieren, noch stärker in Forschung und Entwicklung und damit in die Zukunft Sachsens zu investieren. Mit unserer Technologieförderung stellen wir dafür wichtige Förderinstrumente zur Verfügung“, erklärte am Mittwoch Wirtschaftsminister Martin Dulig. „Ende Januar haben wir den Startschuss für die neue Technologieförderung gegeben. Mit einer Gesamtsumme von rund 80 Millionen Euro haben wir seitdem bereits 24 einzelbetriebliche und 146 FuE-Verbund-Projekte gefördert sowie 116 kleine Vorhaben mit einer ‘InnoPrämie’ unterstützt.”
Trifft also zu, was Holger Mann fordert: “Die Region Leipzig braucht mehr Forschungsstrukturen für den Aufholprozess“?
Nur bedingt. Was in Leipzig fehlt, sind vor allem die großen forschenden Industriecluster, die auch in der Lage sind, die vom Ministerium bereitgestellten Forschungsgelder zu beantragen. Da fehlen dann oft genug den Forschungsinstituten und Hochschulen die Unternehmenspartner vor Ort und sie sind gut beraten, sich diese Partner in anderen Regionen zu suchen. Nur wird es da schwierig, denn die nächsten Partner sitzen dann meist im “Ausland”, im benachbarten Sachsen-Anhalt, Thüringen oder Brandenburg. Und die Landesgrenze verhindert die notwendige Kooperation.
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