In einem Brief an die Landtagsabgeordneten haben sächsische Regionalbauernverbände auf die dramatisch gesunkenen Erzeugerpreise für Milch, Schweinefleisch und Eier hingewiesen. Die Kosten der Landwirte werden im Moment lediglich zu zwei Dritteln gedeckt. Übrigens nicht erst jetzt im August. Dass Sachsens Bauern unter den drastisch gefallenen Preisen leiden, wurde schon im Juli deutlich.

Anfang August nahm sich auch Sachsens Agrarminister Thomas Schmidt (CDU) des Themas an und versuchte einen Vorschlag, wie das Dilemma zu lösen sein könnte: Er forderte die EU zum Handeln auf.

„Ein Ende der Niedrigpreise ist nicht absehbar. Daher müssen die auf September befristeten Interventionsmaßnahmen der EU auch danach und mit gegebenenfalls größeren Mengen fortgeführt werden“, erklärte der Minister. Darüber hinaus forderte er auch die Interventionspreise anzuheben. „Die Interventionspreise, zu denen die EU Milchprodukte aufkauft, wirken auf dem Markt als Untergrenze für den Milchpreis. Sie wurden zuletzt 2008  auf der Basis der damals anfallenden Kosten kalkuliert. Seitdem sind die Preise für Futter, Kraftstoffe und vieles mehr gestiegen. Daher müssen auch die Interventionspreise angehoben werden, wenn sie den Landwirten wirklich helfen sollen. Eine Prüfung durch den Bund und die EU-Kommission hat die Agrarministerkonferenz bereits im Frühjahr gefordert“.

Interventionspreise

Bei überdurchschnittlichen Preisrückgängen auf dem Milchmarkt mit Preisen für Butter und Magermilchpulver unter die Schwellwerte von 2.217 bzw. 1.698 Euro pro Tonne, kann die EU die Intervention dieser Produkte auslösen, sie kauft dann von den Mitgliedsstaaten beantragte Mengen zu diesen Preisen auf.

Bei Erreichung der Interventionsschwellwerte der genannten Produkte ergibt sich dann unter Berücksichtigung der Herstellungskosten der Molkerei ein rechnerischer Mindestpreis von 21,5 Cent pro Kilogramm Rohmilch.

Die aktuelle Lage

Aktuell erhalten die Milcherzeuger einschließlich aller Zuschläge zwischen 26,5 und 28 Cent pro Kilogramm. Die Kosten liegen auch bei den effizientesten Betrieben deutlich über dieser Marke.

„Das heißt, die Betriebe fahren mit der Milchproduktion jeden Tag Verluste ein“, betonte Schmidt. „Auf Dauer können sie diese auch nicht aus anderen Geschäftsfeldern ausgleichen, wie der Pflanzenproduktion oder der Biogaserzeugung.

Darüber hinaus sprach sich Schmidt erneut für die Einführung steuerfreier Rücklagemöglichkeiten für landwirtschaftliche Betriebe als Selbsthilfe in Krisensituationen aus. Diese Maßnahme auf Bundesebene würde den Landwirten ermöglichen, für die zunehmenden Gewinn- und Einkommensschwankungen durch Markt- und Witterungsrisiken Vorsorge zu treffen.

Aber in diesem Fall geht es nicht wirklich um Marktrisiken. Denn es sind ausgerechnet die niedrigen Erzeugerpreise in Deutschland, die viele agrarische Produkte zu Exportwaren gemacht haben. Und es sind nicht so sehr die sächsischen Maschinenbauer, die unter den von der EU verhängten Russlandsanktionen leiden, sondern die sächsischen Bauern, die unter den von Putin verhängten Importverboten leiden. Russland, China und auch das ebenso krisengebeutelte Griechenland waren bislang wichtige Absatzmärkte unter anderem für sächsische Milchprodukte.

Gründe für den Preisverfall

Gründe des Preisverfalls sieht der Bauernverband in der schwächelnden Konjunktur in Asien, dem Russlandembargo sowie der Einkaufs- und Preispolitik des Lebensmitteleinzelhandels.

Wolfram Günther, agrarpolitischer Sprecher der Grünen-Landtagsfraktion, unterstützt die sächsischen Landwirte: “In keinem Land Europas sind Lebensmittel so wenig wert wie in Deutschland. Es kann nicht sein, dass bspw. der Liter Milch bei Aldi, Lidl, REWE & Co für 51 Cent verramscht wird und Milch damit billiger ist als Mineralwasser!”

Der Agrarpolitiker betont, dass auch die sächsische Agrarpolitik der vergangenen Jahre ein Grund für die derzeitige Misere sei: “Die Staatsregierung wurde nicht müde, die Landwirte aufzufordern, sich ‘fit’ für den globalen Markt zu machen. Doch einseitige Exportorientierung und ein Wettkampf gegen Erzeuger aus Lateinamerika oder Asien, wo Lebensmittel viel billiger und mit deutlich niedrigeren Standards produziert werden, ist zum Scheitern verurteilt. Vorschläge, wie erst am Wochenende von Landwirtschaftsminister Thomas Schmidt (CDU), der die Bauern auffordert, ihre Produkte mittels Hofläden selbst zu vermarkten, stehen bei uns seit langem im Forderungskatalog. Wenn man sie aber nicht mit Konzepten untersetzt, werden auch in Sachsen Landwirte aufgeben müssen.”

