Manche Geschichten, die kann man zehn Jahre lang erzählen. Sie stehen einsam in der Welt. Wie die Geschichten zu den beiden sächsischen Flughäfen Leipzig und Dresden. Jahrelang von der verantwortlichen Politik ignoriert. Kein Thema, kein Problem. Und dann kommt nach reiflichem Überlegen doch ein Minister zu der Einsicht: Oh doch, es ist ein Problem. Und das Personalkarussell beginnt zu kreisen.

Am 9. August berichtete die LVZ: “Führungswechsel am Leipziger Flughafen – Dierk Näther muss gehen”. Nein, der Flughafen selbst oder die Konzernmutter Mitteldeutsche Flughafen AG berichteten nicht. Auch die letzte Personalrochade hatte das Unternehmen im Juni eher verkauft wie eine Aufhübschung für neue Rekorde. Da war mit Johannes Jähn ein neuer Chef der Mitteldeutschen Flughafen AG (MFAG) installiert worden. Mit dem bisherigen Vorstand Markus Kopp und dem neuen Generalbevollmächtigten Dieter Köhler war ein neues Führungstrio entstanden.

Dass nun gleich im Nachgang bei einer Betriebsversammlung verkündet wurde, dass der Leipziger Flughafenchef Dierk Näther seinen Hut nehmen soll und auch die Dresdner Flughafen-Chefin zur Disposition steht, habe wohl – so die LVZ – wie ein Schock auf die Belegschaft gewirkt. Näther gelte als kompetent und umgänglich.

Treibende Kraft hinter dem Personalkarussel sei Sachsens Finanzminister Georg Unland. Im Aufsichtsrat der MFAG ist er offiziell die Nummer 2 hinter dem Vorstandsvorsitzenden Erich Staake von der Duisburger Hafen AG. Aber der Freistaat Sachsen besitzt allein 77,29 Prozent der Mitteldeutschen Flughafen AG, das Land Sachsen-Anhalt nur 18,54 Prozent, kaum der Rede wert sind die Anteile der Städte Leipzig, Dresden und Halle. Und wer die Flughafenpolitik die ganze Zeit beobachtet hat, weiß, dass es um die Belange der Städte auch fast nie ging.

Es ging vor allem um Arbeitsplätze, Steuereinnahmen und das Vorhalten von international vernetzten Flughäfen, ohne die eine Wirtschaftsregion heutzutage nicht wirklich wettbewerbsfähig ist.

Das Problem ist nur: Wie viele Flughäfen braucht eine Region wie Mitteldeutschland?

Und wer fleißig L-IZ liest, der weiß, dass wir diese teuren Infrastruktureinheiten immer auf die Metropolregion bezogen diskutiert haben. Auch schon in den geradezu blamablen Zeiten, als die drei Bundesländer auch noch völlig unsinnige Flughäfen wie Magdeburg-Cochstedt oder Altenburg verteidigt haben.

Aber die ganze Zeit stand auch die Frage im Raum: Wie viele internationale Flughäfen braucht der mitteldeutsche Wirtschaftsraum? Und wie viele rentieren sich?

Rentabel sind Flughäfen nur dann, wenn sie nicht nur im laufenden Betrieb Überschüsse erwirtschaften, sondern auch ihre Investitionskosten wieder einspielen. Beim Flughafen Leipzig-Halle sind es rund 1,5 Milliarden Euro, beim Flughafen Dresden 500 Millionen. Das wären alles keine Größen gewesen, wenn die Prognosen der Passagierzahlen aus den 1990er Jahren so auch eingetroffen wären. Aber wenn es um Infrastrukturprojekte in Sachsen geht, dann werden Politiker und Planer übermütig. Über 4 Millionen Fluggäste hatte man für Leipzig-Halle als sicher prognostiziert. Und auch Dresden wurde für 3,5 Millionen ausgebaut. Eingetreten ist beides nicht.

Dresden stagniert noch immer bei den 1,7 Millionen Fluggästen, die schon 1995 erreicht worden waren, Leipzig schafft gerade etwas über 2 Millionen. Leipzig-Halle erwirtschaftet zwar durch die gewaltige Zunahme des Frachtverkehrs einen Überschuss. Aber der reicht bei weitem nicht, die Abschreibungen der Baukosten für den Flughafen auszugleichen. Ergebnis ist das jährliche Defizit von 60 Millionen Euro, das natürlich dem sächsischen Finanzminister Georg Unland (CDU) überhaupt nicht gefällt.

Wenn stimmt, was die LVZ schreibt, dass nämlich Unland aus diesem Grund schon seit geraumer Zeit Druck ausübt, dann wird auch erklärlich, warum Dierk Näther im Frühjahr aus einer Art Verzweiflung heraus versuchte, das Verbot der nächtlichen Probeläufe am Flughafen Leipzig-Halle aufzuweichen. Ein Vorstoß, der ja bekanntlich sogar in der flughafentreuen Lärmschutzkommission abgewiesen wurde. Ein Vorstoß, der aber auch zeigt, wo Näther überhaupt noch Chancen sah, die Bilanz des Flughafens auszubessern, der ja im Frachtfluggeschäft vor allem deshalb zur deutschen Nr. 2 hinter Frankfurt geworden ist, weil er praktisch den größten Teil des nächtlichen Frachtgeschäfts an sich gezogen hat.

