Wie verkauft man einen ganzen Kraftwerkspark? Vor der Frage steht der schwedische Energiekonzern Vattenfall seit 2014. Die Verkaufspläne lösten geradezu hektische Aktivitäten in den Landesregierungen von Sachsen und Brandenburg aus. Noch gibt es keinen Käufer. Am Dienstag, 22. September, hat Vattenfall nun das Bieterverfahren für seine ostdeutschen Tagebaue, Kohlekraftwerke und - als Zugabe - zehn Wasserkraftwerke eröffnet.

Am Anfang stand eine Richtungsentscheidung in Schweden. Vattenfall ist ein Staatskonzern. Aber wirklich sicher ist die Zukunft vor allem der Braunkohleverstromung in der Lausitz nicht. Zu viele Fragen sind offen.

“Schwedische Klimaschutzziele haben den Ausstieg des Staatsunternehmens Vattenfall aus der Braunkohle auf die Tagesordnung gesetzt. Wir Grünen teilen die Position von schwedischen Parteien und Verbänden – darunter der mitregierenden Grünen – dass ein Verkauf keine Lösung ist”, stellt Dr. Gerd Lippold, energiepolitischer Sprecher der Fraktion Bündnis 90 / Die Grünen im Sächsischen Landtag, nun fest. “Die Klimaschutzziele lassen sich nur erreichen, wenn der größte Teil Kohle im Boden bleibt. Vattenfall muss die Kohleverstromung selbst geordnet beenden.”

“Die geplante Veräußerung umfasst das gesamte Geschäft der Braunkohleverstromung und des Braunkohletagebaus von Vattenfall in Deutschland, also die Kraftwerke Jänschwalde & Schwarze Pumpe in Brandenburg und Boxberg & den Block R der Anlage Lippendorf in Sachsen sowie alle dazugehörigen Tagebaubetriebe in der Lausitz (Jänschwalde, Nochten, Reichwalde, Welzow-Süd und Cottbus Nord)”, vermeldete Vattenfall am Dienstag. Und damit nicht nur Braunkohle im Paket ist, dürfen Käufer auch für mehr bieten: “Die Interessenten haben auch die Gelegenheit, zusätzlich zum deutschen Braunkohlegeschäft für ein Portfolio von zehn Wasserkraftwerken zu bieten, die nicht weit vom Braunkohlerevier in Thüringen, Sachsen und Sachsen-Anhalt beheimatet sind. Die Wasserkraftanlagen stehen allerdings nicht separat zum Verkauf.”

Die Meldung macht aber auch deutlich, wie schwer sich der Konzern tut, potenzielle Käufer für das große Paket zu finden. Man rechnet jetzt mit einer Dauer des Verkaufsverfahrens bis ins Jahr 2016.

“Wenn der Verkaufsprozess nun dennoch weiter voran getrieben wird, so ist die alles entscheidende Frage: Wer trägt die Risiken bei einem Verkauf?”, fragt Lippold. “Heute liegen diese bei Vattenfall. Es geht vor allem um die kaum absehbaren Risiken für Beendigung und Folgeschäden des Bergbaus. Grundwasseranstieg, Gifte, Erdrutschungen, Verschmutzung von Oberflächengewässern – all das ist für viele Jahrzehnte unberechenbar. Diese Risiken lassen Verkaufspläne als außerordentlich schwierig erscheinen.”

Für ihn stellen sich deshalb eine ganze Reihe weiterer Fragen. Denn da ist ja auch noch die sächsische Landesregierung, die ihr Eigeninteresse, den Kohlebergbau am Laufen zu halten und das möglichst übers Jahr 2040 hinaus, mehrfach bekundet hat.

“Was stellt die Staatsregierung potenziellen Interessenten in Aussicht? Sollen hier Langzeitrisiken auf den Steuerzahler abgewälzt werden, wie einst bei der Landesbank? Wie werden die Rückstellungen für Jahrzehnte sichergestellt?”, fragt Lippold, der sichtlich befürchtet, dass die milliardenschweren Folgekosten für Sanierung und Rückbau dann doch wieder als Sonderfonds im Landeshaushalt landen und Geld verschlingen, das für Investitionen, Personal und echte Wirtschaftsförderung in Sachsen fehlt. So wie die 2,75 Milliarden Euro, die man für die Folgen des Landesbank-Desasters umgeschichtet hat.

Aus Lippolds Sicht muss Vattenfall selbst den Ausstieg aus der Braunkohle im Lausitzer Revier organisieren.

“Wir Grünen wollen, dass die Risiken weiter von Vattenfall getragen werden, denn dort sind die Milliarden-Gewinne aus dem Kohlegeschäft hingeflossen”, fordert der Grünen-Abgeordnete. “Ziel muss es sein, dem schwedischen Konzern weiter Chancen zu eröffnen – als Mitgestalter der deutschen Energiewende. So könnte er als wichtiger Arbeitgeber und Investor weiter im Freistaat tätig bleiben und gleichzeitig seiner Verantwortung für die Bergbaufolgen konsequent gerecht werden.”

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