AbL fordert drastischen Abbau des Überangebots

Tatsächlich hat auch die auf immer neuen Quantitäten orientierte Landwirtschaftspolitik in Sachsen mit dazu beigetragen, dass die Bauern derart abhängig geworden sind vom Absatz ihrer Produkte im Ausland. Damit werden sie von dort wirksamen Absatzkrisen jetzt direkt betroffen und versuchen die Überproduktion irgendwie im Inland abzusetzen. Was dann zu den nicht mehr kostendeckenden Preisen in den Läden führt.

„Weder deutsche noch europäische Agrarpolitik haben auf die Nachfrageentwicklung in China, dem Nahen Osten oder gar auf die Importsperre Russlands einen Einfluss. Was wir dagegen selbst in der Hand haben, ist unsere Erzeugung”, sagt dazu Martin Schulz, Vorsitzender der  Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL). “Wir müssen runter vom Überangebot, um aus dem Preistief rauszukommen.” Bei der Schweinerezeugung haben deutsche Bauern mittlerweile dasselbe Problem.

„Die Entwicklung bei uns setzt EU-weit Zeichen, also müssen wir die Vorzeichen ändern. Wir müssen den Umbau der Tierhaltung hin zu einer gesellschaftlich akzeptierten Haltung beschleunigen und EU-weit verankern“, so Schulz. Mit mehr Tierschutz lasse sich auch ein Abbau des preisdrückenden Überangebots erreichen. „Verbraucher und die Gesellschaft sind bereit, diesen Umbau über höhere Preise und staatliche Transfers zu unterstützen. Dafür müssen sie beim Kauf aber klar erkennen können, aus welcher Haltung das Fleisch stammt. Die Kennzeichnung muss her.”

Für die Milch schlägt die AbL als kurzfristige Maßnahme zum Abbau des Überangebots einen zeitlich befristeten Anreiz zur Drosselung der Milcherzeugung vor, der aus den nun letztmalig erhobenen „Superabgaben“ bezahlt werden soll. Diese Superabgaben werden von den Betrieben erhoben, die im letzten Milchquotenjahr mehr Milch abgeliefert haben als ihrer Quote entsprach. „Mit den EU-weit erwarteten über 700 Millionen Euro sollte den aktiven Betrieben ein Anreiz gezahlt werden, ihre Milcherzeugung befristet um einige Prozent zu reduzieren“, fordert der stellvertretende AbL-Vorsitzende Ottmar Ilchmann. „So kann die Superabgabe für alle noch etwas Gutes bewirken.“

Forderungen nach staatlichen Schuldenhilfen gehen laut AbL am Kern der Probleme vorbei.

„Liquiditätshilfen verschieben die Rückzahlung der Schulden. Aber das hilft kaum, wenn die durch das Überangebot verursachten Tiefstpreise ständig weitere Verluste bringen“, erklärt der stellvertretende AbL-Vorsitzende. Den Ruf nach Exportförderungen und den Aufruf aus dem Vorstand des Bauernverbands Schleswig-Holstein, in der Krise jetzt noch mehr Milch zu erzeugen, lehnt die AbL strikt ab „Diese falschen Rezepte sind keine Lösung, sondern Ursache der Krise. Noch mehr Menge und Billigexporte verstärken den Preisdruck auch international nur noch. Außerdem zerstören diese Exporte auch in den Zielländern bäuerliche Existenzen“, warnt Ilchmann. Die AbL fordert dagegen auch für die Milch eine Qualitätsoffensive, um langfristige Perspektiven für die Milchviehbetriebe zu entwickeln.

Klasse statt Masse

So sehen das auch die sächsischen Grünen.

“Sowohl aus ökonomischen als auch aus ökologischen Gesichtspunkten ist es dringend geboten, auf Klasse statt auf Masse zu setzen. Dazu muss die Staatsregierung ihre Förderpolitik endlich überdenken”, fordert der Grünen-Abgeordnete Wolfram Günther. “Statt Betriebserweiterung und industrielle Tierhaltung großzügig zu subventionieren, müssen alternative und regionale Vertriebswege gefördert werden. Gleichzeitig fordere ich die Staatsregierung auf, sich in Gremien der Europäischen Union mit aller Kraft gegen die weitere Deregulierung des Marktes und die dadurch stetig steigende Menge erzeugter Lebensmittel einzusetzen. Damit wird der Preisverfall nur weiter beschleunigt.”

Den Verbraucher freut das am Ende nicht wirklich, auch wenn er die gute Butter und die gute Milch jetzt billiger bekommt, denn tatsächlich bedrohen die Niedrigpreise nun die Existenz vieler Bauernhöfe – auch in Sachsen. Und was das für das eh schon spärliche Arbeitsplatzangebot in ländlichen Regionen bedeutet, kann sich auch der Laie ausrechnen.

Es sind die Bauern selbst, die jetzt die Bedingungen ändern müssen. Dann am Marktdiktat von Verarbeitern und Einzelhandel können sie auch mit eigenen Hofläden nicht viel ändern.

Wolfram Günther: “Das durch den schwächelnden Absatz in Asien und Russland entstandene Überangebot nutzt der Handel gnadenlos, um die Preise zu drücken. Deshalb unterstütze ich die Forderung des Bauernverbandes nach einem Lebensmittelgipfel, um Maßnahmen gegen den ruinösen Preiskampf des Einzelhandels zu vereinbaren.”

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