Neues Führungstrio für die MFAG: Markus Kopp, Johannes Jähn und Dieter Köhler (v.l.). Foto: MFAG
Neues Führungstrio für die MFAG: Markus Kopp, Johannes Jähn und Dieter Köhler (v.l.). Foto: MFAG

Aber die Grenzen dieses Wachstums sind erreicht.

Und es steht – wie 2007, als Sachsen noch einmal hunderte Millionen in beide Flughäfen steckte – die Frage: Wie viele solcher Flughäfen lassen sich in Mitteldeutschland wirtschaftlich betreiben?

Die Antwort lautet auch heute noch: einer. Nicht mehr.

Und dabei sind die Aussichten für Leipzig-Halle sogar noch besser als die für Dresden. Denn Dresden wird massiv unter Druck kommen, wenn der neue Großflughafen BER eröffnet. Dresden International ist regelrecht eingepackt zwischen drei großen Flughäfen, die auf ihre Weise jeweils attraktiver sind: Berlin, Prag und Leipzig. Und man muss auch nicht lange nachdenken, um den Grund dafür zu finden, warum sich die Regierung in Dresden schwertut, die Zugverbindung Dresden-Berlin zu forcieren. Lieber veröffentlicht man aller paar Monate Jammertiraden über die “Sachsenmagistrale”, die schlechte Verbindung nach Hof oder den fehlenden ICE-Weg nach Prag. Denn wenn es eine schnelle Zugverbindung nach Berlin-Schönefeld gibt, war’s das mit der internationalen Fliegerei in Dresden. Dann erhöht sich das Defizit der MFAG schlagartig.

Und da werden auch alle jetzt eingeleiteten Rochaden beim Führungspersonal nichts ändern.

Die entscheidenden Fehler wurden alle schon vor über zehn Jahren gemacht. Und sie werden weiter gemacht. Die drei Landesregierungen in Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen spielen heute noch “Dummer Dussel” miteinander, wenn es um die richtigen und vernetzten Verkehrsstrukturen in der Wirtschaftsregion geht, um kluge und nachhaltige Anbindungen an einen zentralen Flughafen, den Ausbau der richtigen Straßen und Fernverkehrstrassen und natürlich um den Verzicht auf unsinnige Provinzprojekte.

Und zurecht weisen die Bürgerinitiativen darauf hin, dass der Flughafen Leipzig-Halle noch ein paar Probleme mehr bekommen wird, denn seine ausufernde Nachtfliegerei ist eigentlich mit europäischem Recht nicht wirklich vereinbar.

Michael Teske, Vorsitzender IG Nachtflugverbot Leipzig/Halle e. V. : “Aber auch die unbegrenzte Nutzung des Flughafens für nächtliche Militär- und Frachtflüge, der ‘rettende Anker’ vor dem totalen wirtschaftlichen Absturz des Flughafens, ist gefährdet, weil die damit verbundene gesundheitsschädigende Lärmbelastung nicht mehr hingenommen wird.”

Am 7. April hat der auf Verwaltungs- und Umweltrecht spezialisierte Leipziger Rechtsanwalt Wolfram Günther im Auftrag der IG Nachtflugverbot Leipzig/Halle fristgerecht Klage vor dem Bundesverwaltungsgericht in Leipzig gegen den Freistaat Sachsen erhoben und am 7. August die ausführliche Klagebegründung eingereicht.

Michael Teske: “Wären die neuen wissenschaftlichen Erkenntnisse schon 2004, bei der Planfeststellung, bekannt gewesen, dann hätte es niemals eine unbeschränkte Nachtflugerlaubnis geben dürfen. Deshalb haben die Kläger jetzt einen Rechtsanspruch darauf, dass die Planfeststellung unter Berücksichtigung der neuen Erkenntnisse zu ihren Gunsten korrigiert wird. Denn einerseits wurden die gesundheitlichen Auswirkungen des Nachtfluglärms in der Planfeststellung viel zu gering eingeschätzt. Andererseits wurden die wirtschaftlichen Erfordernisse des Nachtflugs viel zu hoch bewertet, was sich heute u. a. am ständigen Zuschussbedarf des Flughafens Leipzig/Halle zeigt.”

Zumindest hat die nächtliche Fliegerei nicht die Summen eingespielt, die Leipzig-Halle gebraucht hätte, die Investitionen wieder zu refinanzieren. Aber das wissen alle Beteiligten auch schon seit Jahren. Jetzt scheint zumindest der sächsische Finanzminister zu reagieren. Aber an der grundlegenden Misere werden auch die Personalrochaden nichts ändern.

Mitteilung der IG Nachtflugverbot Leipzig/Halle.

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Kiel, Potsdam, Mainz und Wiesbaden z.B. sind Landeshauptstädte ohne Flughafen.
Dies ist durchaus auch für Dresden denkbar.

Auch wenn im Artikel nicht deutlich wird, wo das jährliche Defizit von 60 Millionen Euro generiert wird (Dresden oder Leipzig oder beide zusammen), so steht fest: in Sachen Geld entscheidet immer das Geld.
Dresden ist bis auf örtliche Eitelkeit gegenüber Leipzig in jeglicher Bedeutung weit abgeschlagen, verzichtbar.

Möge man im Sinne der mitteldeutschen Region endlich, endlich mal das Richtige tun. Ganz uneitel.

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