Was für ein hübsches Wort: Gemüsevorerhebung. Ein echtes Statistikerwort. Benutzt haben es die sächsischen Landesstatistiker vor ein paar Tagen, um schon mal ein bisschen Bilanz zu ziehen zu Erdbeer- und Spargelsaison. Die ist ja nun spürbar schon ein bisschen vorbei. Aber war es wirklich so eine schlechte Erdbeersaison, wie die Statistiker gemeldet haben?
Bei Spargel wurde mit über 1.100 Tonnen die höchste Erntemenge der letzten neun Jahre eingebracht, meldete das sächsische Landesamt für Statistik. Je Hektar wurden rund 41 Dezitonnen dieses Edelgemüses gestochen, schrieben sie. Und setzten dann so ein Wort hin, das bei Statistikern immer wie ein großes Seufzen klingt: “jedoch rund ein Fünftel weniger als im Vorjahr. Dieser geringere Ertrag wurde durch eine um über 80 Hektar größere, im Ertrag stehende Spargelanbaufläche mehr als ausgeglichen. Die sächsische Anbaufläche belief sich auf insgesamt 350 Hektar, darunter standen rund 275 Hektar im Ertrag.”
Und dann so eine Nachricht dazu: “Die vorläufigen Ergebnisse der diesjährigen Erdbeerenernte zeigen einen deutlichen Rückgang gegenüber dem Vorjahr. Mit einem Ertrag von gut 60 Dezitonnen je Hektar im Freiland lag dieser fast um ein Drittel unter dem Vorjahreswert von 87 Dezitonnen. Die Anbaufläche im Freiland wurde um fast 80 Hektar auf 510 Hektar reduziert. Darunter waren 110 Hektar, die noch nicht im Ertrag standen. Dies führte dazu, dass die Erntemenge von gut 2.400 Tonnen um gut ein Drittel unter der des Vorjahres lag. Weiterhin wurden auf acht Hektar unter hohen begehbaren Schutzabdeckungen einschließlich Gewächshäusern 150 Tonnen Erdbeeren geerntet.”
So eine Nachricht dreht man hin und her und bedauert sich selbst: Gab’s wirklich so viel weniger Erdbeeren?
Nur, wenn man den falschen Maßstab nimmt. Sachsens Statistiker haben einfach das Wichtigste weggelassen. Denn – nein – das Jahr 2014 ist für Erdbeeren kein gutes Vergleichsjahr. Darauf wiesen auch die Bundesstatistiker bei ihrer Meldung zum Thema extra hin: Denn 2014 war sowohl bei Erdbeeren als auch bei Spargel ein einsames Rekordjahr für Deutschland. Die Ernteergebnisse von 2015 lagen tatsächlich wieder auf dem Niveau der Jahre davor und sogar überm Durchschnitt. Das Bundesamt für Statistik dazu: “Im Vergleich zu den vergangenen sechs Jahren entspricht die diesjährige Fläche in etwa dem Durchschnitt, wohingegen die diesjährige Erntemenge um knapp 4 % über diesem Durchschnitt liegt.”
Wir hatten 2015 also ein gutes Erntejahr. Es war nur kein solches Rekordjahr wie 2014. Tatsächlich steigen die Ernteerträge seit Jahren an, nicht nur, weil immer mehr Bauern entsprechende Flächen anpflanzen, darunter die “110 Hektar, die noch nicht im Ertrag standen”, wie das statistische Landesamt meldete. Was natürlich bedeutet, dass die sächsische Erdbeerernte in den nächsten Jahren noch größer ausfallen wird. Nur der trockene Mai hat verhindert, dass es wieder eine so üppige Ernte wie 2014 wurde.
Und was sagt einem das? – Man sollte auch bei Statistikern vorsichtig sein. Sie neigen gern dazu, nur das halbleere Glas zu sehen, wenn im Laden die Erdbeersaison vorbei ist.
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