Es war eigentlich schon am 9. September klar: Irgendetwas kann an den Jammertiraden zur Wirtschaftsentwicklung in Deutschland wieder mal nicht stimmen. Da meldete nämlich das sächsische Statistikamt etwas anderes: "Industrieumsatz im 1. Halbjahr 2015 gut sieben Prozent über Vorjahresniveau". Sieben Prozent? Das ist eine Marke. Dass die Gesamtwirtschaft etwas langsamer wächst, gehört freilich als Pendant dazu.

Diese Meldung hat das Landesamt für Statistik nun am 24. September folgen lassen. Danach stieg das Bruttoinlandsprodukt (BIP) in Sachsen im ersten Halbjahr 2015 preisbereinigt um 1,7 Prozent gegenüber dem vergleichbaren Zeitraum 2014. Damit verzeichnete der Freistaat Sachsen ein überdurchschnittliches Wachstum sowohl im gesamtdeutschen Vergleich als auch mit den anderen neuen Ländern.

Was natürlich im starken Industriewachstum seine Ursache hat – oder sollte man besser sagen: Im wachsenden Umsatz? Der übrigens vor allem in Europa stieg. Wenn in China und Indien weniger abgesetzt werden kann, dann versucht man den leichten Positivtrend in Europa eben zu nutzen. Und was das heißt, ist selbst in den Worten der Statistiker deutlich: “Die Exporte in den Euroraum erhöhten sich um 24,8 Prozent, ins übrige Ausland gingen 3,8 Prozent mehr Lieferungen. Auf das Euro-Währungsgebiet entfiel mit 6,0 Milliarden Euro gut die Hälfte des Auslandsgeschäftes der sächsischen Industrie.”

Es sind also vor allem die Euroländer, die wieder mehr Waren abnehmen. Und zwar in einem Ausmaß, das sich sogar in der Gesamtwertschöpfung niederschlägt.

“Dieses preisbereinigte Ergebnis in Sachsen wurde maßgeblich durch einen deutlichen Zuwachs bei der Bruttowertschöpfung (BWS) im Verarbeitenden Gewerbe bestimmt”, betonen die Landesstatistiker deshalb am 24. September. “Die Dienstleistungsbereiche verzeichneten ebenfalls einen Niveauanstieg bei der BWS, dieser fiel jedoch im Bundesdurchschnitt nicht überdurchschnittlich aus.”

Was auch nicht zu erwarten ist. Löhne und Umsatz sind im Dienstleistungsbereich nun einmal deutlich niedriger als in der Industrie. Auch wenn dieser Bereich mit 64 Prozent Anteil an der Gesamtwertschöpfung der größte ist, wird er keine Zuwachsraten von 7 Prozent schaffen – jedenfalls nicht binnen eines Jahres. Eher ist genau das zu erwarten, was die Statistik zeigt: Er wächst in einem ähnlichen Tempo wie in den anderen Bundesländern. Mit einem Verhältnis von 32 Prozent Industrie zu 64 Prozent im BIP gehört Sachsen zu den etwas stärker industrialisierten Bundesländern. Es wird also von außenwirtschaftlichen Entwicklungen auch entsprechend stark berührt. Was nicht eingetreten ist, ist der erwartete Negativeffekt aus den Russland-Sanktionen. Dazu ist Russland als Handelspartner in Sachsen zu klein.

Nach reinen Verkaufszahlen war das Gesamtwachstum sogar richtig deutlich: “In jeweiligen Preisen gab es in Sachsen einen Anstieg des BIP um 3,8 Prozent”, meinen die Landesstatistiker und vergleichen dann wieder mit den anderen Bundesländern, um das irgendwie einzuordnen. Ist Sachsen denn nun besonders toll?

“Im regionalen Vergleich war der reale Zuwachs des BIP in den alten Ländern mit 1,5 Prozent geringfügig höher als das gesamtdeutsche Ergebnis (1,4 Prozent). In den neuen Ländern ohne Berlin fiel das preisbereinigte Wachstum mit 1,1 Prozent etwas niedriger aus. Die realen Länderergebnisse waren für alle Länder mit Ausnahme von  Sachsen-Anhalt (keine Veränderung) positiv und bewegten sich im ersten Halbjahr 2015 zwischen einem Anstieg des BIP um 3,1 Prozent in Baden-Württemberg und 2,4 Prozent im Saarland bis zu einer Erhöhung um 0,3 Prozent in Nordrhein-Westfalen bzw. 0,4 Prozent in Thüringen.”

Und was heißt das nun?

Gar nichts. Denn Ausreißer im Export können auch direkt mit bestimmten Industriebranchen zu tun haben. Wenn Sachsen hier mal einen Sprung nach oben macht, hat das in der Regel mit Maschinen aus dem gut ausgebauten Maschinenbau zu tun, oder mit Autos. Und wenn Sachsen-Anhalt hier irgendwie “klemmt”, dann hängt das damit zusammen, dass die Chemieindustrie derzeit keine großen Hüpfer macht.

Aber gerade der Vergleich mit Sachsen-Anhalt und Thüringen zeigt den ganzen Unfug der Länder-Auswertung. Denn schon jetzt hängen alle drei Bundesländer aufs Engste zusammen. Nur die politischen Grenzen laufen mittendurch und verhindern, dass die Metropolregion tatsächlich zusammenwächst und ihre Stärken entfaltet. Und die Statistik zeigt auch, dass vor allem Thüringen und Sachsen-Anhalt darunter leiden. Am Ende auch mit der Abwanderung junger Menschen.

Und den jungen Leuten folgen dann die Unternehmen, die Umsätze und die Steuereinnahmen. Was Sachsen irgendwie hilft, den anderen beiden Bundesländern aber echte Nüsse kostet. Aber da wir immer wieder erfahren, dass auf politischer Ebene der wirtschaftliche Verstand nicht unbedingt über den Tellerrand hinaus geht, wird dieses Bremsen und Ausbremsen wohl noch viele leidige Jahre so weitergehen.

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